Pillersee-Treffen 2022
Verfasst: 24. Juli 2022, 12:24
Liebe Tümplerinnen und Tümpler,
Nach zwei Jahren Abstinenz, bedingt durch die Corona-Pandemie, konnte Angie Opitz wieder ein Pillersee-Treffen organisieren, das neunte seit 2011. Sechs Männer und Angie tummelten sich in der Ferienwohnung in ihrem Haus in St. Ulrich. Jeder hatte seinen Arbeitsplatz und konzentrierte sich auf das, was Spaß machte, vor allem Zieralgen, Gastrotrichen und Ciliaten. Aber auch das eine oder andere Rädertier wurde intensiv untersucht und dokumentiert. Eine Woche lang in den Mooren der Umgebung Proben zu sammeln, und dann ohne irgendeinen Zeitdruck zu mikroskopieren, hat viel Spaß gemacht, und Angie gebührt großer Dank für die Organisation! Es gibt wohl kaum schönere Gelegenheiten, sich mit Muße an den Details der mikroskopischen Lebewelt zu erfreuen und dazwischen immer wieder den Blick in die Weite zu den Berggipfeln schweifen zu lassen. Wir freuen uns auf das nächste Jahr.
In den Foren gibt es schon sehr viele und sehr schöne Bilder von Zieralgen, nicht zuletzt von Angie. Wir haben deshalb überlegt, dass es wohl nicht sehr sinnvoll ist, alle unsere Bilder noch mal einzustellen. Aber ein paar gute Aufnahmen ausgewählter und noch nicht so oft präsentierter Organismen sind es wohl doch wert, und die zeigen wir hier. Und natürlich ein paar Bilder vom Treffen und den Exkursionen in die Moore.
Einige von uns haben auch eine Zusammenstellung der Funde als PDF gemacht. Erstmal hängen wir eine von Stephan an, andere folgen.
Viele Grüße
Die Piller-Seher Ole und Stephan
Oles Beitrag:
Abb. 1 –Tetmemorus brebissonii
Die azidophile T. brebissonii trat im Rahmen des Treffens insbesondere in den Hochmoor- und Übergangsmoorbereichen des Lauchseemoors auf. Vertreter der Gattung Tetmemorus sind – bei richtiger Orientierung der Zellen – an den charakteristischen Einschnürungen ihrer Apizes eindeutig zu erkennen (dicke Pfeile). Das dargestellte Exemplar von T. brebissonii zeigt vier axiale Pyrenoide (Py) – je zwei pro Halbzelle (Hz) – und zwischen ihnen Ansammlungen feiner Kristallkörnchen (Kr). Auf der Höhe des seichten und weit geöffneten Mitteleinschnitts liegt der Zellkern (Nu). Die Halbzellen sind gegen die Apizes zu leicht verschmälert.
Die Zellwände von T. brebissonii (rechts, nur eine Halbzelle vorhanden) zeigen eine ausgeprägte Struktur bestehend aus 10-15 Längsreihen regelmäßig angeordneter Elemente. Dieses Muster fällt insbesondere bei abgestorbenen Zellen auf, bei denen der Protoplast zersetzt und nur noch die Zellwand erhalten ist. Obwohl die Abbildung ein System von Poren vermuten lässt, ist die Interpretation der wahren räumlichen Verhältnisse anhand einer Aufnahme im Differentialinterferenzkontrast wie hier schwierig.
Abb. 2 – Ein bdelloides Rädertier, vermutlich Habrotrocha angusticollis
H. angusticollis gehört zu den bdelloiden Rädertieren und lebt in einem selbst gebauten Gehäuse aus Sekret, das bei zunehmendem Alter eine bräunliche Färbung annimmt. Meist findet man das Tier komplett in das Gehäuse (Ge) zurückgezogen, oder es streckt nur den Hals und Kopf aus seinem Gehäuse, ohne das Räderorgan (Ro) zu entfalten (rechts). Eine besonders auffallende Struktur ist der Kaumagen (Mastax, Ma), ein charakteristisches Merkmal sämtlicher Rädertiere. Am zeitweilig voll ausgetreckten Exemplar (links) sind neben einer der Wimpernscheiben des Räderorgans der dorsale Rüssel (Rü) und der Dorsaltaster (Dt) zu erkennen. Die fotografische Dokumentation rädernder bdelloider Rädertiere kann eine Geduldsprobe sein; zudem hat man wie bei den gezeigten Exemplaren oft mit viel Detritusmaterial in den Proben zu kämpfen. Verringert man die Schichtdicke aber zu stark, kontrahieren sich die Objekte.
