Entwicklungsbiologie von Diplogaster cf. rivalis (Nematoda)
Verfasst: 11. Mai 2016, 17:40
EDIT 13.5.2016 - Abbildungen in der Farbbalance modifiziert
Liebes Forum,
Ich möchte hier einige Beobachtungen zur Embryonalentwicklung eines Nematoden vorstellen, den ich in meinen letzten Proben aus einem Flachmoorgewässer bei Würzburg gefunden habe. Nach etwas Recherche halte ich die Art für Diplogaster rivalis.
Nematoden sind für die Entwicklungsbiologie wichtige Modellorganismen geworden, da sie sich leicht züchten und experimentell manipulieren lassen (u.a. Laser-Ablationen einzelner Embryonalzellen, genetische Modifikationen). Beim klassischen Modellnematoden Caenorhabditis elegans kennt man alle Entwicklungsschritte von der Eizelle bis zum fertigen Jungtier. Ausgehend von der befruchteten Eizelle ist das Entwicklungsschicksal einer jeden Zelle bekannt und es lassen sich umfangreiche Zellgenealogien rekonstruieren, die zeigen, aus welchen Vorläuferzellen welche Organsysteme des fertig ausgebildeten Organismus hervorgehen. Dabei ist klar geworden, dass die Entwicklung bei C. elegans streng determinativ abläuft, d.h. das Entwicklungsschicksal aller Blastomeren, die aus den ersten Furchungsteilungen hervorgehen, ist exakt festgelegt.
Die von mir gefundenen Tiere leben in dichten Matten von teilweise verrottendem Algenmaterial (u.a. Spirogyra), das ich auf der Oberfläche treibend fand. Diplogaster rivalis hat einen für rhabditide Nematoden typischen Pharynx, der in klar unterscheidbare Abschnitte unterteilt ist (Proc=Procorpus, Metac=Metacorpus, Isth=Isthmus, Bul=Bulbus). Caudalwärts schließt sich das Intestinum (Int) an, kopfwärts die Mundhöhle (Mdh), die einen auffallenden dorsalen Zahn (dZ) sowie kleinere subventrale Zähnchen aufweist (svZ). Die Kutikula des Nematoden ist schwach geringelt, das Amphid (Amph) zumindest bei Weibchen ein nur wenig auffallendes Oval. Hinter dem Anus (An) schließt sich ein langer, fein zulaufender Schwanzabschnitt an.
In meinen Proben habe ich ausschließlich fertile Weibchen (und Juvenile) gefunden. Schon bei schwacher Vergrößerung fällt auf, dass der Wurm dicht mit Entwicklungsstadien erfüllt ist, die in beiden Uterusschenkeln hintereinander liegen und von einer Proliferationszone (Pz) in Richtung Vulva (Vu) sequentiell reifen. Die Proliferationszone ist gekennzeichnet durch zahlreiche kleine Kerne der prospektiven Eizellen, die in einer syncytialen Plasmamasse liegen und noch nicht voneinander durch Zellgrenzen abgesetzt sind. Die reifen Eizellen (EZ) sind dicht mit Vesikeln erfüllt. Die Stadien der Embryonalentwicklung, bei der man eine Proliferations- und eine Morphogenese-Phase unterscheiden kann, lassen sich in der Richtung der fortschreitenden Differenzierung unmittelbar ablesen. In der Phase der Proliferation kommt es zur raschen Zellvermehrung; in der anschließenden Morphogenese zur Ausbildung der fertigen Organsysteme und zur Bildung der wurmförmigen Körpergestalt.
Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich über ein 4-Zellstadium eine Blastula, deren einzelne Blastomeren (Blm) in einem frühen Stadium noch deutlich unterscheidbar sind. Über rasche Furchungsteilungen entstehen die Blastula und Gastrula (Blast/Gast), die ich aber nicht im Einzelnen unterscheiden konnte. Interessanterweise führen die Zellteilungen der Proliferationsphase nicht etwa zu einer Volumenzunahme des Embryos – die ungefurchte Eizelle ist kaum kleiner als ein weit fortgeschrittenes Entwicklungsstadium. In späten Stadien der Morphogenese erkennt man bei den jungen Nematoden schon die kutikularen Differenzierungen der Mundhöhle (Pfeile). An günstigen Stellen des Präparates sieht man auch die feine Embryonalhülle, die die Embryonen umgibt. Bemerkenswert finde ich, wie stark das Intestinum an den Rand der Leibeshöhle gedrängt wird. Möglicherweise sind die trächtigen Weibchen schon in einer Phase ihres Lebenszyklus, in der die Nahrungsaufnahme gegenüber der Reproduktion in den Hintergrund getreten ist.
Alle Aufnahmen sind am Zeiss Standard WL im DIK mit den Plan Achromaten 16/0,35 und 40/0,65, jeweils geblitzt, entstanden.
