Anatomie der Gastrotrichen
Verfasst: 17. Mai 2024, 08:40
Gastrotrichen gehören zu den kleinsten bekannten mehrzelligen Tiere, besitzen aber bereits viele der bei höher organisierten Lebewesen bekannten Organe. Ein Teil meiner Faszination für diese interessanten Tiere liegt darin, dass Bauchhärlinge in ihrem einfachen Aufbau wohl eines der frühesten Beispiele für bilaterale Organismen darstellen. Die transparenten Tiere bieten deshalb einen einzigartigen Einblick in die grundlegenden Funktionen der Organsysteme für Nahrungsaufnahme und -verwertung, Fortpflanzung, Regulierung des Wasserhaushaltes und des Nervensystems bei einem zugleich sehr einfachen anatomischen Aufbau:
Abb. 1: Querschnitt eines typischen Gastrotrichen
ad: Klebedrüsen; me: reife Eizelle; in: Darm; ph: Pharynx; br: Gehirn
at: Haftröhrchen; tp: Terminalplatten; if: ventrales Zwischenfeld; sc: Schuppen; hy: Hypostomion; mo: Mund
Abb. 2: Seitenansicht eines typischen Gastrotrichen
af: After; me: reife Eizelle; in: Darm; ph: Pharynx; br: Gehirn
at: Haftröhrchen; to; Zehen; sc: Schuppen; ci: Cilien
Körperhülle
Die äußere Hülle der Gastrotrichen besteht aus einer dünnen und flexiblen Kutikula – einer Schicht aus anorganischem Material, die von den Hautzellen abgeschieden wird. Bei vielen Arten ist diese Kutikula von Schuppen (sc) bedeckt, deren Verteilung und Form sehr unterschiedlich und artspezifisch ist. Deshalb werden die Schuppen zur Artunterscheidung herangezogen.
Zusätzlich zu den Schuppen sind noch weiter kutikulare Bildungen für Gastrotrichen typisch. Bei den meisten Arten (in der Unterfamilie Chaetonotoidae) endet der Körper in zwei Kleberöhrchen (at) auf zwei Zehenfortsätzen (to) in die die Gänge zweier Drüsen (ag) münden, die ein starkes Klebesekret produzieren. Mir diesem Sekret können sich die Gastrotrichen zum Schutz blitzschnell am Substrat festheften.
Einige größere kutikulare Platten – z. B. das Hypostomion (hy) hinter dem Mund oder die Terminalplatten (tp) an der Bauchseite vor den Zehen – schützen empfindliche Bereiche der Tiere zusätzlich und sind von großer Bedeutung für die Artdiagnose.
An der Bauchseite besitzen die Gastrotrichen zwei namensgebende Bänder von Härchen (ci) (Gastrotrich=Bauchhärling), mit deren Hilfe sie über das Substrat gleiten oder im freien Wasser schwimmen. Zwischen den beiden Cilienbändern befindet sich das ventrale Zwischenfeld (if), das meist andere Schuppen als die Rückenseite trägt und das zur Artdiagnose von besonderem Wert ist.
Verdauungstrakt
Der Verdauungstrakt der Gastrotrichen ist relativ einfach aufgebaut. Der Mund der Tiere liegt am Vorderende der Bauchseite und besteht (meist) aus einer kurzen, runden, festen, kutukularisierten Röhre. Ihr Durchmesser ist meist sehr klein und kann nicht vergrößert werden (bei einigen Arten, z. B. den Arten der Untergattung Chaetonotus (Captochaetus) ist der Mund dehnbar und teilweise durch Lamellen verschließbar). Kurze, dünne Stacheln ragen aus der Mundöffnung und verschließen den Mund in Ruhestellung.
Hinter dem Mund sitzt der kompliziert aufgebaute Pharynx (ph, „Schlund“). Er besteht aus einer von Muskelfasern durchzogenen Röhre, deren Aufgabe es ist, den vom Substrat abgelösten Nahrungsbrei einzusaugen und die Nahrungspartikel aus der nahrhaften Suppe auszufiltern. Das überschüssige Wasser wird wieder durch den Mund ausgeschieden und das so gewonnene Nahrungspellet weiter in den anschließenden Darm (in)befördert, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet.