Stephans Beitrag:
Abb. 3 und 4 Xanthidium armatum (130x75 µm)
Die Desmidiacee X. armatum hat durch ihre Stacheln (St) ein interessantes Aussehen. Beide Aufnahmen sind in der Frontalansicht. Diese zeigt die in etwa achteckige Form jeder Halbzelle. Die Stacheln haben bei den von mir beobachteten Individuen jeweils einen bis drei Zähne. Zentral gibt es in jeder Halbzelle auf jeder Seite noch eine blütenartige Corona (Co) mit einfach gezähnten Dornen, in der Summe also vier Coronen. Auf der Oberfläche der Zellen kann man Poren (Po) erkennen, aus denen Schleim für die Gallerte (Gh) abgesondert werden kann (Abb. 3). Zu beidem, Dornen und Gallerte, findet man verschiedene Angaben zur Funktion. Bei planktischer Lebensweise kann durch die Dornen und die Gallerte das Absinken verlangsamt werden, aber bei benthischer Lebensweise könnte beides meiner Ansicht nach auch Fressfeinden das Leben erschweren. In Schlenken von Mooren, die nicht ständig aufgewirbelt werden, ist eher von einer benthischen Lebensweise auszugehen. Auf den Halbzellen sind auch gut die Pyrenoide (Py) zu erkennen (Abb. 4). Was die sehr hübsche Corona angeht, ist in der Literatur wenig darüber zu finden. Lenzenweger spricht von ornamentalem Charakter. Mir ist aber aufgefallen, dass im Inneren der Corona, wenn man anders fokussiert, eine Art Spaltöffnung (Sp) sichtbar wird (Abb. 4). Ich frage mich, ob es da nicht noch eine andere Funktion gibt?
Abb. 5 und 6 Hyalotheca dissiliens (Doppelzellen Abb. 5: 30x20 µm, Abb. 6: 20x15 µm)
Die Fäden bildende H. dissiliens ist ebenfalls eine Desmidiacee, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht dafür halten würde. Aber bei genauem Hinsehen sieht man die Zellhälften (Zh) (Abb. 5). Jede Halbzelle hat einen axialen Chloroplasten mit einem Pyrenoiden (Py) (Abb. 6). H. dissiliens bildet um den Faden eine dicke Gallerthülle (Gh), die das Absinken des Plankters verhindern soll, aber vermutlich auch Fressfeinde abhält. Auf Abb. 5 sieht man die strahlenförmigen Ausscheidungen der Gallerthülle sehr deutlich, und wie diese Hülle das Fadenstück schlauchartig umgibt.
Übersicht über Stephans Funde als PDF im Anhang.
Nach zwei Jahren Abstinenz, bedingt durch die Corona-Pandemie, konnte Angie Opitz wieder ein Pillersee-Treffen organisieren, das neunte seit 2011. Sechs Männer und Angie tummelten sich in der Ferienwohnung in ihrem Haus in St. Ulrich. Jeder hatte seinen Arbeitsplatz und konzentrierte sich auf das, was Spaß machte, vor allem Zieralgen, Gastrotrichen und Ciliaten. Aber auch das eine oder andere Rädertier wurde intensiv untersucht und dokumentiert. Eine Woche lang in den Mooren der Umgebung Proben zu sammeln, und dann ohne irgendeinen Zeitdruck zu mikroskopieren, hat viel Spaß gemacht, und Angie gebührt großer Dank für die Organisation! Es gibt wohl kaum schönere Gelegenheiten, sich mit Muße an den Details der mikroskopischen Lebewelt zu erfreuen und dazwischen immer wieder den Blick in die Weite zu den Berggipfeln schweifen zu lassen. Wir freuen uns auf das nächste Jahr.
In den Foren gibt es schon sehr viele und sehr schöne Bilder von Zieralgen, nicht zuletzt von Angie. Wir haben deshalb überlegt, dass es wohl nicht sehr sinnvoll ist, alle unsere Bilder noch mal einzustellen. Aber ein paar gute Aufnahmen ausgewählter und noch nicht so oft präsentierter Organismen sind es wohl doch wert, und die zeigen wir hier. Und natürlich ein paar Bilder vom Treffen und den Exkursionen in die Moore.
Einige von uns haben auch eine Zusammenstellung der Funde als PDF gemacht. Erstmal hängen wir eine von Stephan an, andere folgen.
Viele Grüße
Die Piller-Seher Ole und Stephan
Oles Beitrag:
Abb. 1 –Tetmemorus brebissonii
Die azidophile T. brebissonii trat im Rahmen des Treffens insbesondere in den Hochmoor- und Übergangsmoorbereichen des Lauchseemoors auf. Vertreter der Gattung Tetmemorus sind – bei richtiger Orientierung der Zellen – an den charakteristischen Einschnürungen ihrer Apizes eindeutig zu erkennen (dicke Pfeile). Das dargestellte Exemplar von T. brebissonii zeigt vier axiale Pyrenoide (Py) – je zwei pro Halbzelle (Hz) – und zwischen ihnen Ansammlungen feiner Kristallkörnchen (Kr). Auf der Höhe des seichten und weit geöffneten Mitteleinschnitts liegt der Zellkern (Nu). Die Halbzellen sind gegen die Apizes zu leicht verschmälert.