Viele Grüße
Ole
Liebes Forum,
Ich möchte hier einige Beobachtungen zur Embryonalentwicklung eines Nematoden vorstellen, den ich in meinen letzten Proben aus einem Flachmoorgewässer bei Würzburg gefunden habe. Nach etwas Recherche halte ich die Art für Diplogaster rivalis.
Nematoden sind für die Entwicklungsbiologie wichtige Modellorganismen geworden, da sie sich leicht züchten und experimentell manipulieren lassen (u.a. Laser-Ablationen einzelner Embryonalzellen, genetische Modifikationen). Beim klassischen Modellnematoden Caenorhabditis elegans kennt man alle Entwicklungsschritte von der Eizelle bis zum fertigen Jungtier. Ausgehend von der befruchteten Eizelle ist das Entwicklungsschicksal einer jeden Zelle bekannt und es lassen sich umfangreiche Zellgenealogien rekonstruieren, die zeigen, aus welchen Vorläuferzellen welche Organsysteme des fertig ausgebildeten Organismus hervorgehen. Dabei ist klar geworden, dass die Entwicklung bei C. elegans streng determinativ abläuft, d.h. das Entwicklungsschicksal aller Blastomeren, die aus den ersten Furchungsteilungen hervorgehen, ist exakt festgelegt.
Die von mir gefundenen Tiere leben in dichten Matten von teilweise verrottendem Algenmaterial (u.a. Spirogyra), das ich auf der Oberfläche treibend fand. Diplogaster rivalis hat einen für rhabditide Nematoden typischen Pharynx, der in klar unterscheidbare Abschnitte unterteilt ist (Proc=Procorpus, Metac=Metacorpus, Isth=Isthmus, Bul=Bulbus). Caudalwärts schließt sich das Intestinum (Int) an, kopfwärts die Mundhöhle (Mdh), die einen auffallenden dorsalen Zahn (dZ) sowie kleinere subventrale Zähnchen aufweist (svZ). Die Kutikula des Nematoden ist schwach geringelt, das Amphid (Amph) zumindest bei Weibchen ein nur wenig auffallendes Oval. Hinter dem Anus (An) schließt sich ein langer, fein zulaufender Schwanzabschnitt an.
In meinen Proben habe ich ausschließlich fertile Weibchen (und Juvenile) gefunden. Schon bei schwacher Vergrößerung fällt auf, dass der Wurm dicht mit Entwicklungsstadien erfüllt ist, die in beiden Uterusschenkeln hintereinander liegen und von einer Proliferationszone (Pz) in Richtung Vulva (Vu) sequentiell reifen. Die Proliferationszone ist gekennzeichnet durch zahlreiche kleine Kerne der prospektiven Eizellen, die in einer syncytialen Plasmamasse liegen und noch nicht voneinander durch Zellgrenzen abgesetzt sind. Die reifen Eizellen (EZ) sind dicht mit Vesikeln erfüllt. Die Stadien der Embryonalentwicklung, bei der man eine Proliferations- und eine Morphogenese-Phase unterscheiden kann, lassen sich in der Richtung der fortschreitenden Differenzierung unmittelbar ablesen. In der Phase der Proliferation kommt es zur raschen Zellvermehrung; in der anschließenden Morphogenese zur Ausbildung der fertigen Organsysteme und zur Bildung der wurmförmigen Körpergestalt.
Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich über ein 4-Zellstadium eine Blastula, deren einzelne Blastomeren (Blm) in einem frühen Stadium noch deutlich unterscheidbar sind. Über rasche Furchungsteilungen entstehen die Blastula und Gastrula (Blast/Gast), die ich aber nicht im Einzelnen unterscheiden konnte. Interessanterweise führen die Zellteilungen der Proliferationsphase nicht etwa zu einer Volumenzunahme des Embryos – die ungefurchte Eizelle ist kaum kleiner als ein weit fortgeschrittenes Entwicklungsstadium. In späten Stadien der Morphogenese erkennt man bei den jungen Nematoden schon die kutikularen Differenzierungen der Mundhöhle (Pfeile). An günstigen Stellen des Präparates sieht man auch die feine Embryonalhülle, die die Embryonen umgibt. Bemerkenswert finde ich, wie stark das Intestinum an den Rand der Leibeshöhle gedrängt wird. Möglicherweise sind die trächtigen Weibchen schon in einer Phase ihres Lebenszyklus, in der die Nahrungsaufnahme gegenüber der Reproduktion in den Hintergrund getreten ist.
Alle Aufnahmen sind am Zeiss Standard WL im DIK mit den Plan Achromaten 16/0,35 und 40/0,65, jeweils geblitzt, entstanden.
Viele Grüße
Ole