Chaetonotus robustus

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MartinKreutz
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Chaetonotus robustus

#1 Beitrag von MartinKreutz » 3. Oktober 2016, 23:47

Liebes Forum,

im Dezember 2004, also vor 12 Jahren, habe ich in Proben aus dem Simmelried zwei Exemplare des Gastrotrichen Chaetonotus robustus beobachten können. Diese Art habe ich in dem nunmehr 23 jährigen Untersuchungszeitraum des Simmelrieds weder vorher noch nachher gefunden. Es blieb bei den zwei Exemplaren. Damals war ja noch alles analog (zumindest bei mir) und ich habe 14 Fotos von den Funden gemacht, was mir nun, im Zeitalter der Digicams, sehr wenig vorkommt. Zwei dieser Fotos habe ich auch für PM Vol. 3 verwendet.
Angeregt durch die überragenden Beiträge von Ole und Michael zu den Gastrotrichen, habe ich mich entschlossen, die Dias noch mal neu zu scannen und hier zu zeigen. Immerhin ist Chaetonotus robustus mit > 600 µm der größte einheimische Gastrotriche und es liegen nur sehr wenige Fundberichte vor. Bisher ist diese Art nur in Nordamerika und Polen gefunden worden (Schwank, 1990, s. Lit.).

Meine Exemplare waren mit 580 etwas kleiner als die bisher gemessene Maximalgröße von 625 µm, aber noch sehr stattlich. Beide Exemplare fanden sich in der obersten Schlammschicht des Simmelrieds in ca. 1 m Tiefe.

Bild

Das Außergewöhnliche an Chaetonotus robustus ist nicht nur seine Größe, sondern auch die Form der Schuppen. Bei geringer Vergrößerung sieht man erst mal nicht viel davon:

Bild

Betrachtet man sich das Schuppenkleid jedoch mit dem 40 X Objektiv erkennt man becher- oder glockenförmige Strukturen:

BildBild

Man kann die genaue dreidimensionale Form jedoch noch nicht genau erfassen. Erst an abgescherten Schuppen ist diese genauer zu ermitteln:

Bild

Die Schuppen scheinen die Form einer Schöpfkelle zu haben. Sie sind nach meinen Messungen 40 – 44 µm lang, was jedoch von der Position auf der dorsalen Seite von Chaetonotus robustus abhängt. Der untere Teil der „Kelle“ ist glatt und helmförmig. Darauf folgt noch eine Art Kragen, der ein charakteristisches, rechtwinkeliges Rautenmuster aufweist, was man jedoch erst auf den folgenden Bildern mit Ölimmersion gut erkennt. Am oberen Rand dieses „Kragens“ entspringt der ca. 20 µm lange Stachel. Nach Schwank ist dieser bei der amerikanischen Form glatt gestaltet, während er bei der europäischen Form einen Nebenstachel aufweist, den ich in dem rechten folgenden Bild mit einem kleinen Pfeil markiert habe. Interessant ist auch die regelmäßige Anordnung der Schuppen, die ich mit gelben Punkten verdeutlicht habe. Dabei erkennt man auch die sukzessive Verkleinerung der Schuppen zur lateralen Seite hin. Die beiden folgenden Bilder habe ich "gegen den Strich" dargestellt, weil es den Sehgewohnheiten besser entspricht (oben geht es also zum Hinterende):

BildBild

Hier noch ein Bild es Innenlebens. Rechts und links neben dem Darm glaube ich hier das Protonephridium identifiziert zu haben (PN), bin mir aber nicht sicher:

Bild

Nach Schwank sollen die Röhrchen am Hinterende eine Z-förmige Basis haben. Diese „Knick“ am Verlauf der Röhrchen konnte ich bei meinen Exemplaren jedoch nicht nachweisen. Auf den folgenden beiden Fotos habe ich die Positionen, wo dieser Knick erscheinen sollte, mit Pfeilen markiert:

BildBild

Ich hoffe natürlich, diese Art wiederzufinden und sie dann mit verbesserter Technik und etwas mehr Erfahrung genauer untersuchen zu können.

Viel Spass beim anschauen!

Martin

Literatur:

Schwank, P. & Bartsch, I. (1990): Gastrotricha und Nemertini. – Süßwasserfauna von Mitteleuropa, 3/1 + 2: IX + 262 pp.
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Re: Chaetonotus robustus

#2 Beitrag von Michael » 4. Oktober 2016, 11:39

Hallo Martin,

vielen Dank für den tollen Beitrag. Ch. robustus würde ich auch mal gerne finden, auch wenn ich bezweifle, dass ich dann mehr Details erkennen könnte, als auf Deinen Fotos.
Protonephriden sind auf Fotos immer schwer zu erkennen. Selbst "live" fallen sie nur selten duch das Flimmer des Wimperkolbes auf.
Im ersten Bild und dem letzten Doppelbild sind am Enddarm "verdächtige" Strukturen zu erkennen - hast Du vielleicht noch ein Foto, dass die Endregion dieses Tieres vollständig zeigt? Ich weiß nicht, was Ole dazu meint, aber könnte es sich um ein X-Organ handeln?

Vielen Dank für den Beitrag,

Michael

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Re: Chaetonotus robustus

#3 Beitrag von Nostoc » 4. Oktober 2016, 14:59

Hallo Martin,
Du erwähnst in Deinem (einmal mehr wunderbaren !) Beitrag oben Dein Simmelried-Projekt.
Ist irgendwann mit einem neuen "Zwischenbericht" in Buchform zu rechnen ?

