Hyalosphenia elegans und H. insecta

Nackt- und Schalenamöben sowie Sonnentiere
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cuxlaender
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Hyalosphenia elegans und H. insecta

#1 Beitrag von cuxlaender » 26. Januar 2016, 15:11

Liebes Forum,

Im Juni des vergangenen Jahres schickte mir Richard eine Anzahl Wasserproben aus Tiroler Mooren, durch welche ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Hochmoorspezialisten machen konnte. Hier zeige ich mal, was mir eine einzige Probe aus dem Ibmer Moor an Erkenntnissen und Fotos gebracht hat (alle Fotos Durchlicht, gestackt):
Bild
Hyalosphenia insecta, 95 µm hoch.
Die zahlreichen regelmäßig angeordneten Dellen unterscheiden sie von der ähnlichen H. elegans (weiter unten).
Joseph Leidy vermutete, dass es sich bei der hier sichtbaren Ansammlung von Bällchen im Hals um Ausscheidungen handelt. (S. 142 und Tafel XX Nr. 24 und 29)
Bild
Die regelmäßigen Dellen der Schale.
Bild
Der schräge Blick auf die abgeplattete Form und die Mundöffnung.
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Hyalosphenia elegans
Bild
Die Schale ist viel ungleichmäßiger gebeult und gedrungener als bei der obigen H. insecta.
85 µm hoch. Auch hier im Hals ein Kotbällchen?
Bild
Dieses untypische, weil völlig glatte, Exemplar ist knapp 100 µm hoch. In der Regel trägt diese Art deutliche unregelmäßige Dellen.
O. Harnisch schrieb 1938: "leere Schalen mitunter ohne Wellen."
Schiefe Beleuchtung per Kreutz-Blende, aus drei Ebenenfotos gestackt.
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Interessant ist, dass alle oben gezeigten Exemplare aus der gleichen Moorwasserprobe stammen, (Ibmer Moor, Tirol)
Joseph Leidy schrieb: „H. elegans is... in association with H. papilio, abundant in sphagnum in the same locality“. Für Leidy und Pénard gab es nur die Art H. elegans.
Erst 1938 hat O. Harnisch H. insecta als eigenständige Art ausgegliedert. Harnisch beschreibt die Artunterschiede so:
H. elegans: Mehr beutel- als flaschenförmig, Hals mehr allmählich in den aufgetriebenen Hinterabschnitt übergehend. Länge meist etwas weniger als doppelte Breite ... Buckel, die nicht auf den Halsteil übergreifen.
H. insecta: Graziler, mehr flaschenförmig, Hals schärfer vom verdickten Hinterabschnitt abgesetzt. Länge mehr als doppelte Breite ... Buckel bis fast zur Mündung.
Th. Grosspietsch machte 1958 diesen Unterschied nicht, er beschrieb nur H. elegans. Da die beiden Arten regelmässig zusammen gefunden werden, könnte man Modifikationen einer Art vermuten, die ge'lumpt' werden sollten.

Ferry, bitte korrigier mich, wenn ich etwas nicht richtig wiedergegeben habe.

Viele Grüße,
Hans

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Monsti
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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#2 Beitrag von Monsti » 27. Januar 2016, 20:42

Hallo Hans,

Ferry sagte mir mal, dass angeblich sogar H. papilio und H. elegans zu einer Art gehören sollen. Ich habe das aber nicht weiter verfolgt (weil ich es nicht wirklich glauben kann), aber vielleicht meldet sich hier Ferry ja zu Wort ...

Nach meiner Erfahrung ist H. elegans im Mittel etwas größer als H. insecta. Ist das auch Deine Erfahrung?

Viele Grüße
Angie
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cuxlaender
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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#3 Beitrag von cuxlaender » 28. Januar 2016, 14:30

Moin Angie,
Ich habe mehrfach gelesen, dass H. papilio und H. ovalis möglicherweise einer Art angehören.

Aber, wie du schreibst, sind die flaschenförmigen faltigen Arten doch sehr "anders". Aber beim "Tree of Life" finde ich den Text "In a first SSU rRNA-tree the genus is not monophyletic and Hyalosphenia papilio and H. elegans are mixed in a clade with Nebela spp. (Lara et al. 2008)."

Zur Größe:
Zur Größe der insecta schreiben: Ferry 68-84 µm, Harnisch ~80 µm,
elegans: Ferrys Beispiele 90-100µm, Harnisch 90-110 µm.

Ich habe meine alten insecta und elegans-Fotos nochmal nachgemessen. Alle Exemplare sind 93-97 µm hoch, also elegans-Größe.
Dafür spricht, dass bei näherem Hinsehen auch mein erstes Foto in meinem Posting nach den Proportionen eher eine H. elegans ist, Höhe meist weniger als doppelte Breite.
Ich muss dazu sagen, dass ich Hyalosphenia nur aus der einen überreichen Probe von Richard aus dem Ibmer Moor gefunden hatte.

Aber dieses 95 µm hohe Exemplar ist definitiv insecta:
Bild

Vielleicht hat Ferry noch einen Kommentar.
Grüße aus dem frühlingshaften Norden
Hans

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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#4 Beitrag von Ferry » 28. Januar 2016, 21:26

Tja, ich weiss nicht sicher ob es zwei verschiedene Arten sein, weil ich immer alle Übergange finde, genau in Tiroler Material. In ein neues Monography Paper werden beide Arten von u.a. Anush Kosakyan getrennt, aber nur DNA-Sequenz kann Auskunft bieten. Oder vielleicht Biometrie.

