Liebes Forum,
vor kurzem konnte ich in einem Mikroaquarium interessante Beobachtungen zum Fressverhalten von Mayorella viridis machen. In dem Mikroaquarium hatte sich nach einigen Tagen eine Massenentwicklung von Mayorella viridis und Paramecium caudatum ergeben. Andere Protozoen waren praktisch nicht mehr vertreten. Hier ein Blick hinein mit dem 10 X Objektiv:
In diesem besagten Mikroaquarium wurde offensichtlich die Nahrung sehr knapp, weshalb die vergleichsweise kleine Mayorella versucht hat, etwas größere Beute zu machen. Dabei ergaben sich Szenen, wie ich sie bisher nicht gesehen habe und die ich hier zeigen möchte. Alle folgenden Aufnahmen wurden mit dem 40X Objektiv gemacht.
Zuerst sah ich, wie eine Mayorella versuchte, von hinten ein Paramecium zu umschließen. Bemerkenswert war, dass sich der Ciliat offensichtlich nicht angegriffen fühlte und in seiner Position verblieb. Ich dachte schon, Mayorella schafft es wirklich, aber im letzten Moment entzog sich Paramecium dem Zugriff:
Derartig sensibilisiert, was sich hier abspielt, suchte ich das Mikroaquarium weiter ab und es bot sich mir noch eine besondere Show. Ich zeige hier alle 8 Bilder der Sequenz, da ich den Vorgang recht spannend und ungewöhnlich fand. Wie vorher fängt es mit einem Angriff von hinten an, als wenn Mayorella das irgendwie unterscheiden könnte:
Offensichtlich hatte Mayorella die Länge der Beute unterschätzt und begann die "Klammer" in der Zellmitte von Paramecium zu schließen:
Die Kraft, mit der die Pseudopodien von Mayorella zupacken können und versuchen ein Stück von Paramecium "abzubeißen", ist erstaunlich. Aber zum Schluss wurde es Paramecium dann doch zu viel:
Nach dem erfolglosen Angriff bleibt eine Mayorella in der Form eine "Plasmaringes" zurück. Ich konnte mehrere solche Angriffe verfolgen, jedoch meist immer am "Boden" des Mikroaquariums, wodurch keine schärferen Fotos möglich waren. Tatsächlich habe ich aber keine Mayorella entdecken können, welche wirklich eine "Riesennahrungsvakuole", mit Paramecium darin, auswies.
Viel Spass beim anschauen!
Martin
Wenn die Amöbe zwickt! (Mayorella viridis)
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Wenn die Amöbe zwickt! (Mayorella viridis)
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Re: Wenn die Amöbe zwickt!
Hallo Martin,
vielen Dank für das Zeigen dieser interessanten Verhaltensweise.
Wie Du ja weißt, bin ich ein Fan von Mikroaquarien. In "normalen" Präparaten sind die Tiere meist zu "aufgeregt", um natürliche Verhaltensweisen zu zeigen. Erst wenn sich die Organismen über mehrere Stunden an die neue Umgebung gewöhnt haben, nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf. Schade, dass die Fotoqualität zwangsläufig leiden muss!
Eine tolle Beobachtung!
Viele Grüße
Michael
vielen Dank für das Zeigen dieser interessanten Verhaltensweise.
Wie Du ja weißt, bin ich ein Fan von Mikroaquarien. In "normalen" Präparaten sind die Tiere meist zu "aufgeregt", um natürliche Verhaltensweisen zu zeigen. Erst wenn sich die Organismen über mehrere Stunden an die neue Umgebung gewöhnt haben, nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf. Schade, dass die Fotoqualität zwangsläufig leiden muss!
Eine tolle Beobachtung!
Viele Grüße
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Re: Wenn die Amöbe zwickt!
Hallo Martin,
vielen Dank für die beeindruckende Beobachtung und deren Dokumentation! Dass Amöben in der Lage sind, andere Objekte mit ihren Pseudopodien zu halten oder daran zu ziehen, konnte ich kürzlich, wenngleich in kleinerem Maßstab, ebenfalls beobachten.
Bei der Untersuchung einer Epistylis-Kolonie (vermutlich E. plicatilis) fiel mir eine Schalenamöbe (Arcella vulgaris) auf, die dem mehrfach geknickten und zusammengedrückten Stiel eines Glockentiers aufsaß (die teilweise sichtbare Flagellatenkolonie - wohl Salpingoecea - hatte sich an dessen oberem Stielende nahe der Skopula angesiedelt).
Möglicherweise war die Konstellation Folge eines Unfalls, der sich beim Auflegen des Deckglases ereignet haben mag; dafür spricht auch der Umstand, dass die Schalenöffnung der Amöbe, wohl durch das Eindringen des Stiels, aufgerissen und deutlich erweitert war.
Im Verlauf der folgenden 15 Minuten gelang es nun dem Glockentier, seinen Stiel aus seiner unangenehmen Lage zu befreien. Da bei Epistylis im Gegensatz zu Vorticella der Stiel selbst starr ist und über keine Myonembündel verfügt, mit Hilfe derer eine Kontraktion möglich wäre, zog sich der Zooid zunächst mehrfach faltig zusammen (die übliche Kontraktionsweise von Epistylis) und lockerte durch diese Erschütterungen den in der Amöbe „gefangenen“ Stiel; später bewegte er sich zur Seite und zog so am Ende den Stiel aus der Amöbe heraus. Dabei musste an manchen Stellen der Widerstand des Amöbenplasmas überwunden werden, das sich mehrmals wie ein Haken über den Stiel legte, diesen dabei eindellte und festhielt (s. Pfeile).
