Hinweis
Vorerst als Spatihidium chlorelligerum Kahl, 1930 wegen der vorhandenen Zoochlorellen identifiziert, und nach Anregung vom Thilo (DANKE) neu überarbeitet worden. Es bleiben zwar Fragen, auch bzgl. der Zoochlorellen offen, aber im Moment spricht alles für Chaenea stricta.
Liebe Tümpler/innen,
es werden Ciliaten gefunden die schnell und sicher zugeordnet werden können und es gibt Ciliaten die einen die letzten grauen Haare kosten können, so wie dieser „Chaenea stricta“, der vorerst wegen seinen Zoochlorellen als Spatihidium chlorelligerum Kahl, 1930 zugeordnet wurde, es wäre auch zu schön, um wahr zu sein! Gefunden habe diesen Ciliaten am Hemminger Handweiser, auch Wilkenburger Spinne genannt, in einem dort liegenden Weiher. Dieser Weiher hat in den vergangenen Jahren schon einige seltene Arten zum Vorschein gebracht, wie z.Bsp. Sonderia tubigula KAHL, (1930), oder Trachelophyllides sigmoides KAHL, (1926). Alle sind wunderschöne Ciliaten, die der Beobachtung verdienen.
Differential Diagnose:
- „wurmförmiges“ Aussehen
- Länge 179 x 20 µm
- ca. 50 Kerne in Einzelstücke; Größe der Kerne zw. 3,5 – 5 µm
- cV ist posterior, wo sich auch der Exkretionsporus befindet
- Zoochlorellen; Zr= 4 µm im Durchmesser
- Trichocysten; Tr um die 14 µm lang
- Wimpern kurz; Wp= 10 µm lang
- Schwimmt in Schlangenlinie, rotierend um seine Achse durchs Medium, kann durch seine geringe Größe im Stereomikroskop leicht übersehen werden
- Eine Mundwulst konnte nicht genau beobachtet werden
- 4 -5 Wimpernreihen statt der von KAHL 1930 angegebenen ca. 15 Reihen
Schwimmbewegung
Die Schwimmbewegung bei Chaenea stricta ist wie bei den meisten Ciliaten, als eine Linksdrehung zu beobachten. Bei diesem Wechsel in der Drehung (Rotation) verbiegt sich der Vorderabschnitt des Körpers wechselnd. Diese Art der Rotation führt den Schwerpunkt (Mundregion) nicht geradlinig, sondern lässt ihn im offenen Tropfen als Spiralwindung erkennen, die unter dem Deckglas dann als Schlangenlinie zu beobachten ist. So ergibt sich in der Fotografischen Darstellung immer wieder eine andere Schärfenebene, die Mühsam zu verfolgen ist, wie aus den verschiedenen Bildern zu erkennen ist, Bild 1. Diese Art der wurmartigen Fortbewegung lässt uns schwer, wichtige Merkmale sicher erkennen, es sei denn man legt sie Platt!
Untersuchung
Unter dem Deckglas hat man Mühe, diesen fast undurchsichtigen Ciliaten wiederzufinden. Es sei denn, sie sind mit Zoochlorellen besetzt, so wie Chaenea stricta. Beim Einsetzen des Deckglasdruckes, konnte beobachtet werden, wie C. stricta anfing seine Zoochlorellen über den Exkretionsporus zu egestieren. Der Exkretionsporus ist an der ventral sitzenden Vakuole zu beobachten. Bis auf eine einzige Zoochlorelle wurden alle aus dem Cytoplasma entfernt. Da der Makronucleus schwer zu erkennen ist, wurde zur sicheren Darstellung, eine DAPI Kernfärbung durchgeführt, Bild 6. So konnten mehr als 50 Bruchstücke, so wie sie KAHL 1930 beschrieben hat, gefunden werden. Nun passte alles zusammen um halbwegs sicher zu sein, dass es sich hier um C. stricta handeln muss. Nur die vorhanden Zoochlorellen werfen noch Fragen auf, da im Netz nichts zu finden ist.
