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Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 18. Dezember 2018, 13:06
von Michael
Hallo in die Runde,

Dasydytes ornatus ist einer der eigenartigsten Süßwasser-Gastrotrichen, die ich häufig im Sapropel (Faulschlammzone) meines Tümpels finde.
Das Tier gehört zu der Gastrotrichen-Gruppe, die nicht mehr ausschließlich an eine Oberfläche gebunden ist. Kennzeichnend für diese "semi-planktischen" Tiere ist, dass der Mund nicht mehr zum Abweiden einer Oberfläche auf der Ventralseite sitzt und die für die Bauchhärlinge typischen Cilienbänder zu einigen Wimpernbüschel zurück gebildet wurden, die vornehmlich dem Schwimmen dienen. Zusätzlich ist ein Cilien-Kranz am Kopf ausgebildet, der ebenfalls als Antrieb verwendet wird. Durch die Loslösung vom Substrat wurden auch die Klebedrüsen (inklusive der dazugehörigen Kleberöhrchen) überflüssig.
Obwohl D. ornatus auf eine schwimmende Fortbewegung hin optimiert ist, findet man das Tier praktisch nie im freien Wasser. Der Hauptlebensraum scheint der Lückenraum zwischen den Flocken des Faulschlamms - des Sapropels - zu sein. Pipettiert man eine Probe aus mehreren cm Tiefe des Schlamms, ist die Chance groß, eines dieser recht häufige Tiere zu erwischen.

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Bild 1: D. ornatus; Ventral

Das Hauptmerkmal sind aber die eigenartig geformten und extrem langen Stacheln mit Nebenast und Doppelspitze, die das Tier unverkennbar machen.

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Bild 2: D. ornatus; Lateral

Diese Stacheln sind meiner Beobachtung nach nicht aktiv beweglich sondern sitzen ohne Muskelverbindung direkt auf der Haut. Bei einer Verkrümmung des Tieres - z. B. zur Abwehr von Fressfeinden - bleibt der Ansatzwinkel zur Haut konstant und die Stacheln stellen sich (wegen der Hautkrümmung) auf. Das Tier "igelt" sich regelrecht ein.

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Bild 3: D. ornatus; Abwehrhaltung

Die Stacheln sind ohne Basisschuppen direkt in der Haut verankert und laufen am distalen Ende spitz zu. Solche "schuppenlose" Stacheln finden sich auch (wenn auch meist sehr viel kürzer) vereinzelt an beschuppten Tieren (meist zwischen den Zehen).

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Bild 4: D. ornatus; Stachelansatz

Die Tiere überleben in meinen Mikroaquarien problemlos mehrere Tage. Dabei bildet sich meist ein großes Ei, das D. ornatus offensichtlich nicht in einem Mikroaquarium ablegen kann. Das Tier verendet dann leider. Möglicherweise werden die Eier nur in sauerstoffreicherem Milieu abgelegt.

Viele Grüße

Michael

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 18. Dezember 2018, 22:02
von paramecium
Hallo Michael,

tolle Momentaufnahmen. Neben meinem Spezialgebiet, den Ciliaten, sind die wenigen Arten der Bauchhärlinge, die ich in meinen Maaren finde, sicherlich klare Favoriten. Diese Art habe ich noch nicht gesehen. Gibt es Hinweise in welchen Biotopen man diese sonst finden wird? Ist es immer der Faulschlamm? Dann sollte er in Deinen Mikroaquarien doch keine Probleme mit einem Mangel an Sauerstoff haben, oder?

Wir hatten die Frage des Sauerstoffs Deiner Präparationsmethode schon auf dem Dörnberg erörtert. Ich denke allmählich, das ist keine Frage der Verwendung von Vaseline zur Abdichtung der Kulturen. Vielmehr denke ich inzwischen, dass das ein gutes Dichtmittel ist um einen Gasaustausch zu ermöglichen, wobei das Wasser zurückgehalten wird. Anders ist die wochenlange Aufbewahrung in Deinen Mikroaquarien kaum zu erklären. Vielleicht mag diese Art das aber auch nicht - den Sauerstoff.

