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Carchesium polypinum

Verfasst: 3. Dezember 2017, 17:23
von Ole
Liebe Kollegen,

Am vergangenen Wochenende habe ich ein Niedermoor in der Nähe Würzburgs besucht und Detritus-Proben vom Ufer aus genommen. Der Boden des flachen Moortümpels war mit altem Laub und Resten der Vegetation bedeckt – ich hoffte, zu dieser Jahreszeit zumindest noch einige Ciliaten und Gastrotrichen zu finden. Die Ausbeute war erwartungsgemäß nur mäßig, aber immerhin konnte ich schöne Beobachtungen an dem kolonialen Ciliaten Carchesium polypinum, einem typischen Glockentier, machen. Carchesium polypinum bildet individuenreiche Verbände aus einzelnen Zooiden, die über kontraktile Stiele miteinander verbunden sind. Die Kolonie lebt an Unterlagen festgeheftet und strudelt Nahrung herbei.

Martin Kreutz hat diese Art vor einiger Zeit schon wunderbar präsentiert (http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=23&t=541). Dem ist wenig hinzuzufügen, aber so schöne Objekte wie Carchesium polypinum kann man ja immer wieder anschauen.

Zuerst zwei Aufnahmen einer Gruppe von Zellen ("Zooide") bei schwächerer Vergrößerung (Objektiv 20/0,50). Das zweite Bild zeigt zahlreiche Exkretballen, die die Zellen nach nur wenigen Minuten unter dem Deckglas abgegeben hatten und die in den Wasserstrom der strudelnden Ciliaten geraten waren:

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Hier ein Exemplar mit kontrahiertem Stil, der besonders deutlich das zentrale Myonem, den "Muskelstrang", der die Kontraktion bewirkt, zeigt:

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Die nächsthöhere Vergrößerung (Objektiv 40/0,75) zeigt eindrucksvoll eine Nahrungsvakuole kurz vor dem Abschnüren und der Wanderung durch das Cytoplasma der Zelle. Teile des bandförmigen Makronukleus sind ebenfalls sichtbar:

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Unterhalb der Pellikula finden sich dicht an dicht elliptische Mitochondrien (Objektiv 63/1,4 Öl):

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Bei etwas anderer Fokuseinstellung wird die feine Querstreifung der Pellikula sichtbar:

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Noch eine Detailstudie mit der Ölimmersion - unterhalb der Cilienkränze sind die Mitochondrien als "Kraftwerke der Zelle" besonders stark konzentriert:

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Mitochondrien sind ebenfalls sehr zahlreich um das Myonem herum angeordnet:

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Eine stärker gepresste Zelle zeigt den bandförmigen Makronukleus, einen kleinen Mikronukleus (linsenförmig, dem Makronukleus angelagert), die kontraktile Vakuole (Bildmitte), Nahrungsvakuolen und feine Membranellen am Übergangsbereich Zellmund - sich bildende Nahrungsvakuole:

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Viele Grüße

Ole

Re: Carchesium polypinum

Verfasst: 3. Dezember 2017, 19:46
von MartinKreutz
Hallo Ole,

genau, so was kann man immer wieder anschauen. Und es gibt immer wieder Details, die man vorher nicht beachtet oder nicht gut erwischt hat. Besonders gut gelungen finde ich Deine Bilder mit den Mitochondrien und der Pellikulastreifung. Da, wo die Mitochondrien zu sehen sind, erkennt man im hinteren Drittel auch sehr gut den aboralen Wimpernkranz (der Ring aus schräg gestrichelten Linien). Dies ist die Anlage des Wimpernkranzes, wenn sich ein Schwärmer bildet. Auf dem Bild mit der Streifung erkennt man sehr schön, dass nicht alle Streifenwie ein Ring um den Körper laufen. Manche spalten sich auch zu zwei Linien auf. Das sieht man besonders im oberen Drittel der Zelle.

Ich habe jetzt einen ganzen Satz Proben ins warme geholt. Oft bilden sich dann nochmal interessante Populationen. Mal sehen, was sich mir noch in den nächsten tagen bietet. Ich hoffe, Du findest auch noch schöne Objekte!

Martin

Re: Carchesium polypinum

Verfasst: 22. Dezember 2017, 21:21
von paramecium
Das sind ja grandiose Detailstudien.

Ich habe eben einmal einen Blick in die Literatur geworfen. In der Tat sind die kleinen "Knubbel" in den Stielen von C. polypinum wohl Mitochondrien. Bei den abgebildeten Organellen unterhalb der Pillicula bin ich mir nicht sicher.

Ich muss zugeben, dass ich mich mit diesem Zellorganell (Mitochondrien) bei den Ciliaten schon länger beschäftige, doch sind die Befunde lichtmikroskopisch sicherlich nicht ohne Weiteres zu deuten. Häufiger sind Mitochondrien der Ciliaten nicht einmal gut mit Fluorochromen anzufärben. Gelegentlich findet man Mitochondrien entlang der Ciliatur, etwa bei Euplotes an den Stellen der "Borsten". Bei Paramecium sind sie eher homogen in der Zelle verteilt. Goertz beschreibt, dass bis zu 5.000 dieser Organellen in einem Paramecium enthalten sein sollen. In der Literatur gibt es Berichte über Mitochondrien bei Paramecium, die eher schlauchförmig bzw. wie Bakterien erscheinen (Perasso & Beisson, 1978). Die Gefahr einer Verwechslung mit Trichocysten ist hoch. Ich konnte sie bestenfalls kugelig nachweisen, falls sie überhaupt anzufärben waren. Bei Cyclidium finden sich eher schlauchförmige Gebilde welche mit dem Lichtmikroskop gar nicht sichtbar sind und nur mit dem Fluoreszenzmikroskop dargestellt werden können. Selbst die Literatur ist sich hier nicht einig. Die Kulturbedingungen scheinen einen wesentlichen Einfluss auf die Form der Mitochondrien zu haben und selbst die Färbemethoden scheinen sie gelegentlich quellen zu lassen. Die für Mitochondrien geeigneten Fluorochrome färben gelegentlich sowohl mitochondriale Strukturen, als auch solche des endoplasmatischen Reticulums. Lichtmikroskopisch sind sie wohl am besten im Phako darzustellen. Bei histologischen Schnitten wird berichtet, dass sie von Hämalaun gefärbt werden. Aber auch das gilt nicht als sicheres Indiz. Färbungen der mitochondrialen DNA gelingen offenbar auch nur bei bestimmten Organismen. Die Verteilung und Größe kann charakteristisch für die jeweilige Art der Ciliaten sein. Jedoch sind Mitochondrien nicht die einzigen lichtbrechenden Organellen bei den Ciliaten. Neben den Mitochondrien sind auch andere Organellen mit dem Lichtmikroskop zu finden, etwa Lysosome oder Acidosome (erstmals beschrieben für Paramecium). Eindeutig sind die internen, gefalteten Membranstrukturen bestenfalls im TEM nachzuweisen.

Einige Details zu C. polypinum finden sich hier:

Gentekaki, E., and D. H. Lynn. "High genetic diversity but no population structure of the peritrichous ciliate Carchesium polypinum in the Grand River basin (North America) inferred from nuclear and mitochondrial markers." Applied and Environmental Microbiology (2009).
http://jcs.biologists.org/content/10/1/95.eLetters