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Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 8. April 2016, 00:32
von Nostoc
Liebe Tümpler und Pilzkundige,

wenn man Wasserproben in Moorgebieten sammelt, dann stößt man über kurz oder lang beim Mikroskopieren auf rätselhafte, schneckenähnliche Gebilde:

Bild

(Stapelaufnahme, Durchmesser der „Schnecke“: ca. 50µm., Einzelabschnitt: ca. 5x5µm)

Zum Glück konnte Angie das taxonomische Problem einmal mehr sofort lösen, und verwies mich auf einen nützlichen Anhang im „Wassertropfen“, in dem „sonstige kleine Objekte“ aus Wasserproben aufgeführt sind. Dort fand sich der passende Eintrag: „Helicosporium: „Moorschnecke“, aufgerolltes Konidium eines Pilzes“.
Die ersten Wasserproben des aktuellen Jahres habe ich in kleinen Mooren gesammelt, die sich in sog. Toteislöchern (bei Haag in OBB.) gebildet haben. In einer Probe fand ich in großen Mengen Cylindrocystis brebissonii (Danke an Rupert für seine taxonomische Hilfestellung!) und ein seltsames Gebilde, dass unter der Stereolupe entfernt an eine Hydra erinnerte:

Bild

(Übersichtsaufnahme Hellfeld. Die Länge der „Tentakel“ liegt bei 1-2mm)

Mit dem 40x Objektiv war klar zu erkennen, dass es sich bei dem Gebilde im Zentrum um ein Helicosporium-Konidium handelt:

Bild

Die „Fäden“ sind durch Trennwände (gelbe Pfeile) in „Zellen“ (28x3µm) unterteilt und enthalten jeweils ca. ein Dutzend tropfenförmiger Einschlüsse.

Bild

(DIC-Aufnahme, Objektiv 100x)

Wie Bild 3 zeigt, haben die Fäden ihren Ursprung im Konidium, die „Moorschnecke“ hat offenbar begonnen „auszukeimen“. Leider ist die für mich auffindbare Literatur zu diesem Thema wenig ergiebig und ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn mich das Forum bei der Interpretation dieser „Metamorphose“ unterstützen würde. Von besonderem Interesse wären hierbei Informationen zum Lebenszyklus von Helicosporium.

Beste Grüße

Richard

Re: "Moorschnecke"

Verfasst: 8. April 2016, 15:05
von Monsti
Lieber Richard,

das ist in der Tat interessant! Auskeimend habe ich die Dinger noch nie gesehen.

Nach MOLLENHAUER, D. u. R. (1970) handelt es sich bei der sog. "Moorschnecke" um das Konidium von Leptobasis goesingense PALIK. Diese Abbildungen mit einer Darstellung der Keimschläuche fand ich in der Vorschau des o.g. Aufsatzes:

Bild
Quelle: MOLLENHAUER, D. u. R. (1970): Die sogenannte "Moorschnecke" Leptobasis goesingense Palik - ein Pilzkonidium. - Schweiz. Z. Hydrol. 32 (2): 533.

Zum Entwicklungszyklus konnte ich nichts finden. Möglicherweise erfährt man im obigen Aufsatz etwas darüber, doch werden in der Vorschau leider nur 2 von insgesamt 6 Seiten gezeigt.

Viele Grüße
Angie

Re: Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 8. April 2016, 16:35
von Nostoc
Liebe Angie,

Danke für deine Recherche und das Einstellen der Graphik!

Den Preisvorstellungen des Verlages (34.95€) nach zu urteilen erhält man diesen Artikel
wahrscheinlich handgeschrieben auf Pergament.

=> http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF02502567

Auf "Leptobasis goesingense" bin ich zunächst ebenfalls "hereingefallen", da muss
vermutlich bei der Verschlagwortung im Springer-Verlag etwas schief gegangen sein.
Diese Blaualge wird im Artikel-Fragment als "Fehlzuordnung" erwähnt!
Ich will im Hinblick auf die fehlenden 4 Seiten keine Mutmaßungen anstellen, aber
die Zuordnung im Wassertropfen (Helicosporium, siehe oben) ist wohl zutreffend!

Viele Grüße


Richard

Re: Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 12. April 2016, 18:15
von Monsti
Lieber Richard,

bei Algaebase findet man unter Leptobasis goesingense den Hinweis:

Taxonomic notes
"Unclear species" (Komárek 2013: 400). Perhaps a fungus.

WoRMs
Leptobasis spirulina var. goesingense Palik, 1939
Status accepted

Darüber hinaus fand ich dies (kostenlos lesbar bei http://www.jstor.org/stable/3762306?seq ... b_contents):

TSUI, SIVICHAI & BERBEE (2006): Molecular systematics of Helicoma, Helicomyces and Helicosporium and their teleomorphs inferred from rDNA sequences. - Mycologie 98 (1): 94-104.

Abstract
Three genera of asexual, helical-spored fungi, Helicoma, Helicomyces and Helicosporium traditionally have been differentiated by the morphology of their conidia and conidiophores. In this paper we assessed their phylogenetic relationships from ribosomal sequences from ITS, 5.8S and partial LSU regions using maximum parsimony, maximum likelihood and Bayesian analysis. Forty-five isolates from the three genera were closely related and were within the teleomorphic genus Tubeufia sensu Barr (Tubeufiaceae, Ascomycota). Most of the species could be placed in one of the seven clades that each received 78% or greater bootstrap support. However none of the anamorphic genera were monophyletic and all but one of the clades contained species from more than one genus. The 15 isolates of Helicoma were scattered through the phylogeny and appeared in five of the clades. None of the four sections within the genus were monophyletic, although species from Helicoma sect. helicoma were concentrated in Clade A. The Helicosporium species also appeared in five clades. The four Helicomyces species were distributed among three clades. Most of the clades supported by sequence data lacked unifying morphological characters. Traditional characters such as the thickness of the conidial filament and whether conidiophores were conspicuous or reduced proved to be poor predictors of phylogenetic relationships. However some combinations of characters including conidium colour and the presence of lateral, tooth-like conidiogenous cells did appear to be predictive of genetic relationships.

Vielleicht hilft das weiter ...

Liebe Grüße
Angie

Re: Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 13. April 2016, 07:51
von Nostoc
Liebe Angie,
vielen Dank für deine Bemühungen und die zusätzlichen Informationen. :wicked_001:

Viele Grüße


Richard

Re: Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 13. April 2016, 18:42
von Monsti
Lieber Richard,

aber Du merkst schon, dass die Zuordnung bis heute nicht wirklich geklärt zu sein scheint, wenn Komárek noch vor drei Jahren anmerkte: Perhaps a fungus. Vermutlich deshalb wurde in der international gültigen Taxonomie die Bezeichnung Leptobasis spirulina var. goesingense noch belassen, was zwangsläufig zu Verwirrungen führt.

Verwirrte Grüße
Angie

Re: Metamorphose einer „Moorschnecke“

Verfasst: 13. September 2016, 06:44
von Ralf
Hallo Richard und Angie,

danke für eure Aufklärungsarbeit zur Moorschnecke. Mir ist sie auch schon häufiger begegnet und sie ist mir immer ein Rätsel gewesen.