Strudelwurm Stenostomum leucops

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Michael
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Strudelwurm Stenostomum leucops

#1 Beitrag von Michael » 3. November 2016, 15:59

Hallo liebe Freunde des Tümpels,

Stenostomum leucops ist der häufigste Strudelwurm in unseren Gewässern und ist deshalb wohl jedem von Euch bereits einmal untergekommen. Da die flinken, lichtscheuen Tiere nicht sonderlich leicht zu mikroskopieren sind, könnte ich mir vorstellen, dass viele von Euch – ebenso wie ich – auf Anhieb nicht viel vom Aufbau der Tiere erkannt haben und ihm auch nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Deshalb möchte ich heute diese interessanten Tiere näher vorstellen.

Bild
Bild 1: S. leucops; A: dorsal; B: lateral; PL25
A: „Augen“; D: Darm; Dd: Darmdrüsen; hG: Gerhirnhinterlappen; vG: Gehirnvorderlappen; P: Pharynx; pD: Pharynxdrüsen; Wg: Wimperngrube


S. leucops mit seinen ca. 500 µm Länge ist mikroskopisch leicht an den auffälligen Drüsenpaketen (Dd) in der Darmwand und den beidseitigen Wimperngruben am Kopf zu erkennen. Da das drehrunde, weiche Tier durch ein Festlegen mit dem Deckglas stark deformiert wird, habe ich (mit dem entsprechenden Ausschuss) versucht, es möglichst frei beweglich zu fotografieren.
Das große Gehirn gliedert sich in zwei stark gefurchte Vorderlappen (vG), die in direkter Verbindung mit den Wimperngruben (Wg) stehen, und in zwei glatte Hinterlappen (hG), deren hintere Ausläufer je eine auffällige, unpigmentierte Struktur tragen, die an „Augen“ (A) erinnern. Ob diese „Augen“ die Funktion eines Photorezeptors besitzen, ist noch nicht vollständig geklärt. Auch bei den Wimperngruben wird, zusätzlich zu ihrer Funktion als Chemo-Rezeptor, eine Lichtempfindlichkeit vermutet.
Der Mund liegt ventral in der Mitte des Tiers und mündet in einen einfachen Pharynx (P), mit dem die Nahrung eingesaugt wird. Von hier gelangt die Nahrung in den großen Darm ohne After, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet. Die Nahrungsreste werden nach dem Verdauen wieder durch den Mund ausgestoßen. In den Pharynx münden große Speicheldrüsen (pD).

Bild
Bild 2: S. leucops; A: Hautzellen mit Rhabditen; B: ausgestoßenen Rhabditen; C: Muskelaufbau im polarisierten Licht

Die äußere Hülle des Tieres besteht aus mehreren Schichten. Alle Epidermiszellen sind bewimpert. Diese Bewimperung dient der Fortbewegung des Tieres und kann, da sie doppelbrechend ist, gut im polarisierten Licht beobachtet werden (Bild 2C, blauer Saum). Die Epidermiszellen enthalten viele quellbare, stäbchenförmige Strukturen (Rhabditen) (Bild 2A), die bei Gefahr klebrige Schleimfäden ausstoßen (Bild 2B). Unterhalb der Hautzellen liegt je eine Schicht Längs- und Ringmuskeln (Bild 2C, blau), mit denen die Körperbewegung und die Steuerung der Fortbewegung erfolgt.

Bild
Bild 3: S. leucops; A: Tierkette im Frühstadium; B: Spätstadium; C: Detail der Verbindung; D: getrennte Tiere

Fortpflanzungsorgane wurden in S. leucops sehr selten beobachtet. Möglicherweise lag den Beobachtungen eine Verwechslung mit den Speicheldrüsen zugrunde. Zweifellos ist die Querteilung der Tiere der bei weitem häufigste (wenn nicht einzige) Fortpflanzungsmechanismus. Dabei schnüren sich die ausgewachsenen Tiere etwa in der Mitte ein (Bild3A). Im Frühstadium sind noch keine Organe des Tochtertieres zu erkennen. Diese werden im Laufe der Zeit ausgebildet, bis zwei vollständig entwickelte Tiere vorliegen, die lediglich über eine schmale Brücke verbunden sind (Bild 3B). Der Darm des Muttertieres endet dann im Pharynx des Tochtertieres, so dass die Ernährung weiterhin über das Muttertier erfolgt. Außer Darm ist auch noch der Nephridien-Sammelkanal gemeinsam. (Bild 3B, 3C). Irgendwann trennen sich dann die beiden Einzeltiere (hier induziert durch den wachsenden Deckglasdruck) (Bild 3D).

Bild
Bild 4: S. leucops; Sammelkanal der Protonephridien

Die Ausscheidungsorgane bestehen aus einem System von Protonephridien, die in einen gemeinsamen Sammelkanal münden, der sich am Hinterenden des Tieres ins Freie entleert (Bild 4). Dieser unpaare Kanal ist ein einzigartiges Merkmal der Ordnung der Cantenulidae, zu der S. leucops gehört und ist mikroskopisch sehr schwer zu entdecken.

Ich hoffe, Euch ein wenig Lust auf Strudelwürmer gemacht zu haben.

Viele Grüße

Michael
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Monsti
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Re: Strudelwurm Stenostomum leucops

#2 Beitrag von Monsti » 3. November 2016, 22:19

Hallo Michael,

zumindest mir sind die Strudelwürmer tatsächlich ein großes Rätsel. Das von Dir gezeigte Tier habe ich in der Tat schon oft gesehen. Vielen Dank, dass Du ein wenig Licht ins Dunkle gebracht hast! Und ja, diese Viecher weichen dem Licht des Mikroskops sehr konsequent aus, was mich stets wunderte und mich fragen ließ, welches Organ für die auffällige Lichtempfindlichkeit zuständig ist.

Viele Grüße
Angie
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Michael
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Re: Strudelwurm Stenostomum leucops

#3 Beitrag von Michael » 5. November 2016, 19:20

Hallo Angie,

die Lichtempfindlichkeit steht außer Frage, wenn man bedenkt wie schnell die Tiere aus dem Gesichtsfeld fliehen. Soweit ich gelesen habe, ist noch ungeklärt, welches Organ dafür verantwortlich ist.
Die "Augen" sind unpigmentiert und bestehen wohl im wesentlichen aus Lipid-Tröpfchen (siehe Bild):

Bild
S. leucops; "Auge"; PL100

Ohne lichtabsorbierende Pigmente sind "Augen" schwer vorstellbar.

Noch ein schönes Wochenende

Michael
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