Ich möchte am liebsten alle Amöben nur Amöben nennen, ohne weitere Differenzierung :wicked_018:

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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#5 Beitrag von Monsti » 28. Januar 2016, 21:47

Lieber Ferry,
Ich möchte am liebsten alle Amöben nur Amöben nennen, ohne weitere Differenzierung :wicked_018:
Soso! Muss ich Dir das glauben? :wicked_018:

Grinsegrüße von
Angie
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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#6 Beitrag von Monsti » 28. Januar 2016, 21:52

Hallo Hans,
Ich habe mehrfach gelesen, dass H. papilio und H. ovalis möglicherweise einer Art angehören.
Klärst Du uns bitte auf, was Du unter H. ovalis verstehst? :wicked_016: Oder war das nur ein Verschreiber?

Rätselnde Schneematschgrüße von
Angie
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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#7 Beitrag von cuxlaender » 29. Januar 2016, 09:59

Hallo Angie,
bei Ferry gibts Hyalosphenia ovalis mit dem Vermerk
Booth and Mayers (2010) suggest that H. papilio is identical with;H. ovalis:

Osterglockenrausguckende Grüße,
Hans

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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#8 Beitrag von Eckhard » 16. Juni 2016, 22:38

Hallo,

das Problem ist, Hyalosphenia elegans und H. papilio haben in dem Bereich, der als "Barcode" zur Artunterscheidung für Amöben benutzt wird, identische Gene (18s). Auch kann man diese Amöben nicht in Kultur halten, was die Untersuchung schwierig macht.

Man ist da sehr schnell bei der Frage, wie definiert man eine Art? Bei Säugetieren ist das einfach, eine Art ist eine Fortpflanzungsgemeinschaft (Pferd und Esel gibt Nachkommen, diese sind allerdings unfruchtbar, also keine Art). Bei Einzellern mit Vermehrung durch Teilung ist dies schwieriger. Nimmt man die Morphologie als Kriterium, sind es zwei Arten. Nimmt man das 18s Gen zur Unterscheidung, ist es eine Art. Andere Gene werden Unterschiede zeigen. Ab welcher genetischen Differenz ist es eine neue Art? Dies ist immer eine willkürliche Feststellung und daher nicht wirklich sinnvoll.

Perfekt wäre es, wenn man einen der Morphotypen (z.B. H. elegans) in einer Reinkultur hätte, und auf einmal H. papilio Zellen sichtbar sind. Dies geht nicht, da H. papilio in der Natur immer Zoochlorellen hat, H. elegans nie und man eben diese Amöben nicht kultiviert bekommt.

So gibt es zwei "Lager". Die Molekularbiologen, für die die Gene ausschlaggebend sind, und klassischen Biologen, die die morphologischen Unterschiede als Artkriterium nutzen.

Herzliche Grüße,
Eckhard

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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#9 Beitrag von cuxlaender » 17. Juni 2016, 09:21

Moin Eckhard und Forum,

Spannend: identische Gene und unterschiedliche Schalen.
Es gab ja 1916-1918 an der Johns Hopkins University in Baltimore drei aufwändige Studien zur Vererbung äußerer Merkmale bei der ungeschlechtlichen Vermehrung von Difflugia corona, Arcella dentata und Centropyxis aerophila.
Da während des Zellteinungsvorgangs der Zellkern noch unbeteiligt blieb, vermutete H. S. Jennings, dass das Zytoplasma und nicht der Zellkern Träger der Vererbung sein könnte:
„Possibly the [...] mechanism of inheritance are due to peculiarities of the cytoplasm that are handed on through fission; not to the nucleus, which we have reason to believe in most organisms contains the diversities that result in hereditary diversities. [...] Thus the results in Diffiugia may differ in principle from what we find in higher organisms.
In this case we should have in Difflugia an organism in which the cytoplasm in place of the nucleus is the 'organ of inheritance;' i.e., is the seat of the diversities that give rise to diversities in the next generation ... during vegetative reproduction“.
und F. M. Root über Centropyxis:
„Shell size might be inherited without the mediation of the nucleus.“
Und Schönborn (Beschalte Amöben 1966 Seite 51/52) in Hinblick auf diese Studien:
„Eine große Anzahl von Erbanlagen befindet sich im Kern. Aber auch das Zytoplasma hat einen Einfluss auf die Vererbung. Es können hier ... selbständige Erbträger vorhanden sein.“
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Gibt es da neue Erkenntnisse? Könnte hier die Erklärung zu finden sein?

Viele Grüße,
Hans


PS die Ergebnisse der amerikanischen Studien können heruntergeladen werden unter:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/article ... df/407.pdf
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/article ... df/173.pdf
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/article ... pdf/95.pdf

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Re: Hyalosphenia elegans und H. insecta

#10 Beitrag von Monsti » 19. Juni 2016, 20:22

Hallo, Ihr Lieben,

bisher konnte ich insgesamt drei Zellteilungen bei Hyalosphenia beobachten, einmal bei H. elegans und zweimal bei H. papilio. Bei allen drei Teilungen entstand ein identisches Exemplar. Für mich sind dies ganz klar zwei verschiedene Arten.

Herzliche Grüße
Angie
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