Chlamydomonas?

Grüne Algen und Augenflagellaten
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Chlamydomonas?

#1 Beitrag von paramecium » 28. November 2020, 19:24

Liebe Tümpler,

ich habe hier einen Algenstamm in Kultur, der ursprünglich als Chlorogonium benannt war. Nachdem sie sich nun fleißig vermehren, habe ich heute erste Aufnahmen mit dem 63x Objektiv angefertigt.

Bilder A bis D zeigen verschiedene optische Schnitte durch ein und das selbe Exemplar. Etliche Exemplare hefteten sich mit den Geißeln an das Deckglas. Die Alge besitzt zwei gleich lange Geißeln und zwei (oder mehrere) kontraktile Vakuolen. Die Exemplare sind eher rundlich, nicht zugespitzt und offenbar auch recht variabel in Form und Größe. Ein Augenfleck ist ebenfalls bei einigen Exemplaren sichtbar.

Wenn ich mir die Bilder so ansehe, halte ich die Gattung nicht für Chlorogonium, sondern eher für Chlamydomonas.

Was meint Ihr?

Gruß

Thilo

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Re: Chlamydomonas?

#2 Beitrag von SNoK » 29. November 2020, 00:51

Ich habe in meinem Gartenteich so was ähnliches gefunden. Allerdings sind meine Fotos nicht so gut. Und versucht zu bestimmen habe ich die Alge auch noch nicht.

Stephan
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Re: Chlamydomonas?

#3 Beitrag von Rainer » 29. November 2020, 10:27

Hallo Thilo,

laut der "Freshwater Algal Flora of the British Isles" ist Chlorogonium spindelförmig, sodass Chlamydomonas wohl stimmen dürfte. Die Struktur in deinem Foto G ist m.E. nicht der Zellkern, sondern ein Pyrenoid.

Ich habe in meinem "Hausweiher" letzthin auch eine ähnliche Alge gefunden, die ich für mich als Chlamydomonas abgebucht habe:

Bild

Bild

Bild
Beim Exemplar links ist der Zellkern sichtbar, beim rechten ein Pyrenoid.

Bild
Teilungsstadium?

Manche Individuen besaßen extrem lange Flagellen:

Bild

Eine Artbestimmung dürfte ohne Spezialkenntnisse und angesichts der Artenvielfalt von Chlamydomonas schwierig sein.

Herzliche Grüße
Rainer
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Re: Chlamydomonas?

#4 Beitrag von SNoK » 29. November 2020, 13:12

Im „Leben im Wassertropfen“ und „Kosmos Algenführer“ ist es auch so beschrieben, dass Chlorogonium spindelförmig ist. Allerdings kann wohl nach dem Algenführer auch Clamydomonas mal spindelförmig sein. Aber Chlorogonium ist es wohl immer.

Stephan
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Re: Chlamydomonas?

#5 Beitrag von paramecium » 30. November 2020, 20:12

Hallo Stephan und Rainer,

vielen Dank für Eure Bilder und Hinweise. Sie bestätigen, was ich mir gedacht habe. Mehr als der Algenführer steht mir auch nicht zur Verfügung. Und ja, ich glaube auch, dass diese spindelförmige Form hier nicht zu sehen ist. Das brachte mich auf Chlamydomonas. Vielleicht kann Angie ja noch etwas beisteuern.

Rainer, Deine langen Geißeln fand ich besonders kreativ. Glückwunsch zu der Aufnahme. :-) Ich denke es sind Bakterienfäden, richtig?

Danke auch für den Hinweis zu den Pyrenoiden. Ich war mir nicht ganz sicher. Diese kreisförmig-schlauchförmige Struktur kann ich noch nicht so recht deuten. Einem früheren Tipp von Sebastian Hess folgend will ich gelegentlich mal sehen, ob man mit Jod-Jodkalium eine Färbung der Pyrenoide hinbekommt. Ich habe die Biester ja in Massenkultur.

Viele Grüße

Thilo

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Re: Chlamydomonas?

#6 Beitrag von Rainer » 1. Dezember 2020, 11:20

Hallo Thilo,

...ah so, also keine Geißeln, sondern Bakterienfäden? Aber was haben die mit den Algen zu schaffen? Und wieso sind sie an so vielen Exemplaren zu sehen? Hier nochmal eine andere Aufnahme:

Bild

Herzliche Grüße
Rainer

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Re: Chlamydomonas?

#7 Beitrag von Monsti » 1. Dezember 2020, 19:06

Hallo Thilo und Rainer,

das sind ganz sicher Flagellen und keine Bakterienfäden.

Liebe Grüße
Angie
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Re: Chlamydomonas?

#8 Beitrag von paramecium » 1. Dezember 2020, 19:12

Hallo Rainer und Angie,

gute Frage!

Ich selbst konnte bisher nur beobachten, dass sich die Algen mit den Geißeln irgendwo anheften können. In Deinem Fall, Rainer, sieht es tatsächlich so aus, als seien die Geißeln verlängert. In Deinem letzten Bild meine ich jedoch zu erkennen, dass Länge der Geißeln und fädiges Substrat (oder Spur?) lichtmikroskopisch gerade noch gut getrennt werden können. Bei der unteren Alge meine ich sogar eine Dopplung zu erkennen an der linken Geißel, was eine optische Täuschung der "Haarverlängerung" nahe legt.