Vor allem bin ich immer wieder beeindruckt von Deiner einfachen, schiefen Beleuchtung.

Gruß

Thilo

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 19. Dezember 2018, 17:21
von Michael
Hallo Thilo,

freut mich, dass Dir die Fotos gefallen haben!
Ich finde D. ornatus und seine Kollegen aus der "semi-planktischen Gruppe" eigentlich nur im Sapropel ("Faulschlamm"), obwohl die Literatur sie ins Wasser über dem Schlamm verortet. Das Sapropel bietet jedenfalls eine sehenswerte Artenvielfalt - bei Ciliaten ebenso wie bei Gastrotrichen - mit Arten, die tolerant gegen die hohe H2S-Konzentration sind und anderswo praktisch nicht zu finden sind.

Das Absterben der Tiere nach einigen Tagen im Mikroaquarium ist bei dieser Art auffällig, während sehr viele andere Gastrotrichenarten problemlos über Wochen gehalten werden können und sich im Präparat vermehren. D. ornatus ist auch ganz munter, bis es Zeit zur Eiablage wird. Diese erfolgt nicht und das Tier überlebt das nicht. Ich nehme deshalb an, dass diese Art spezielle Bedingungen zur Eiablage benötigt, also z.B. dazu sauerstoffreichere Schichten aufsuchen müsste.

Viele Grüße

Michael

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 19. Dezember 2018, 20:35
von Monsti
Hallo Michael,

richtig super Beitrag! :wicked_001:

Dieses Tierchen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen, was wohl daran liegt, dass ich überwiegend in oligotrophen Mooren fische. Es gibt aber einen Tümpel am Rand des Pillerseemoors, in dem ich mal wieder mein Planktonnetz zum Einsatz bringen könnte.

Herzliche Grüße
Angie

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 21. Dezember 2018, 11:33
von Michael
Hallo Angie,

vielen Dank für Deine netten Worte - ich habe mich sehr darüber gefreut.

Ich fürchte, wenn Du diese Tiere fangen willst, wirst Du mit einem Planktonnetz keinen Erfolg haben. Die leben im Schlamm am Grund des Tümpels. Eine "Faulschlamm-Zone" gibt es in nahezu jedem Teich - die Schwierigkeit ist nur, diese in einer zugänglichen Tiefe zu finden. Sie entsteht an den Stellen, an denen sich das eingebrachte organische Material (z.B. Falllaub) sammelt und in Zersetzung übergeht, Oft rutscht das Laub bis an die tiefste Stelle des Tümpels und man kommt an den Sapropel nicht mehr heran. Man muss in Ufernähe nach lokalen Senken am Grund Ausschau halten, in denen sich das Material sammelt und zersetzt wird. Diese Einträge von Außen sind die Hauptquelle für den Nährstoffeintrag ins Biotop. Beim "Verfaulen" wird Sauerstoff verbraucht und Schwefelwasserstoff gebildet, der dann die chemische Aufgabe vom Sauerstoff übernimmt, Kennzeichnend für den Faulschlamm ist also der Geruch nach faulen Eiern. Mikroskopisch ist er leicht an den - oft farbenfrohen - Schwefelbakterien zu erkennen, die die Basis der Nahrungspyramide bilden. Zu Zeit fallen die Stellen auch durch Gasblasen unter der Eisschicht auf.

Zur Probennahme habe ich ein Glas mit Klebeband schräg an einem Stiel befestigt, so dass ich das Glas mit der Öffnung nach unter bis über den Grund des Tümpels führen kann. Hier drehe ich das Glas langsam um und das einströmende Wasser reißt die oberen cm des Schlammes mit. Die gesammelte Probe gieße ich dann in ein Einweg-Sektglas aus Kunststoff (dieser Tipp stammt von Martin Kreutz). Hier sedimentiert der Schlamm und nach einiger Zeit sammeln sich die Tiere wieder in den angestammten Schichttiefen. Da das Glas spitz zuläuft, ist in der entsprechenden Tiefe weniger Platz als im Teich und die Organismen werden bequem aufkonzentriert, Aus dem Sektglas pipettiere ich dann direkt vom Grund auf den Objektträger. Wenn man eine gute Probe erwischt hat, wird man durch ein reiches und interessantes Präparat belohnt. Etwa jedes zweite mal sind bei mir auch D. ornatus im Präparat vertreten.

