Ich habe mich in den letzten Tagen immer mal wieder mit alten Diatomeen-Proben beschäftigt, in denen sich zurzeit sehr viele Heliozoen befinden. Neben einzelnen Exemplaren finde ich Gruppen von mehr oder weniger fusionierten Zellen, die Fressgemeinschaften bilden. Ich halte die Art für Actinophrys sol (1-kernig, peripherer Bereich der Zellen mit schaumigen Vakuolen, keine erkennbaren Schuppen, Form und Länge der Axopodien, Durchmesser der Zellen ohne Axopodien gut 30 µm), ohne wirklich zu wissen, welche Arten innerhalb dieser Gattung eventuell noch in Frage kommen könnten. Wer mehr weiß, den bitte ich um Korrektur.
Alle Aufnahmen entstanden an Präparaten der Rohprobe, also ohne, dass ich die Objekte isoliert hätte. Aufgrund der Schichtdicke und Detritusbeimischung waren daher die Bedingungen für die Fotografie suboptimal.
Ich habe bis zu 7 einzelne Exemplare gefunden, die zu einer Gruppe vereint waren (linke Teilabbildung). Meist sind es jedoch weniger Zellen wie in der rechten Teilabbildung mit 4 Zellen. Die Heliozoen scheinen praktisch ausschließlich Diatomeen zu fressen, die sie unter z.T. erheblicher Deformation ihres Zellkörpers aufnehmen (ein Exemplar beteiligt) oder in einer gemeinsamen Zytoplasma-Masse bzw. Vakuole einschließen (mehrere Exemplare beteiligt).
![Bild](http://i1278.photobucket.com/albums/y511/OleRiemann/Heliozoen-Gruppe%2010.04.2016_zpsoalsb6at.jpg)
Es gibt auch die Situation, dass nur zwei Heliozoen beteiligt sind und sie eine erbeutete Kieselalge gemeinsam umschließen, die dann in einer schmalen Plasmabrücke zwischen den Zellen liegt (linke Teilabbildung). Vermenschlichend könnte man fast den Eindruck gewinnen, die Zellen stritten um die gemeinsame Beute. Plausibler ist aber eher, dass die beiden Zellen gemeinsam an der Verdauung der Kieselalge beteiligt sind und erst durch ihre Kooperation – wiederum anthropozentrisch gedacht – in der Lage sind, so große Beuteorganismen zu bewältigen.
Die rechte Teilabbildung zeigt vier Exemplare, zwischen denen sich eine große gemeinsame Vakuole gebildet hat, zu der jede Zelle gleichermaßen beizusteuern scheint.
![Bild](http://i1278.photobucket.com/albums/y511/OleRiemann/Heliozoen-Gruppe%2010.04.2016b_zpsty4pe8s3.jpg)
Zum Schluss noch einige Darstellungen im Phasenkontrast, der die feine Axopodien besonders schön sichtbar macht. Wie kleine Sonnen strahlen die Zellen in ihrem Habitat. Zwischen den beiden rechten Zellen dieser Vierergruppe ist auf der linken Teilabbildung noch eine kräftige Plasmaverbindung ausgebildet. Schon nach kurzer Zeit (ca. 1 Minute) entfernen sich die Zellen voneinander und die plasmatische Verbindung wird länger und dünner, bis sie fast abreißt (untere rechte Teilabbildung).
![Bild](http://i1278.photobucket.com/albums/y511/OleRiemann/Heliozoen-Gruppe%2010.04.2016c_zpslsyprnk2.jpg)
Neben der bizarren Ästhetik stellen sich mir einige grundlegende Fragen, bei denen ich nicht weiß, ob hierzu überhaupt schon gesicherte Kenntnisse vorliegen.
(a) Wie bilden die Zellen gemeinsame Nahrungsvakuolen aus? Hierzu müssen die Zellmembranen verschiedener Zellen fusionieren, bevor erst eine gemeinsame Vakuole entstehen kann. Das bedeutet, dass die Zellen für einen kurzen Moment ihre strukturelle Integrität verlieren und punktuell aufreißen müssen, damit Membranabschnitte verschmelzen können. Warum laufen die Zellen dabei nicht aus?
(b) Welche biomechanischen Kräfte bewirken die Annäherung der Zellen bzw. das Sich-Entfernen voneinander? Was zieht die beiden Zellen (rechte Teilabbildungen) auseinander, bis die dünner werdende Brücke reißt? Cilien zur Bewegung und vorstreckbare Pseudopodien gibt es nicht.
(c) Wie ist die basale Wahrnehmungsfähigkeit der Zellen biochemisch umgesetzt, die es ihnen erlaubt, bei Kontakt mit ihresgleichen unter bestimmten Bedingungen Fusionsgemeinschaften zu bilden?
Fragen über Fragen – weiß hier jemand mehr? Auch Ergänzungen dieses Fadens durch eigene Beobachtungen und Fotos sind hochwillkommen.
Viele Grüße
Ole
EDIT 14.04.2016 - ergänztes Foto zweier Zellen, unter günstigeren Bedingungen aufgenommen
![Bild](http://i1278.photobucket.com/albums/y511/OleRiemann/Actinophrys%20sol%20Standard%2014%2025_08%20Kpl_125x%20Diatomeenmaterial%2013.04.2016e%20red_zpsfjgpdnwn.jpg)