Beste Grüße


Richard

MartinKreutz
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Re: Chaetonotus robustus

#4 Beitrag von MartinKreutz » 4. Oktober 2016, 21:42

Hallo zusammen!

@Michael: Ich weiß, was Du meinst. Ich bin ja inwischen auch auf die X-Körper sensibilisiert und die postparthogenetische Phase bei den Gastrotrichen, aber leider habe ich kein weiteres Bild vom Hinterende. Wie gesagt, damals noch alles Dia und 3 der 14 Fotos waren schon Übersichtsaufnahmen. Daher hoffe ich auch auf ein Wiedersehen, um mal ungehemmt drauf zu halten, wie ich es derzeit bei meinen Objekten mache.

@Richard: Leider muss ich Dich enttäuschen, ein update von PM Vol. 3 wird es nicht geben. Damals hat Wilhelm Foissner als Herausgeber fungiert, der nicht nur alles Korrektur gelesen hat, sondern vor allem auch die Druckkosten übernommen hat. Dafür habe ich fast alle Bilder beigesteuert und das Layout gemacht. Foissner ist inzwischen in Rente, was aber nicht heißt, dass er untätig ist. Er verfolgt jedoch derzeit ganz andere Projekte (Ciliaten von Australien, soweit ich weiß). Einen alternativen Herausgeber kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Wenn ich selbst in Rente gehe, was noch etwas dauert, beabsichtige ich jedoch meine umfangreiche Sammlung aufzuarbeiten und ins Netz zu stellen. Ich weiß nur noch nicht, in welcher Form. Das Internet entwickelt sich schnell und biete viele Möglichkeiten!

Euch schönen Abend!

Martin

Ole
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Re: Chaetonotus robustus

#5 Beitrag von Ole » 6. Oktober 2016, 06:50

Hallo Martin,

ein toller Fund mit einer klasse Dokumentation - ich bin schon oft in Deinem Simmelried-Buch an dieser Seite hängen geblieben und habe mich über die Größe dieses Gastrotrichen gewundert. Mehrfach dachte ich, ich hätte in meinen Moorproben endlich auch einmal C. robustus gefunden, bin dann aber doch nie sicher gewesen.

Kannst Du noch etwas zur Bewegungsweise schreiben? Die verdächtigen Gastrotrichen, die ich regelmäßig in geringer Abundanz finde, bewegen sich träge, wirken im Bino bei Auflicht auffallend weißlich-glänzend, bewegen sich etwas hilflos im freien Wasser wenn man sie mit der feinen Nadel ins offene Wasser schiebt und sind unter dem Deckglas sehr vergänglich, d.h. sie lösen sich schnell auf, ohne dass Druck des Deckglases eine Rolle spielt. Kannst Du Dich bei Deinem Exemplar an ein ähnliches Verhalten erinnern?

Vielen Dank und schöne Grüße

Ole

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Re: Chaetonotus robustus

#6 Beitrag von MartinKreutz » 10. Oktober 2016, 19:55

Hallo Ole,

Du stellst Fragen! Nach 12 Jahren kann ich mich nur schwach an den Fund von Chaetonotus robustus erinnern. Aber ich weiß noch, dass mir sofort die ungewöhnliche Größe aufgefallen ist und er sich vergleichsweise langsam durch den Detritus bewegt hat. Eine Deckglasempfindlichkeit oder zu frühes Platzen unter dem Deckglas konnte ich jedoch nicht feststellen. Jedenfalls kam mir dieser Fund spanisch vor und immer wenn es bei mir im Hinterkopf juckt, dass ich hier etwas nicht alltägliches vor mir habe, verfahre ich in gleicher Weise. Ich isoliere die Objekte und schaue sie mir bei höherer Vergrößerung genauer an und quetsche sie dann, bis das 100 X zum Einsatz kommen kann. Dadurch habe ich schnell die besondere Form der Schuppen erkannt. Ich hatte den Schwank damals schon und die Bestimmung ging dann schnell. Sonst sind die Gastrotrichen ein eher hartes Pflaster für mich, aber in diesem Fall schien mir der Fall klar zu sein.

Damals war das Simmelried noch in Vollbesitz seiner unglaublichen Artenvielfalt. Die Proben wimmelten von scheinbar hunderten verschiedener Arten. Ich fürchte, mit dem allgemeinen Artensterben im Simmelried ist auch C. robustus erstmal verschwunden. Ein alternatives Fundgebiet habe ich bisher nicht gefunden, obwohl ich hier in der Umgebung von Konstanz schon jede Pfütze durchsiebt habe.

Martin

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Re: Chaetonotus robustus

#7 Beitrag von Monsti » 12. Oktober 2016, 19:43

Hallo Martin,

ist zwar etwas OT, aber Deine Bemerkung zum Artenschwund im Simmelried kann man wohl auf ganz Mitteleuropa anwenden. Sogar bei uns, im vielerorts noch "sauberen" Tirol ist er mittlerweile spürbar - sowohl bei den Makro- als auch bei den Mikro-Organismen.

Viele Grüße
Angie
Der das Kleine in Ehren hält, ist des Großen umso würdiger. (Sprichwort)

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