Wegen der schlechten Qualität der Bilder (infolge der Lage der Amöbe, die das eigentliche Geschehen abdeckte, handelt es sich um optische Schnitte) zeige ich hier nur einige wenige vom Ende des „Befreiungssprozesses“:
Bemerkenswert erscheint mir die hohe Flexibilität des Stiels von Epistylis, der all die Knicke und Falten am Ende nahezu vollständig wieder ausgebügelt hatte.
Die Flagellaten wurden übrigens im Laufe des ganzen Prozesses erst eng an die Amöbe herangezogen, mit der Befreiung des Stiels entfernten sie sich dann wieder von ihr. Interessant war, dass sie die Geißelbewegung in unmittelbarer Nähe zum Amöbenplasma einstellten (Schockstarre? Lähmung?), nach Abstandsgewinn aber wieder aufnahmen.
Herzliche Grüße
Rainer
vielen Dank für die beeindruckende Beobachtung und deren Dokumentation! Dass Amöben in der Lage sind, andere Objekte mit ihren Pseudopodien zu halten oder daran zu ziehen, konnte ich kürzlich, wenngleich in kleinerem Maßstab, ebenfalls beobachten.
Bei der Untersuchung einer Epistylis-Kolonie (vermutlich E. plicatilis) fiel mir eine Schalenamöbe (Arcella vulgaris) auf, die dem mehrfach geknickten und zusammengedrückten Stiel eines Glockentiers aufsaß (die teilweise sichtbare Flagellatenkolonie - wohl Salpingoecea - hatte sich an dessen oberem Stielende nahe der Skopula angesiedelt).
Möglicherweise war die Konstellation Folge eines Unfalls, der sich beim Auflegen des Deckglases ereignet haben mag; dafür spricht auch der Umstand, dass die Schalenöffnung der Amöbe, wohl durch das Eindringen des Stiels, aufgerissen und deutlich erweitert war.
Im Verlauf der folgenden 15 Minuten gelang es nun dem Glockentier, seinen Stiel aus seiner unangenehmen Lage zu befreien. Da bei Epistylis im Gegensatz zu Vorticella der Stiel selbst starr ist und über keine Myonembündel verfügt, mit Hilfe derer eine Kontraktion möglich wäre, zog sich der Zooid zunächst mehrfach faltig zusammen (die übliche Kontraktionsweise von Epistylis) und lockerte durch diese Erschütterungen den in der Amöbe „gefangenen“ Stiel; später bewegte er sich zur Seite und zog so am Ende den Stiel aus der Amöbe heraus. Dabei musste an manchen Stellen der Widerstand des Amöbenplasmas überwunden werden, das sich mehrmals wie ein Haken über den Stiel legte, diesen dabei eindellte und festhielt (s. Pfeile).
Wegen der schlechten Qualität der Bilder (infolge der Lage der Amöbe, die das eigentliche Geschehen abdeckte, handelt es sich um optische Schnitte) zeige ich hier nur einige wenige vom Ende des „Befreiungssprozesses“:
Bemerkenswert erscheint mir die hohe Flexibilität des Stiels von Epistylis, der all die Knicke und Falten am Ende nahezu vollständig wieder ausgebügelt hatte.
Die Flagellaten wurden übrigens im Laufe des ganzen Prozesses erst eng an die Amöbe herangezogen, mit der Befreiung des Stiels entfernten sie sich dann wieder von ihr. Interessant war, dass sie die Geißelbewegung in unmittelbarer Nähe zum Amöbenplasma einstellten (Schockstarre? Lähmung?), nach Abstandsgewinn aber wieder aufnahmen.
Herzliche Grüße
Rainer
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Re: Wenn die Amöbe zwickt!
Hallo Rainer,
vielen Dank für Deinen Ergänzenden Beitrag. Es sieht für mich jedoch so aus, wenn dass Gehäuse der Arcella durch das Deckglas auflegen (oder einem anderen Vorgang) bereits eingerissen ist. Auf dem zweiten Bild von oben sieht es für mich eher so aus, als wenn der Stiel von Epistylis gegen die Arcella gedrückt wird und dadurch auffaltet. Ist aber schwer zu sagen. Tatsächlich können Amöben jedoch einen starken Saugeffekt erzeugen, wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. ich erinnere nur an Vampyrella, die Algenzellen komplett aussaugt. Bei Arcella konnte ich so ein Einsaugen jedoch noch nie beobachten.
Martin
vielen Dank für Deinen Ergänzenden Beitrag. Es sieht für mich jedoch so aus, wenn dass Gehäuse der Arcella durch das Deckglas auflegen (oder einem anderen Vorgang) bereits eingerissen ist. Auf dem zweiten Bild von oben sieht es für mich eher so aus, als wenn der Stiel von Epistylis gegen die Arcella gedrückt wird und dadurch auffaltet. Ist aber schwer zu sagen. Tatsächlich können Amöben jedoch einen starken Saugeffekt erzeugen, wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. ich erinnere nur an Vampyrella, die Algenzellen komplett aussaugt. Bei Arcella konnte ich so ein Einsaugen jedoch noch nie beobachten.
Martin