Der Darm besteht aus vier Säulen von Epithelzellen, die das Darmlumen umschließen. In diesem Hohlraum findet die Verdauung außerhalb der Zellen statt. Die Nährstoffe werden dann von den Wandzellen aufgenommen. Am Ende des Darms sitzt ein ringförmiger Schließmuskel (Sphincter), durch den die Verdauungsreste zurückgehalten werden, bis sie schließlich durch den meist auf der Rückseite sitzenden After (af) ausgeschieden werden.
Um den Pharynx auf der Rückenseite liegt das Gehirn (br) der Gastrotrichen. Die Bauchhärlinge besitzen also ein zentrales Nervensystem, von dem aus die entfernteren Organe mit feinen (lichtmikroskopisch praktisch nicht sichtbaren) Nervenfasern gesteuert werden. Die vorderen Tasthaare der Tiere entspringen direkt aus Nervenzellen im Gehirn während die Tasthaare (Setula) im „Nacken“ und am Hinterende der Gastrotrichen eigene Nervenzellen besitzen, die über Nervenfasern mit dem Gehirn verbunden sind.
Fortpflanzung
Vom Fortpflanzungssystem sind meist nur die ungewöhnlich großen reifen Eizellen (me) zu bemerken. Gastrotrichen besitzen – relativ zu ihrer Größe – die größten Eier im Tierreich.
Prothonephridien
Abb. 3: Protonephridien eines typischen Gastrotrichen; Pfeile verweisen auf die beiden Wimpernkolben
Der Wasserhaushalt und Innendruck der Gastrotrichen wird durch zwei Vorläufer unserer Nieren, den Protonephriden reguliert. Diese Strukturen sich lichtmikroskopisch schwer zu erfassen und fallen oft nur durch einen filmmernden Bereich beidseitig des Darms der Tiere auf. Eine Protonephridie besteht aus einer einzelnen Zelle, aus der zwei lange, ständig schlagende Wimpern entspringen. Diese Wimpern befinden sich innerhalb eines kutikularisiertem dünnen Rohr, das zusammen mit den antreibenden Wimpern als „Wasserpumpe“ arbeitet und „Wimpernkolben“ genannt wird. Diese Röhre ist in Abb. 3, oberer Pfeil, gut zu erkennen. Beim unteren Pfeil erkennt man die beiden ineinander verschlungenen Wimpern, die den Wasserstrom aufrechterhalten. Aus elektronenmikroskopischen Untersuchungen ist bekannt, dass das in den Wimpernkolben strömende Wasser eine Siebplatte passieren muss, die Partikel zurückhält. Am andern Ende des Wimpernkolbens schließt sich ein langer, vielfach verschlungener Ausführungsgang an, der letztendlich im ventralen Zwischenfeld in das Umgebungswasser mündet.
Viele Grüße
Michael
Abb. 1: Querschnitt eines typischen Gastrotrichen
ad: Klebedrüsen; me: reife Eizelle; in: Darm; ph: Pharynx; br: Gehirn
at: Haftröhrchen; tp: Terminalplatten; if: ventrales Zwischenfeld; sc: Schuppen; hy: Hypostomion; mo: Mund
Abb. 2: Seitenansicht eines typischen Gastrotrichen
af: After; me: reife Eizelle; in: Darm; ph: Pharynx; br: Gehirn
at: Haftröhrchen; to; Zehen; sc: Schuppen; ci: Cilien
Körperhülle
Die äußere Hülle der Gastrotrichen besteht aus einer dünnen und flexiblen Kutikula – einer Schicht aus anorganischem Material, die von den Hautzellen abgeschieden wird. Bei vielen Arten ist diese Kutikula von Schuppen (sc) bedeckt, deren Verteilung und Form sehr unterschiedlich und artspezifisch ist. Deshalb werden die Schuppen zur Artunterscheidung herangezogen.
Zusätzlich zu den Schuppen sind noch weiter kutikulare Bildungen für Gastrotrichen typisch. Bei den meisten Arten (in der Unterfamilie Chaetonotoidae) endet der Körper in zwei Kleberöhrchen (at) auf zwei Zehenfortsätzen (to) in die die Gänge zweier Drüsen (ag) münden, die ein starkes Klebesekret produzieren. Mir diesem Sekret können sich die Gastrotrichen zum Schutz blitzschnell am Substrat festheften.
Einige größere kutikulare Platten – z. B. das Hypostomion (hy) hinter dem Mund oder die Terminalplatten (tp) an der Bauchseite vor den Zehen – schützen empfindliche Bereiche der Tiere zusätzlich und sind von großer Bedeutung für die Artdiagnose.
