Paramecium wird nie langweilig

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paramecium
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Paramecium wird nie langweilig

#1 Beitrag von paramecium » 2. Februar 2020, 22:16

Hallo Tümpler,

am letzten Wochenende waren wir wieder einmal in der Region Hürth unterwegs und haben Proben von Schlammlöchern, Pfützen und einem Weiher genommen. Hier ist Paramecium caudatum sehr verbreitet, um nicht zu sagen eine Seuche. Es ist heuer schwieriger Paramecium-freie Kulturen von anderen Ciliaten zu erhalten, als Paramecium selbst zu finden.

Wer vor der Aufgabe steht, Paramecium Arten bis auf die Art zu bestimmen, der sollte vor allem auf den/die Micronuclei achten. Paramecium caudatum hat einen innerhalb der Arten einzigartigen Mirconucleus, der, wie Fokin (2010) beschreibt, eine "Kappe" besitzt. Fokin beschreibt hier eine kleine Ausbuchtung innerhalb des Micronucleus, in der kein Chromatin zu finden ist. Lichtmikroskopisch und auch mit dem DIC ist dieses Detail mitunter sehr schwer zu erkennen, da viele Zellorganellen und auch die Trichocysten den Blick auf die Details verstellen können. Man muss genau wissen, was man sucht. Doch Fokin hat Recht: In einem kleinen Bereich des Micronucleus befindet sich solch eine Blase, in der tatsächlich keine DNA gefärbt wird. Dies wird vor allem mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie deutlich. Wenn man Pech hat, dann ist der Micronucleus übrigens nicht zu sehen, weil er eventuell vor oder hinter dem Macronucleus liegt. Auch Kulturen ohne Micronucleus wurden schon in der Literatur beschrieben. Das macht die Bestimmung nicht einfach und man sollte sich immer mehrere Exemplare genau ansehen, oder im Falle der Mi-freien Kulturen die Vorgeschichte kennen.

Hier findet Ihr den Bestimmungsschlüssel für Paramecium.

Viel Spaß beim Betrachten und viele Grüße

Thilo

Bild 1: Paramecium caudatum, frei schwimmendes Exemplar, optischer Schnitt mit Details der Mundöffnung. An deren Ende bildet sich hier gerade ein neues Phagosom. Aufnahme: Zeiss C-Apochromat 40x/1,2 W, schiefe Beleuchtung.
Bild 1: P. caudatum, frei schwimmendes Exemplar.
Bild 1: P. caudatum, frei schwimmendes Exemplar.
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Bild 2: Paramecium caudatum, Ausschnitt der Kernregion in Quetschpräparation. Lichtmikroskopisch ist die kleine "Blase" (oder "Kappe") des Mikronucleus nur schwer zu erkennen. Aufnahme: Zeiss LCI Plan-Neofluar 63x/1,3, schiefe Beleuchtung.
Bild 2: P. caudatum, lichtmikroskopische Details der Region der beiden Zellkerne.
Bild 2: P. caudatum, lichtmikroskopische Details der Region der beiden Zellkerne.
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Bild 3: In der Fluoreszenz erkennt man, dass tatsächlich in einem Teil des Micronucleus keine DNA angefärbt wurde. Doppelfärbung mit Ho342 und Acridinorange. Zeiss C-Apochromat 40x/1,2 W.
Bild 3: P. caudatum in Fluoreszenz: Doppelfärbung mit Ho342 und AO.
Bild 3: P. caudatum in Fluoreszenz: Doppelfärbung mit Ho342 und AO.
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Re: Paramecium wird nie langweilig

#2 Beitrag von Michael » 3. Februar 2020, 08:37

Hallo Thilo,

ich bin immer wieder fasziniert, welche Details Deine Färbungen herausarbeiten können - auch bei einem so spannenden (!) Objekt wie Paramecium.

Danke fürs Zeigen

Michael
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Re: Paramecium wird nie langweilig

#3 Beitrag von RalfF » 3. Februar 2020, 18:34

Hi Thilo,

ja, so sieht die "Fokinsche Zeichnung" des Mikronucleus in der Praxis aus - auch von mir danke fürs Zeigen!
Es ist immer wieder faszinierend, wenn sich die aus der wissenschaftlichen Literatur angelesenen Informationen auch am Objekt erkennen lassen!

Beste Grüße
Ralf

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Re: Paramecium wird nie langweilig

#4 Beitrag von Pelagodileptus » 3. Februar 2020, 22:25

Hallo Thilo,

wie nicht anders gewohnt von Dir, tadellos beschrieben und nachvollziehbar. Auch wenn man Paramecium immer wieder unterm Mikroskop findet, sie sind und bleiben interessant.

Danke Dir fürs zeigen!