Viel Glück

Michael

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 21. Dezember 2018, 15:43
von Monsti
Hallo Michael,
Ich fürchte, wenn Du diese Tiere fangen willst, wirst Du mit einem Planktonnetz keinen Erfolg haben.
Doch, doch, das geht auch mit einem Planktonnetz! Man füllt den Auffangbecher vorab mit Wasser, so dass sich das Netz leicht in die Tiefe bringen lässt. Dann muss es nur sehr langsam durch den Bodenschlamm gezogen werden.

Herzliche Grüße
Angie

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 21. Dezember 2018, 21:40
von paramecium
Hallo Michael,

diese Problematik, Individuen (z.B. auch Ciliaten) zu erhalten, die den Sauerstoff weniger lieben, ist auch in einigen Arbeiten dokumentiert, die beispielsweise bodenbewohnende Ciliaten der Reisfelder untersuchten. Teilweise wird versucht, die Proben aus Bohrkernen unter Stickstoff zu halten, um solche Arten länger untersuchen zu können, die Sauerstoff nicht ab können. Sicherlich muss man diese Viecher im Teich auch auf ähnliche Weise fangen (z.B. mit einem Rohr, das man auf den Bodengrund des Teichs absenkt und dann erst voll laufen lässt).

Das ist sicherlich etwas, was noch auf meiner Wunschliste besonderer Methoden steht. Eine Stickstoffflasche und eine "begaste", feuchte Kammer sind hier sicherlich ein Anfang.

Gruß

Thilo

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 22. Dezember 2018, 11:02
von Rainer
Hallo Michael,

vielen Dank für deinen Beitrag zum Gastrotrichen D. ornatus und deine Hinweise zum Fundort und zur Fangmethode!

Ole Riemann und ich haben uns in den letzten Wochen ebenfalls mit diesem Lebensraum befasst, wobei vor allem die hier anzutreffenden Ciliaten im Mittelpunkt standen; wir fanden Discomorphella pectinata, Saprodinium dentatum, Caenomorpha medusula, Vasicola ciliata, Metopus-Arten, Urocentrum turbo und andere, daneben aber auch Gastrotrichen wie den von dir beschriebenen Dasydytes ornatus. Hier als Ergänzung die Links zu zwei Beiträgen dazu im Mikroforum:

https://www.mikroskopie-forum.de/index. ... ic=32799.0
https://www.mikroskopie-forum.de/index. ... ic=33018.0

Wir nutzen diesselbe Fangmethode, die du beschreibst, nur die Idee mit dem Einmal-Sektglas ist mir neu, das werde ich ausprobieren. Vielen Dank dafür!
So schlimm die diesjährige Trockenheit für unsere Feuchtbiotope war und ist: Man kommt im Augenblick besser an diese "Metabolisierungszone" des Saprobels, wie sie Martin Kreutz genannt hat, heran, da es sich bei den Restpfützen ja meist um die tiefsten Stellen der Tümpel handelt.

Herzliche Grüße
Rainer

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 23. Dezember 2018, 18:53
von Monsti
Hallo Rainer,

es muss nicht ein Einweg-Sektglas sein, eine durchgeschnittene Pet-Flasche tut es auch. Ich glaube, so etwas hat man eher im Haus. Deckel fest zuschrauben, umdrehen und befüllen.

Herzliche Grüße
Angie

Re: Bauchhärling Dasydytes ornatus

Verfasst: 24. Dezember 2018, 10:44
von Michael
Hallo Rainer,

klar kenne ich Deine und Oles schönen Beiträge, die ich sehr interessiert verfolgt habe. Ich hätte auch daran denken können, hier einen Querverweis einzufügen - sorry!

Der Trick mit dem Sektglas ist wirklich sehr zu empfehlen. Selbstverständlich kann man jedes sich verengende Gefäß verwenden. Einweg-Sektgläser stehen halt von alleine und sind billiger als das Einweg-Flaschenpfand :wicked_002:

Ich wünsche allen schöne Feiertage

Michael