Verwechslungsmöglichkeit
Chaenea stricta zeigt in seiner Schwimmbewegung eine Körperform wie Kahlilembus fusiformis, was auch seine Körperform beschreibt. Wäre eine Mundwulst deutlich zu erkennen, würde er leicht mit Spahtidium chlorelligerum verwechselt werden können.
Diskussion
Ob es sich bei diesem Fund um Chaenea stricta handelt, konnte bis jetzt nicht zweifelsfrei geklärt werden, da die Frage mit dem vorhandenen Zoochlorellen offengeblieben ist. In diesem Fall (Fund) kann Spahtidium chlorelligerum ausgeschlossen werden, da zwei typische Merkmale nichtzutreffend sind: Erstens, die fehlende Mundwulst, und zweitens die Wimpernreihen die KAHL mit 15 Wimpernreihen je Seite angibt und der Fund nur 4 - 5 Wimpernreihen pro Seite zeigen. Es ist auch zu bedenken, dass seit KAHL 1930 keine weiteren Funde über S. chlorelligerum dokumentiert wurden.
Literaturangaben:
Foissner, W., Berger, H., Blatterer, H., Kohmann, F., (1995): Taxonomische und ökologische Revision der Cilaten des Saprobiensystems, Band IV: Gymnostomatea, Loxodes, Suctoria. Informationsberichte des Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft. pp. 152 – 154.
Foissner W, and Kuidong Xu (2007): „Monograph of the Spathidiida (Ciliophora, Haptoria)”; pp. 173 – 177.
Kahl, A. (1935): Urtiere oder Protozoa I: Wimperntiere oder Ciliata (Infusoria) 7. Familie Bursariidae - Tierwelt Dtl., pp. 148 – 167
Kahl, A. (1935): Urtiere oder Protozoa I: Wimperntiere oder Ciliata (Infusoria) 17. Gattung Chaena Quennerstedt, 1897 - Tierwelt Dtl., pp. 103 – 107.
Ich hoffe, hiermit einen weiteren interessanten Beitrag geleistet zu haben.
Herzliche Grüße und einen gesunden Start ins "Neue Jahr 2022"!
Michael alias Pelagodileptus
Info: Alle Aufnahmen wurden am Olympus BX60 Mikroskop im DIC Verfahren aufgenommen. Kamera Canon R1
Chaenea stricta (DUJARDIN, 1841) nov. comb.
- Pelagodileptus
- Beiträge: 105
- Registriert: 2. April 2019, 21:43
- Hat sich bedankt: 150 Mal
- Danksagung erhalten: 105 Mal
Chaenea stricta (DUJARDIN, 1841) nov. comb.
Zuletzt geändert von Pelagodileptus am 1. Januar 2022, 14:26, insgesamt 4-mal geändert.
- Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Pelagodileptus für den Beitrag (Insgesamt 5):
- SNoK, Michael, paramecium, Uli, rainerteubner
- Bewertung: 62.5%
-
- SNoK
- Beiträge: 285
- Registriert: 18. Mai 2020, 15:19
- Hat sich bedankt: 76 Mal
- Danksagung erhalten: 261 Mal
- Kontaktdaten:
Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930
Lieber Michael,
danke für die ausführliche Beschreibung und die instruktiven Bilder. Manchmal kostet es in der Tat graue Haare und man fragt sich, wie viel Zeit man auf so eine Bestimmung verwenden kann und will, wo es noch so viel anderes Interessantes zu sehen gibt. 179 Mikrometer finde ich nicht so klein, die Größe sieht man doch im Stemi noch ganz gut.
Grüße
Stephan
danke für die ausführliche Beschreibung und die instruktiven Bilder. Manchmal kostet es in der Tat graue Haare und man fragt sich, wie viel Zeit man auf so eine Bestimmung verwenden kann und will, wo es noch so viel anderes Interessantes zu sehen gibt. 179 Mikrometer finde ich nicht so klein, die Größe sieht man doch im Stemi noch ganz gut.
Grüße
Stephan
Zuletzt geändert von SNoK am 30. Dezember 2021, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.