Herzliche Grüße,
Michael

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Re: Paramecium wird nie langweilig

#5 Beitrag von paramecium » 3. Februar 2020, 22:51

Hallo Ralf und Michael,

die Einzelveröffentlichungen in der wissenschaftlichen Literatur sind ja stets zu überprüfen - auch durch Amateure. In der Astronomie ist das schon lange Usus. Hier hält man inzwischen den Schulterschluss mit den organisierten Amateuren, die ihrem Hobby nachgehend oft deutlich mehr Beobachtungszeit anbieten können, selbst unter schwierigen Wetterbedingungen.

Meiner Meinung nach, ist eine solche Bestätigung einer Veröffentlichung immer nur ein erster Schritt. Ich sage aber nicht, dass diese Einordnung deswegen genau so aussieht, um P. caudatum zu bestimmen. Eher plagt mich immer der Zweifel, wenn ich keinen solchen Review, wie den von Fokin, als Anhaltspunkt habe. Wichterman hatte mit einem ähnlichen Review in Form seines Buches noch in den 1980er Jahren einige inzwischen bestätigte Arten als nicht stichhaltig eingestuft.

Für bestimmte Gattungen, wie Spirostomum hat man inzwischen genetische Artenkomplexe definiert, ohne dass man morphologische Belege in den Arbeiten der Autoren findet, die die Gensequenzen angefertigt haben. Neuerdings geht man so vor, dass man dies zunächst an der Gensequenz festmacht, ohne morphologische Indikatoren oder Hinweise auf ökologische Faktoren zu liefern. Dabei sind ausgerechnet diese Artenkomplexe wie bei Spirostiomum morphologisch sehr formvariabel, wie ich inzwischen feststelle. Ist die Einführung eines Artenkomplexes hier korrekt? Man darf und muss sicherlich auch hier Zweifel haben.

Mir fällt auf, dass dies bei Paramecium anders war. Hier hat Tracy M. Sonneborn in den 1940er und 1950er Jahren verschiedene Stämme von Paramecium aurelia als Artenkomplex definiert, nachdem er verschiedene Stämme dazu bewegen konnte, dass sie sich untereinander kreuzen konnten, (oder auch nicht) durch Konjugation. Die genetische Einstufung folgte hier jedoch zunächst der morphologischen Ähnlichkeit, nicht umgekehrt. Die Benennung eines Artenkomplexes folgte der Feststellung, dass sie die Fähigkeit haben sich zu paaren, also nicht nur wegen der genetischen Ähnlichkeit Sonneborn nannte die stämme noch "races" (Rassen). Diesen Begriff verwendet man im Deutschen und im Englischen nun nicht mehr. Es gibt hier also Verschiebungen der Begriffe selbst.

Zweifel bleiben stets angezeigt. Da gibt es zunächst ein großartiges Betätigungsfeld darin, ob man diese einfachen Indikatoren auch nachvollziehen kann.

In der Beobachtung steht meiner Meinung nach nicht die pure Adaption eines Artenschlüssels im Vordergrund, sondern die kritische Bewertung und Beschäftigung mit dem Viech an sich. Das wird oft vergessen, wenn man um eine Bestimmung in einem Thread bittet.

Wer kann schon sagen, was Alfred Kahl damals wirklich sah, als er Paramecium chlorelligerum erstmals beschrieb. Uns sind nur ein paar Worte überliefert. Martin Kreutz hatte mehr Glück und sich mit Kollegen sogleich der genetischen Methoden bedient, um es im Sinne einer Wiederbeschreibung sogleich von mehreren Seiten dingfest zu machen. Bislang gibt es aber nur zwei Nachweise in der Literatur. Foissner argwöhnte, dass man es wohl oft übersehen haben könnte. Ich habe es bisher noch nicht gesehen und begann daher Kulturen zu sammeln, um Belege und Material zu finden. Bisher Fehlanzeige.

Und inzwischen weiß ich, wie schwer es ist eine gefundene Art überhaupt wieder aufzufinden. Sie sind heute hier morgen dort, manchmal lange verschwunden. Erst dreißig Jahre nach dem ersten geschenkten Mikroskop findet man das erste Paramecium in seinem eigenen Aquarium und plötzlich sind sie überall - leben angeblich sogar in einer Pfütze. :wicked_011:

Wenn ich sie nicht selbst in einer Pfütze gefunden hätte und erfolgreich in eine Kultur übernommen hätte, würde ich das glauben? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Das wird nie langweilig.

Viele Grüße

Thilo
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Ole
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Re: Paramecium wird nie langweilig

#6 Beitrag von Ole » 9. Februar 2020, 18:56

Hallo Thilo,

da sind Dir ja wieder interessante Dokumentationen gelungen. Die Färbung gefällt mir auch sehr gut; wie Du weißt, habe ich so etwas bisher nie probiert, da ich keine Fluoreszenzeinrichtung habe. Und Du verwendest mittlerweile hochgezüchtete Optik wie ein Wasser-Immersionsobjektiv 40/1,2. Habe ich bisher nie benutzen können, vielleicht nimmst Du dieses Objektiv ja mit zum Pillersee im Sommer?

Schöne Grüße

Ole

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