An der Bauchseite besitzen die Gastrotrichen zwei namensgebende Bänder von Härchen (ci) (Gastrotrich=Bauchhärling), mit deren Hilfe sie über das Substrat gleiten oder im freien Wasser schwimmen. Zwischen den beiden Cilienbändern befindet sich das ventrale Zwischenfeld (if), das meist andere Schuppen als die Rückenseite trägt und das zur Artdiagnose von besonderem Wert ist.
Verdauungstrakt
Der Verdauungstrakt der Gastrotrichen ist relativ einfach aufgebaut. Der Mund der Tiere liegt am Vorderende der Bauchseite und besteht (meist) aus einer kurzen, runden, festen, kutukularisierten Röhre. Ihr Durchmesser ist meist sehr klein und kann nicht vergrößert werden (bei einigen Arten, z. B. den Arten der Untergattung Chaetonotus (Captochaetus) ist der Mund dehnbar und teilweise durch Lamellen verschließbar). Kurze, dünne Stacheln ragen aus der Mundöffnung und verschließen den Mund in Ruhestellung.
Hinter dem Mund sitzt der kompliziert aufgebaute Pharynx (ph, „Schlund“). Er besteht aus einer von Muskelfasern durchzogenen Röhre, deren Aufgabe es ist, den vom Substrat abgelösten Nahrungsbrei einzusaugen und die Nahrungspartikel aus der nahrhaften Suppe auszufiltern. Das überschüssige Wasser wird wieder durch den Mund ausgeschieden und das so gewonnene Nahrungspellet weiter in den anschließenden Darm (in)befördert, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet.
Der Darm besteht aus vier Säulen von Epithelzellen, die das Darmlumen umschließen. In diesem Hohlraum findet die Verdauung außerhalb der Zellen statt. Die Nährstoffe werden dann von den Wandzellen aufgenommen. Am Ende des Darms sitzt ein ringförmiger Schließmuskel (Sphincter), durch den die Verdauungsreste zurückgehalten werden, bis sie schließlich durch den meist auf der Rückseite sitzenden After (af) ausgeschieden werden.
Um den Pharynx auf der Rückenseite liegt das Gehirn (br) der Gastrotrichen. Die Bauchhärlinge besitzen also ein zentrales Nervensystem, von dem aus die entfernteren Organe mit feinen (lichtmikroskopisch praktisch nicht sichtbaren) Nervenfasern gesteuert werden. Die vorderen Tasthaare der Tiere entspringen direkt aus Nervenzellen im Gehirn während die Tasthaare (Setula) im „Nacken“ und am Hinterende der Gastrotrichen eigene Nervenzellen besitzen, die über Nervenfasern mit dem Gehirn verbunden sind.
Fortpflanzung
Vom Fortpflanzungssystem sind meist nur die ungewöhnlich großen reifen Eizellen (me) zu bemerken. Gastrotrichen besitzen – relativ zu ihrer Größe – die größten Eier im Tierreich.
Prothonephridien
Abb. 3: Protonephridien eines typischen Gastrotrichen; Pfeile verweisen auf die beiden Wimpernkolben
Der Wasserhaushalt und Innendruck der Gastrotrichen wird durch zwei Vorläufer unserer Nieren, den Protonephriden reguliert. Diese Strukturen sich lichtmikroskopisch schwer zu erfassen und fallen oft nur durch einen filmmernden Bereich beidseitig des Darms der Tiere auf. Eine Protonephridie besteht aus einer einzelnen Zelle, aus der zwei lange, ständig schlagende Wimpern entspringen. Diese Wimpern befinden sich innerhalb eines kutikularisiertem dünnen Rohr, das zusammen mit den antreibenden Wimpern als „Wasserpumpe“ arbeitet und „Wimpernkolben“ genannt wird. Diese Röhre ist in Abb. 3, oberer Pfeil, gut zu erkennen. Beim unteren Pfeil erkennt man die beiden ineinander verschlungenen Wimpern, die den Wasserstrom aufrechterhalten. Aus elektronenmikroskopischen Untersuchungen ist bekannt, dass das in den Wimpernkolben strömende Wasser eine Siebplatte passieren muss, die Partikel zurückhält. Am andern Ende des Wimpernkolbens schließt sich ein langer, vielfach verschlungener Ausführungsgang an, der letztendlich im ventralen Zwischenfeld in das Umgebungswasser mündet.
Viele Grüße
Michael