Mikroskope: Leica DMRB mit Plan Fluotar und PlanApo, Leitz Dialux mit NPl
Stemi: Zeiss Stemi 508, Wild-Heerbrugg M5
Kamera: Sony alpha 6400 und 6500
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: viewtopic.php?f=32&t=831
Stemi: Zeiss Stemi 508, Wild-Heerbrugg M5
Kamera: Sony alpha 6400 und 6500
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: viewtopic.php?f=32&t=831
- paramecium
- Beiträge: 542
- Registriert: 17. Oktober 2016, 13:48
- Hat sich bedankt: 269 Mal
- Danksagung erhalten: 272 Mal
Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930
Hallo Michael,
tolle Fotos. Danke für's zeigen. Diese Formen sind mir noch nicht bewusst unter gekommen. Im ersten Moment dachte ich eher an Lacrymaria wegen der charakteristischen oralen Bewimperung. Dann habe ich den Foissner noch einmal durchgewühlt.
Bei der Bestimmung bin ich nicht ganz bei Dir. Auch mir fehlt der Mundwulst, der so typisch ist für Spathidium. Diese typische Kopfform und die Extrusome im Kopfbereich erinnern mich doch eher an Chaenea sp., z.B. Chaenea stricta. Diese ist zwar laut Foissner etwas kürzer (90-150 µ), doch die übrigen Merkmale, Mundbewimperung und die Dorsalbürste, die Du m.E. in Bild 1 mitte und rechts zeigst, würden für mich eher passen. Auch die vielfachen Macronuclei würden gut passen. Größen können ja gerne mal variieren, je nachdem wie gut sie im Futter stehen, oder ob man eine bevorstehende Teilung vor sich hat.
Siehe: Foissner et al. 1/95, S. 152ff.
Viele Grüße
Thilo
tolle Fotos. Danke für's zeigen. Diese Formen sind mir noch nicht bewusst unter gekommen. Im ersten Moment dachte ich eher an Lacrymaria wegen der charakteristischen oralen Bewimperung. Dann habe ich den Foissner noch einmal durchgewühlt.
Bei der Bestimmung bin ich nicht ganz bei Dir. Auch mir fehlt der Mundwulst, der so typisch ist für Spathidium. Diese typische Kopfform und die Extrusome im Kopfbereich erinnern mich doch eher an Chaenea sp., z.B. Chaenea stricta. Diese ist zwar laut Foissner etwas kürzer (90-150 µ), doch die übrigen Merkmale, Mundbewimperung und die Dorsalbürste, die Du m.E. in Bild 1 mitte und rechts zeigst, würden für mich eher passen. Auch die vielfachen Macronuclei würden gut passen. Größen können ja gerne mal variieren, je nachdem wie gut sie im Futter stehen, oder ob man eine bevorstehende Teilung vor sich hat.
Siehe: Foissner et al. 1/95, S. 152ff.
Viele Grüße
Thilo
- Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor paramecium für den Beitrag:
- Pelagodileptus
- Bewertung: 12.5%
-
- Pelagodileptus
- Beiträge: 105
- Registriert: 2. April 2019, 21:43
- Hat sich bedankt: 150 Mal
- Danksagung erhalten: 105 Mal
Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930
Hallo Stephan,
Hallo Thilo,
vielen Dank für die Rückmeldung. Es kostet immer wieder viel Zeit und Mühe einen Artikel fürs Forum vorzubereiten. Und immer wieder hakt es irgendwo. So ist das mit uns Hobbyplanktologen
@ Thilo: an Chaena stricta habe ich überhaupt nicht gedacht, geschweige denn nach gesucht. Nur ist das eine 50 zu 50 Entscheidung. Einiges passt perfekt, und der Rest wirft Fragen auf. Vielleicht gibt es ja noch mehr als nur einen C. stricta? Auf jeden Fall habe ich B. Sonntag die Daten und Bilder zukommen lassen. Mal sehen auf was für ein Ergebnis sie kommt. Kann nur etwas dauern, da gerade mal wieder Homeoffice angesagt ist.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein gesunden Start ins 2022 mit vielen neuen kleinen Haustieren,
Michael
Hallo Thilo,
vielen Dank für die Rückmeldung. Es kostet immer wieder viel Zeit und Mühe einen Artikel fürs Forum vorzubereiten. Und immer wieder hakt es irgendwo. So ist das mit uns Hobbyplanktologen
@ Thilo: an Chaena stricta habe ich überhaupt nicht gedacht, geschweige denn nach gesucht. Nur ist das eine 50 zu 50 Entscheidung. Einiges passt perfekt, und der Rest wirft Fragen auf. Vielleicht gibt es ja noch mehr als nur einen C. stricta? Auf jeden Fall habe ich B. Sonntag die Daten und Bilder zukommen lassen. Mal sehen auf was für ein Ergebnis sie kommt. Kann nur etwas dauern, da gerade mal wieder Homeoffice angesagt ist.
