Seite 1 von 1

Micrasterias jenneri RALFS

Verfasst: 14. September 2016, 13:52
von Nostoc
Geehrte Desmidiaceen-Freunde,
Micrasterias jenneri ist nach den Angaben in der Literatur (Lenzenweger) eine in Deutschland hauptsächlich im bayerischen Alpenvorland verbreitete Zieralge, während im benachbarten Österreich sich das Vorkommen im Wesentlichen auf die Schwemm (Walchsee) beschränkt. Ich habe diese Micrasterias-Art (ca. 150µm x 110µm) bisher ausschließlich an Standorten mit geringem Leitwert und einem pH-Wert<=5.5 gefunden. Auf desmids.nl findet sich der Hinweis, dass M. jenneri ähnliche Standortbedingungen wie z.B. Xanthidium armatum und Micrasterias(Cosmarium) ralfsii bevorzugt, zwei Algen die auch in der Schwemm vorkommen. Micrasterias jenneri sieht nach meinem subjektiven Eindruck auch in frischen Proben oft etwas „lädiert“ oder „angewelkt“ aus und zeigt eine recht variable Grünfärbung und Granulierung des Chloroplasten.

Bild
(Micrasterias jenneri: Diese beiden recht unterschiedlichen Exemplare lagen unmittelbar nebeneinander auf dem OT)

Bild
(Micrasterias jenneri: „typisches“ Durchschnittsexemplar aus meinen Schwemmproben)

Die bandartige Struktur (rote Pfeile) scheint resistenter als der übrige Zellinhalt zu sein.

Bild
(Micrasterias jenneri, leere Zellhülle mit Resten der Bandstruktur).

In der Scheitelansicht erinnert M. jenneri wie andere Micrasterias-Arten an einen üppig dimensionierten wattierten Umschlag:

Bild
(Micrasterias jenneri, Scheitelansicht)

Die fürs „Albumfoto“ unerwünschte Schräglage ermöglicht zumindest die Darstellung der in den Chloroplasten eingelagerten Pyrenoide:

Bild
(Micrasterias jenneri, Pyrenoide)

Durch genetische Untersuchungen hat der in erster Linie an der Morphologie orientierte, traditionelle Stammbaum der Gattung Micrasterias bereits einige Änderungen erfahren.
Im Internet bin ich zu diesem interessanten Thema auf folgende Arbeit aufmerksam geworden:

Pavel Škaloud et alt. (3. 9.2011):
A multilocus phylogeny of the desmid genus Micrasterias (Streptophyta):
Evidence for the accelerated rate of morphological evolution in protists

Dort findet sich zu M. jenneris verwandschaftlicher Eingruppierung folgende Hinweise:
By contrast, M. jenneri was never classified into a joint group with M. thomasiana and M. denticulata, despite the morphological similarities that seems obvious (Prescott et al., 1977; Tyler, 1970).
The clade D could be well defined by comprising species having oval to oblong cells with closed incisions (M.thomasiana, Micrasterias denticulata and Micrasterias jenneri).
(Zitat 2 ergänzt 15.09.16)

Ohne Berücksichtung von Varitäten gehört M. jenneri somit in eine Gruppe mit diesen Algen:

Bild
(Micrasterias thomasiana, DIC Aufnahme. Der Farbeindruck weicht aus technischen Gründen von den üblichen Hellfeldbildern ab)

Bild
(Micrasterias denticulata, Hellfeld-Aufnahme)

Wie im Zitat oben erwähnt, passen hier morphologische und genetische Überlegungen gut zusammen.

Beste Grüße

Nostoc

Re: Micrasterias jenneri RALFS

Verfasst: 14. September 2016, 18:00
von Ole
Hallo Richard,

vielen Dank für den schönen Beitrag zu M. jenneri und den Literaturverweis.

Eines habe ich nicht ganz verstanden: Nach dem Zitat sind M. thomasiana, denticulata und jenneri gerade nicht miteinander näher verwandt. Oder bezieht sich dieses Zitat auf eine alte Sichtweise, die von der neuen molekularen Arbeit von Pavel Škaloud et al. revidiert wurde?

Danke und viele Grüße

Ole

Re: Micrasterias jenneri RALFS

Verfasst: 14. September 2016, 20:35
von Nostoc
Hallo Ole,
Danke für Dein "feedback" !
Meine sinngemäße Übersetzung:
"Im Gegensatz hierzu wurden die [drei Algen] trotz offensichtlicher morphologischer Ähnlichkeiten nie in eine gemeinsame Gruppe eingeordnet."
Aber "seems obvious" ist für mein Verständnis eine etwas seltsame sprachliche Konstruktion ("seems to be").

Ich habe den Beitrag oben durch ein zweites, aussagekräftigeres Zitat ergänzt.

Beste Grüße


Richard