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Was ist hier geschehen? --> Tod eines Coleps
Verfasst: 5. März 2019, 19:23
von wejo
Hallo,
heute holte ich mir aus unserem kleinen Gartenteich eine Wasserprobe und legte einen Tropfen unter das Mikroskop, abgedeckt mit einem Deckglas. Ein Tonnentierchen (?) sauste sich ständig drehend herum. Ich folgte ihm eine Weile, als es plötzlich stehen blieb und sich langsam zu einer Kugel formte und sich dann immer stärker auflöste.
Seltsam war, dass beim Tonnentierchen nur der hintere Teil gepanzert und vorne gläsern aussah, gefüllt mit Chloroplasten (?). Das ganze Gebilde löste sich dann auf, wobei die grünen Chloroplasten nach außen traten und kleine runde und schwarze längliche Bakterien (?) herumwuselten.
War das das Ende eines Tonnentierchens? Hat jemand so etwas schon beobachtet?
Fragende Grüße,
Werner
Re: Was ist hier geschehen?
Verfasst: 6. März 2019, 09:58
von Michael
Hallo Werner,
leider habe ich sowas schon öfter gesehen:
Das Tonnentierchen (Coleps sp.) hatte sich kürzlich geteilt und die zweite - neu zu bildende - Hälfte des "Panzers" war noch sehr zart. Mit steigendem Deckglasdruck wurde das Tier solange gequetscht, bis die zarte Panzerhälfte nachgab und das Tier platze und sich abrundete. Die austretenden Zellbestandteile (Zoochlorellen, Öltröpfchen und andere Organellen) verteilen sich dann.
Leider ist das das Standardende bei den einfachen - temporären -Tümplerpräparaten.
Viele Grüße
Michael
Re: Was ist hier geschehen?
Verfasst: 6. März 2019, 10:38
von wejo
Hallo Michael,
herzlichen Dank für die rasche Antwort, die mich aber nicht so sehr erfreut. Da war also ich der Grund für den Tod des Tonnentierchens. Aber durch Deine Antwort habe ich einiges über diese Tonnentierchen gelernt.
Viele Grüße
Werner
Re: Was ist hier geschehen?
Verfasst: 7. März 2019, 21:42
von paramecium
Hallo ihr beiden,
das Licht im Mikroskop alleine wird ähnliches bewirken. Durch den Kondensor wird ja das Licht im Strahlengang hoch konzentriert. Bei einer stärkeren Beleuchtung, wie Halogenlampen aber auch bei sehr hellen LEDs, kann alleine das Licht ausreichen, dass - vor allem mit Zoochlorellen besetzte - Protisten früher oder später im Licht verenden. Der Grund ist die gesteigerte Photoaktivität der gefressenen oder symbiontischen Algen die sehr viel Sauerstoff produziert (Zellgift). Ich habe vor einiger Zeit ein Video von einem Ciliaten mit gefressenen Algen aufgenommen, der während der Belichtung mit intensivem Licht zerplatzte, wobei zuvor sogar deutlich sichtbare Lichtblitze im Cytoplasma sichtbar waren an Stellen, die spontan zerfielen. Das Licht induzierte hier chemische Reaktionen in der Zelle, die zum Zelltod führten.
Selbst Protisten, die keine Algen enthalten können unter dem grellen Licht der mikroskopischen Beleuchtung verenden. Das ist vor allem bei kleineren Protisten der Fall. Hier genügt das Licht alleine, dass vom Licht induzierte chemische Reaktionen im Zellplasma zum raschen Zelltod führen.
Die Präparation selbst führt ebenfalls zu einer gesteigerten Lichtempfindlichkeit. Daher ist zu empfehlen, ein frisch eingedecktes Präparat zunächst eine Weile in der feuchten Kammer zu lagern, damit der Stress etwas abgebaut wird. Kleinere Ciliaten, sie Chilodonella sp. oder Halteria sp. sind typische Kandidaten, die man mit Licht "fixieren" also abtöten kann. Der weitere Zerfallsprozess nach Eintreten des Zelltods läuft immer ähnlich ab.
