Liebe Freunde des Tümpelns,
da dies hier thematisch sicherlich passt und über Rädertiere im Tümplerforum längere Zeit nichts mehr zu lesen war, kopiere ich an diese Stelle einen aktuellen Beitrag aus dem Mikroskopieforum.
Beste Grüße
Ole
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Am vergangenen Wochenende habe ich in Planktonproben aus einem kleinen Teich in der Nähe von Würzburg in hoher Dichte das Rädertier Rhinoglena frontalis gefunden. Neben Rhinoglena frontalis traten auch andere Rädertierarten (aus den Gattungen Brachionus, Keratella, Filinia, Polyarthra, Notholca und Synchaeta) auf. Die einzigen zahlenmäßig auffallenden Phytoplankter waren nicht näher bestimmte Dinoflagellaten. Eine Situation also, bei der die Freiwasserlebensgemeinschaft von kleinen Zooplanktern geprägt war.
Funde des eigenartigen Rädertieres Rhinoglena frontalis sind schon für sich genommen interessant und nur zu bestimmten Zeiten des Jahres wahrscheinlich. Die Art ist an kühlere Gewässer angepasst und hat ihr Populationsmaximum im zeitigen Frühjahr, mit einer kurzen Sexualperiode bei der ersten Erwärmung des Wassers. Zum Zeitpunkt der Probenahme hatte ich offenbar genau den richtigen Moment erwischt; alle aufeinander folgenden Generationen im Lebenszyklus eines monogononten Rädertieres ließen sich in einer Probe beobachten und dokumentieren. Nähere Einzelheiten zur Fortpflanzungsbiologie der monogononten Rädertiere, auf die ich im Folgenden nicht weiter eingehen möchte, finden sich auf der Seite des Rädertierspezialisten Michael Plewka (http://www.plingfactory.de/Science/Atla ... epro1.html).
Abbildung A-C der folgenden Tafel zeigen jeweils ein Weibchen, Abbildung A ein amiktisches Weibchen mit einem Subitanei (Se), gebildet vom kugeligen Keimdotterstock (Kd), Abbildung B und C ein miktisches Weibchen mit einem derben, bestachelten Latenzei. Die Fokusebene in Abbildung C liegt auf dem arttypischen dorsalen Rüssel, der frontal zwei rot pigmentierte Augenflecken trägt:
Die folgenden drei Teilabbildungen (A-C) zeigen ein Männchen von Rhinoglena frontalis, mit von links nach rechts zunehmendem Deckglasdruck (zwei verschiedene Exemplare). Das Räderorgan (Ro) ist ähnlich dem der Weibchen gebaut und bildet auf der Ventralseite eine Trichterstruktur. Als Sinnesorgane fallen die Lateraltaster (Lt) und die roten Augenflecke im Rüssel auf. Biologisch besonders bemerkenswert an Männchen von Rhinoglena frontalis ist, dass sie – anders als sonst bei monogononten Rädertieren – keine Zwergmännchen mit starker struktureller Reduktion darstellen und nur etwas kleiner als die Weibchen sind. Wie auch bei den Weibchen treten ein Magen (Ma), Magendrüsen (Md) und der Mastax (Mx), der charakteristische Kaumagen der Rädertiere, auf. Man kann daher davon ausgehen, dass diese Männchen selbst Nahrung aufnehmen und nicht oder nicht ausschließlich über die Dauer ihrer kurzen Lebensspanne von mütterlicherseits mitgegebenen Vorratsstoffen leben. Im hinteren Abschnitt des Rumpfes tritt der Hoden (Ho) hervor:
Anders als bei den Zwergmännchen der übrigen monogononten Rädertiere besitzen Männchen von Rhinoglena frontalis einen Kaumagen, den Mastax. Seine charakteristischen Grundbestandteile (unpaares Fulcrum Fu, jeweils paarige Rami Ra, Manubrien Ma und Unci Un) treten bei den Männchen wie auch bei den Weibchen auf. Dies zeigt die folgende Abbildung von Kauerquetschpräparaten: A stammt von einem amiktischen Weibchen, B von einem Männchen. Die Lage der Mastaxhartteile in den beiden Teilabbildungen ist nicht ganz identisch, so dass es nicht möglich ist, die Feinstrukturen im Detail zu vergleichen. Denkbar ist, dass die Zahl der feinen Uncuszähnchen beim Männchen gegenüber den Weibchengenerationen reduziert ist:
Im stärker gepressten Männchen zeigt sich bei höherer Vergrößerung deutlich der rundliche Hoden, der von Spermien (Sp) und an seinem zum Vas deferens weisenden Ausgang von Nadelstrukturen (Ns) erfüllt ist. In dieser Region liegen auch akzessorische Genitaldrüsen (aD). Der Pfeil verweist auf einen fadenförmigen Fortsatz der lang-elliptischen Spermien, die sich im lebenden Zustand in rascher Bewegung befanden:
Zum Abschluss richten wir den Blick noch auf Details bei einem miktischen Weibchen mit Latenzei. In der durchscheinenden Leibeshöhle sind Mastax (Mx), Magen (Ma) und Magendrüsen (Md) gut zu beobachten. Das Latenzei trägt ausgeprägte dreieckige Fortsätze, ist erfüllt mit lichtbrechenden Granula und zeigt in seinem Inneren mehrere Zellkerne (Pfeile). Es ist daher zu vermuten, dass das Latenzei als Dauerstadium in seiner Entwicklung nicht gänzlich bis zu einer späteren Wachstumsperiode der Population in folgenden Frühjahren arretiert ist, sondern dass erste Kernteilungen und Furchungen schon unmittelbar nach der Befruchtung stattfinden:
Beste Grüße
Ole
Ein glücklicher Planktonzug - das Rädertier Rhinoglena frontalis
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Ein glücklicher Planktonzug - das Rädertier Rhinoglena frontalis
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Re: Ein glücklicher Planktonzug - das Rädertier Rhinoglena frontalis
Hallo Ole,
vielen Dank für die ausführlichen Information und wie nicht anders gewohnt von Dir, mit hervorragenden Bildern dokumentiert. Dieses Jahr scheint wirklich das Jahr der Rädertiere zu sein. In einem meiner Lieblings-Weiher (Hemminger Handweiser), wahren in den letzten Wochen, massenhaft Rädertiere verschiedenster Gattungen zu finden. Fotografiert ja, aber so toll wie Du dokumentiert...
Es ist und bleibt spannend!
Mit herzlichen Grüßen,
Michael
vielen Dank für die ausführlichen Information und wie nicht anders gewohnt von Dir, mit hervorragenden Bildern dokumentiert. Dieses Jahr scheint wirklich das Jahr der Rädertiere zu sein. In einem meiner Lieblings-Weiher (Hemminger Handweiser), wahren in den letzten Wochen, massenhaft Rädertiere verschiedenster Gattungen zu finden. Fotografiert ja, aber so toll wie Du dokumentiert...
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Re: Ein glücklicher Planktonzug - das Rädertier Rhinoglena frontalis
Hallo Ole,
ich bin fasziniert von den Details Deiner Aufnahmen, es ist alles so deutlich und scharf. Wahnsinn!
Gruß
Werner
ich bin fasziniert von den Details Deiner Aufnahmen, es ist alles so deutlich und scharf. Wahnsinn!
Gruß
Werner