Da ich auch nicht ganz sicher war, und diese Algen nicht zu meinem Spezialgebiet gehören, habe ich einige Literatur gesichtet. Ich fand einige Arbeiten, die beschreiben, wie Chlamydomonas die identische und mehr oder weniger konstante Länge beider Geißeln auf Zellebene über die Steuerung der Microtubuli reguliert. Es gibt wohl Situationen in denen Chlamydomonas keine oder nur kurze Geißeln zeigen, und Mutationen, die etwas längere Geißeln zeigen können (etwa drei mal so lang). Hinweise auf eine Ausdehnung, wie in Deiner Aufnahme zu sehen, fand ich in der Literatur jedoch nicht.

Vielleicht findet Ihr noch andere Hinweise. Ich bleibe immer neugierig. Da ich sie in Kultur habe, werde ich mal ein Auge darauf haben.

PS: Was auch denkbar ist: Bei Closterien fand ich diese Woche Hinweise, dass man den Schleim ihrer Kriechspur lichtmikroskopisch mit Tuschefärbung nachweisen können soll. Eventuell sind die eher unterbrochenen Linien in Rainers Foto auf analoge Weise zu deuten. Ich halte das fotografierte im Moment jedenfalls nicht für verlängerte Geißeln von Chlamydomonas.

Viele Grüße

Thilo

Literatur
  • Lewin, R. A. (1952). Studies on the flagella of algae. I. General observations on Chlamydomonas moewusii Gerloff. The Biological Bulletin, 103(1), 74-79.
  • Wilson, Nedra F., et al. Regulation of Flagellar Length in Chlamydomonas. Seminars in cell & developmental biology. Vol. 19. No. 6. Academic Press, 2008.
  • Asleson, C. M., & Lefebvre, P. A. (1998). Genetic analysis of flagellar length control in Chlamydomonas reinhardtii: a new long-flagella locus and extragenic suppressor mutations. Genetics, 148(2), 693-702.
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Re: Chlamydomonas?

#9 Beitrag von Rainer » 2. Dezember 2020, 10:50

Hallo Angie und Thilo,

vielen Dank für eure Beiträge!

Ich habe nochmal in der "Freshwater Algal Flora of the British Isles" nachgeblättert. Dort werden 33 verschiedene Arten von Chlamydomonas beschrieben und aufgeschlüsselt, jedoch spielen die Flagellen als Bestimmungsmerkmal offenbar keine Rolle, so dass dazu nichts außer der summarischen Bemerkung zur Gattung, "Flagellaten as long, longer or rarely, shorter than cells", zu finden ist. Auf den Tafeln sind niemals Arten mit auch nur annähernd derart langen Geißeln zu sehen.

Merkwürdige Sache, ich wüsste jetzt auch gern, worum es sich dabei handelt. Leider habe ich die Probe nicht mehr, aus der die Fotos stammen, kann also nicht nochmal reinschauen.

Herzliche Grüße
Rainer
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Re: Chlamydomonas?

#10 Beitrag von paramecium » 2. Dezember 2020, 11:42

Danke für die Ergänzung, Rainer.

Ich habe bei Lewin noch einmal nachgelesen. In der Summary schreibt er in Englisch folgendes (siehe Zitat unten). Insbesondere Punkt 2 hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Übersetzt steht da folgendes: "Wenn sie an feste Substrate angeheftet sind, sind die Geißeln fähig zu kriechender Bewegung". Das könnte in der Tat eine Bestätigung Deiner Fotos und meiner Annahme sein.

Wenn die solchermaßen "auf Skiern fahren" bliebe die Frage, ob und wie man die Spuren auf andere Weise sichtbar machen kann, wie in Deinem Foto und was das ist, was sie hinterlassen, falls es von der Alge stammt.

Gruß

Thilo


"1. Cells of Chlamydomonas moewusii normally swim by a synchronized backward beat of the paired flagella.
2. When appressed to solid substrata, the flagella are capable of an independent creeping movement. This faculty does not persist in detached flagella.
3. During mating, cell clumps are formed by the adhesion of flagella of cells of opposite mating-types.
4. By means of the flagella, copulating cells can adjust their relative positions until cytogamy can be initiated.
5. Paired cells do not fuse for some hours, during which swimming results from the activity of one partner only.
6. By suitable labelling, it can be shown that the flagella of the plus partner remain active, while those of the minus cell cease to beat after pairing."


Aus: Lewin, R. A. (1952). Studies on the flagella of algae. I. General observations on Chlamydomonas moewusii Gerloff. The Biological Bulletin, 103(1), 74-79.
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Re: Chlamydomonas?

#11 Beitrag von Rainer » 2. Dezember 2020, 13:41

Danke auch dir, Thilo,

für die Literaturecherchen und die "Kriech-(bzw. Ski-)Hypothese". Da mir so lange Geißeln auch unwahrscheinlich vorkommen, halte ich diese Erklärung für die momentan wahrscheinlichste.
Wenn mir die Biester nochmals unterkommen, werde ich versuchen, sie zu überprüfen!

Nochmals danke und herzliche Grüße
Rainer
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