Nicht nur bei Coleps beobachtet man ja eine Fluchtreaktion auf das grelle Licht.
Gruß
Thilo
Re: Was ist hier geschehen?
Verfasst: 8. März 2019, 10:42
von wejo
Hallo Thilo,
das Lernen bei mir geht weiter! Sehr interessant! Ich danke Dir für diesen ausführlichen Artikel!!
Herzliche Grüße
Werner
Re: Was ist hier geschehen? --> Tod eines Coleps
Verfasst: 9. März 2019, 19:21
von Monsti
Hallo Werner,
mir tut's auch immer wieder weh, wenn Kandidaten unter dem Deckglas das Zeitliche segnen.
Es ist nicht nur der evtl. zu dünne Wasserfilm und die Helligkeit des Lichtstrahls, auch Wärme spielt eine Rolle, sofern man eine Halogenbeleuchtung hat.
Meine Erfahrung ist die, dass Organismen aus Moospolstern darauf viel weniger empfindlich reagieren, was eigentlich logisch ist, da sie in ihrem Lebensraum ja ebenfalls starken Temperaturwechseln und grellem Licht ausgesetzt sind. Empfindlicher als Organismen aus dem Wasser reagieren sie aber auf das zugeführte Wasser, da sie in der Natur vor allem dem Regenwasser ausgesetzt sind, das z.B. bei uns einen pH von 6 hat. Deshalb wässere ich Moosproben ausschließlich mit Regenwasser.
Herzliche Grüße
Angie
Re: Was ist hier geschehen? --> Tod eines Coleps
Verfasst: 11. März 2019, 11:35
von wejo
Hallo Angie,
die Wärme kann ich als Ursache wohl ausschließen, da ich eine LED-Beleuchtung verwende. Wenn ich Wasser zuführen muss, oder das „Miniaquarium“ (Einmachglas) wieder auffülle, verwende ich immer das Wasser aus unserem kleinen Gartenteich, somit das Originalgetränk
der Organismen. Vielleicht sollte ich mich doch mehr den Organismen aus den Moospolstern zuwenden, wenn sie weniger empfindlich sind.
Herzliche Grüße und vielen Dank
Werner
Re: Was ist hier geschehen? --> Tod eines Coleps
Verfasst: 11. März 2019, 11:56
von Michael
Hallo Werner,
mach Dir nichts daraus, dass Dein Beobachtungsobjekt verstorben ist und bleibe ruhig bei Deinem Gartenteich als Probenquelle!
Wenn Du mal ein paar Tropfen Wasser aus Deinem Gartenteich verspritzt, sterben mit Sicherheit mehr mikroskopische Tiere als in Deinen Präparaten - vom Rasenmähen ganz zu schweigen!
Jedes Präparat - auch wenn man versucht, das Wasser zurückzuspülen o. Ä. - endet tragisch für die meisten Bewohner.
Viele Grüße
Michael
Re: Was ist hier geschehen? --> Tod eines Coleps
Verfasst: 11. März 2019, 13:26
von wejo
Hallo Michael,
danke für Deine beruhigenden Worte!
Ich habe mir auch schon überlegt, dass wenn ich mit dem Planktonnetz herumfische und beim Abfüllen des verdichteten Materials in mein Glas das Restwasser verspritze und beim Säubern des Planktonnetzes viel Sammelsurium das Waschbecken hinunter gespült wird, wahrscheinlich viel mehr dem Tode ausgesetzt werden, als ich mit meiner Untersuchung ins Jenseits schicke. Aber betroffen macht es mich dann schon wieder, wenn man so miterlebt, wie der Organismus abstirbt. Damit muss man wohl leben!
Viele Grüße
Werner