Seit Jahren sammle ich auch verschiedene Paramecium Arten als Haustiere in meinem Mikrolabor. Den heutigen Neuzugang habe ich aus einer alten Spirostomum Probe von Michael B. isoliert. Um Paramecium bis auf die Art zu bestimmen, muss man sehr genau auf bestimmte Details achten, wie die Form der pulsierenden Vakuole, deren Austrittsporus und auch die Anzahl und Form der Micronulei. Die Zahl der beschriebenen Arten wächst stetig. Inzwischen sind mehr als 15 gültige Arten beschrieben, einige davon wurden zunächst von früheren Autoren bezweifelt. Sie sind neuerdings jedoch wieder beschrieben worden.
Paramecium aurelia, die Schöne, war in den 1940ern Jahren auch das Lieblingshaustier von Tracy M. Sonneborn, der 14 verschiedene Stämme dieser Art beschrieb und genetisch untersuchte. In der Literatur geistert bis heute der Begriff vom Artenkomplex Paramecium aurelia umher. Sonneborn sprach damals noch von "Rassen" (engl.: "races"). Ein Begriff, der heute eigentlich nicht mehr gebräuchlich ist. Stattdessen sprechen die Protistologen aktuell von "strains" bzw. dem "P. aurelia (species) complex". Oder sollten wir besser sagen "Geschlechter"? Die einzelnen Stämme, die Sonneborn isolierte, zeichneten sich nämlich dadurch aus, dass sie sich untereinander durch Konjugation verpaaren können, jedoch nicht in jeder beliebigen Kombination. Erst kürzlich wurde ein weiterer Stamm des P. aurelia Komplexes beschrieben.
Die Bestimmungsmerkmale von Paramecium aurelia sind rasch aufgezählt: Die Art besitzt die typische Zigarrenform der größeren Arten, unter denen sie die kleinste ist mit 120-170 µm Länge. Wichtigstes Merkmal ist die Anzahl und Form des Micronucleus. Paramecium aurelia besitzt zwei Micronuclei, deren Form Fokin als vesikulär bezeichnet. Dies meint: Die Micronuclei sind sphärisch (kugelförmig) und messen etwa 2-3 µm im Durchmesser. Das Chromatin ist jedoch nur in einer äußeren Schicht der Kugel eingelagert. Sauber fokussiert erscheinen die Micronuclei im Lichtmikroskop mit höchster Vergrößerung daher eher ring-förmig. Die lediglich in einer äußeren Schicht eingelagerte DNA wird auch mit der Fluoreszenzanalyse in dieser Form bestätigt. Auch der Austrittsporus (1) der pulsierenden Vakuolen sollte betrachtet werden. Ebenfalls bestimmungsrelevant für Paramecium Arten ist die Form der zur kontraktilen Vakuole hin führenden Kanälchen.
Hellfeldaufnahmen mit schiefer Beleuchtung. Fluoreszenzaufnahme mit Doppelfärbung Hoechst 33342 und Acridinorange, UV Anregung (385 nm LED).
Viele Grüße
und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2022!
Thilo
Literatur:
- S. I. Fokin. Paramecium genus: biodiversity, some morphological features and the key to the main morphospecies discrimination. Protistology 6 (4), 227– 235, 2010.
Bild 1: Um die Form der Micronuclei von P. aurelia zu bewerten ist die höchste Vergrößerung am Mikroskop zu wählen (60x-100x), hier aufgenommen mit einem Zeiss Life-Cell-Imaging Objektiv LCI Plan-Neofluar 63x/1,3 mit Wasserimmersion.
Bild 2: Fluoreszenzbeobachtung von P. aurelia mit Doppelfärbung Ho342 und Acridinorange. Gut sichtbar ist die blau gefärbte DNA des Macronucleus und der beiden Micronuclei. In den Micronuclei ist die DNA nur in einer dünnen, äußeren Schicht eingelagert, die den Mi lichtmikroskopisch ein ringförmiges Aussehen verleiht.
Bild 3: Ein einzelner Austrittsporus einer der beiden kontraktilen Vakuolen von P. aurelia , Aufnahme mit C-Apochromat 40x/1,2 W.