In diesem Sinne wünsche ich euch ein gesunden Start ins 2022 mit vielen neuen kleinen Haustieren,
Michael
- paramecium
- Beiträge: 542
- Registriert: 17. Oktober 2016, 13:48
- Hat sich bedankt: 269 Mal
- Danksagung erhalten: 272 Mal
Re: Chaenea stricta (DUJARDIN, 1841) nov. comb.
Lieber Michael,
Das ist das Tolle an diesem Forum: Es ist ein Ort der Begegnung. Niemand weiß alles, aber wir lernen voneinander. Dein Artikel hat mich auf die Art geführt, von der ich glaubte, sie irgendwann früher einmal auch schon gesehen zu haben. Lacrymaria passte einfach nicht. Da huschen ja immer wieder neue Viecher durchs Bild, bei denen man nachher ahnungslos blättert, was das gewesen sein könnte.
Ja, Foissner ist im Ciliatenatlas an vielen Stellen schnell bei der Hand Arten und frühere Beschreibungen zu synonymisieren oder gar umzubenennen. Da muss man wieder zurückgehen in die Ursprungsarbeiten und sich die Details ansehen. Er selber scheint mir da in dieser Epoche manchmal grobmotorisch einige Arten über einen Kamm zu schreren. Gewissheit erhält man nur mit Unterstützung der Genanalyse. Doch hier kamen von ihm auch in den neueren Arbeiten nur wenige Beiträge. Seine Beiträge werden Generationen von Forschern Arbeit auf Jahrzehnte geben, die exotischen Viecherl erneut aufzuspüren, zu sequenzieren, um die Arten zu bestätigen oder wieder auseinander zu klabüstern.
Ich schau mal, was ich zu Chaenea spp. finde.
Viele Grüße
Thilo
Das ist das Tolle an diesem Forum: Es ist ein Ort der Begegnung. Niemand weiß alles, aber wir lernen voneinander. Dein Artikel hat mich auf die Art geführt, von der ich glaubte, sie irgendwann früher einmal auch schon gesehen zu haben. Lacrymaria passte einfach nicht. Da huschen ja immer wieder neue Viecher durchs Bild, bei denen man nachher ahnungslos blättert, was das gewesen sein könnte.
Ja, Foissner ist im Ciliatenatlas an vielen Stellen schnell bei der Hand Arten und frühere Beschreibungen zu synonymisieren oder gar umzubenennen. Da muss man wieder zurückgehen in die Ursprungsarbeiten und sich die Details ansehen. Er selber scheint mir da in dieser Epoche manchmal grobmotorisch einige Arten über einen Kamm zu schreren. Gewissheit erhält man nur mit Unterstützung der Genanalyse. Doch hier kamen von ihm auch in den neueren Arbeiten nur wenige Beiträge. Seine Beiträge werden Generationen von Forschern Arbeit auf Jahrzehnte geben, die exotischen Viecherl erneut aufzuspüren, zu sequenzieren, um die Arten zu bestätigen oder wieder auseinander zu klabüstern.
Ich schau mal, was ich zu Chaenea spp. finde.
Viele Grüße
Thilo