Die Zellwände von T. brebissonii (rechts, nur eine Halbzelle vorhanden) zeigen eine ausgeprägte Struktur bestehend aus 10-15 Längsreihen regelmäßig angeordneter Elemente. Dieses Muster fällt insbesondere bei abgestorbenen Zellen auf, bei denen der Protoplast zersetzt und nur noch die Zellwand erhalten ist. Obwohl die Abbildung ein System von Poren vermuten lässt, ist die Interpretation der wahren räumlichen Verhältnisse anhand einer Aufnahme im Differentialinterferenzkontrast wie hier schwierig.
Abb. 2 – Ein bdelloides Rädertier, vermutlich Habrotrocha angusticollis
H. angusticollis gehört zu den bdelloiden Rädertieren und lebt in einem selbst gebauten Gehäuse aus Sekret, das bei zunehmendem Alter eine bräunliche Färbung annimmt. Meist findet man das Tier komplett in das Gehäuse (Ge) zurückgezogen, oder es streckt nur den Hals und Kopf aus seinem Gehäuse, ohne das Räderorgan (Ro) zu entfalten (rechts). Eine besonders auffallende Struktur ist der Kaumagen (Mastax, Ma), ein charakteristisches Merkmal sämtlicher Rädertiere. Am zeitweilig voll ausgetreckten Exemplar (links) sind neben einer der Wimpernscheiben des Räderorgans der dorsale Rüssel (Rü) und der Dorsaltaster (Dt) zu erkennen. Die fotografische Dokumentation rädernder bdelloider Rädertiere kann eine Geduldsprobe sein; zudem hat man wie bei den gezeigten Exemplaren oft mit viel Detritusmaterial in den Proben zu kämpfen. Verringert man die Schichtdicke aber zu stark, kontrahieren sich die Objekte.
Stephans Beitrag:
Abb. 3 und 4 Xanthidium armatum (130x75 µm)
Die Desmidiacee X. armatum hat durch ihre Stacheln (St) ein interessantes Aussehen. Beide Aufnahmen sind in der Frontalansicht. Diese zeigt die in etwa achteckige Form jeder Halbzelle. Die Stacheln haben bei den von mir beobachteten Individuen jeweils einen bis drei Zähne. Zentral gibt es in jeder Halbzelle auf jeder Seite noch eine blütenartige Corona (Co) mit einfach gezähnten Dornen, in der Summe also vier Coronen. Auf der Oberfläche der Zellen kann man Poren (Po) erkennen, aus denen Schleim für die Gallerte (Gh) abgesondert werden kann (Abb. 3). Zu beidem, Dornen und Gallerte, findet man verschiedene Angaben zur Funktion. Bei planktischer Lebensweise kann durch die Dornen und die Gallerte das Absinken verlangsamt werden, aber bei benthischer Lebensweise könnte beides meiner Ansicht nach auch Fressfeinden das Leben erschweren. In Schlenken von Mooren, die nicht ständig aufgewirbelt werden, ist eher von einer benthischen Lebensweise auszugehen. Auf den Halbzellen sind auch gut die Pyrenoide (Py) zu erkennen (Abb. 4). Was die sehr hübsche Corona angeht, ist in der Literatur wenig darüber zu finden. Lenzenweger spricht von ornamentalem Charakter. Mir ist aber aufgefallen, dass im Inneren der Corona, wenn man anders fokussiert, eine Art Spaltöffnung (Sp) sichtbar wird (Abb. 4). Ich frage mich, ob es da nicht noch eine andere Funktion gibt?
Abb. 5 und 6 Hyalotheca dissiliens (Doppelzellen Abb. 5: 30x20 µm, Abb. 6: 20x15 µm)
Die Fäden bildende H. dissiliens ist ebenfalls eine Desmidiacee, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht dafür halten würde. Aber bei genauem Hinsehen sieht man die Zellhälften (Zh) (Abb. 5). Jede Halbzelle hat einen axialen Chloroplasten mit einem Pyrenoiden (Py) (Abb. 6). H. dissiliens bildet um den Faden eine dicke Gallerthülle (Gh), die das Absinken des Plankters verhindern soll, aber vermutlich auch Fressfeinde abhält. Auf Abb. 5 sieht man die strahlenförmigen Ausscheidungen der Gallerthülle sehr deutlich, und wie diese Hülle das Fadenstück schlauchartig umgibt.
Übersicht über Stephans Funde als PDF im Anhang.