Liebe Tümpler-Kollegen,
In der letzten Zeit gab es hier im Forum schöne Vorstellungen von Rädertieren in Text und Bildern. Ich möchte hier ebenfalls beitragen und einen Fund genauer beschreiben, der für mich - obwohl ich schon lange Rädertiere untersuche - einen Neufund bedeutet. Daher habe ich diese Art mikroskopisch auch mal genauer inspiziert. Es handelt sich um das Nagel-Rädertier Microcodon clavus. Die Proben stehen schon seit einigen Wochen auf der Fensterbank (das klassische “Nordfenster”!) und stammen aus einem dänischen Heidetümpel.
M. clavus hat eine charakteristische Gestalt mit einem abgeflachten, scheibenförmigen Räderorgan (“Nagelkopf”), einem leicht buckelförmigen Rumpf und einem langgestreckten Fuß mit unpaarer Zehe (“Nagelspitze”). Wer M. clavus schon einmal gefunden hat, kennt die typische Bewegungsweise dieser Tiere: Entweder hasten sie sprunghaft und schnell schwimmend durch das freie Wasser oder sie stehen, an einem Klebfaden (den ich nie direkt beobachten konnte) geheftet und stetig mit den Wimpern des Räderorgans strudelnd, beinahe bewegungslos auf der Stelle. Nur dann lassen sich sich gut fotografieren. Schon bei schwächerer Vergrößerung kann man die beiden Wimperkreise des Räderorgans (Paracingulum und Paratrochus) gut unterscheiden.
Die beiden folgenden Aufnahmen zeigen ein Exemplar, das durch den Deckglasdruck schon immobilisiert, aber noch nicht zu stark gepresst ist. Die auffallendsten Strukturen sind eine große Eizelle mit hyalinem Kern, der kräftige virgate Kauer mit an der Spitze abgewinkelten Rami, einem langen Fulcrum sowie eine markante Ansammlung roter Pigmente. Diese sind offenbar in der Eizelle lokalisiert bzw. im Keimdotterstock. Die Teilabbildung B zeigt den Keimdotterstock in höherer Vergrößerung. Zu erkennen sind die Eizelle (Ez) mit ihrem Kern (Nu), eine Ansammlung von jungen, noch undifferenzierten Oozyten (Ooz) sowie der Dotterstock mit ingesamt 4 Kernen (nur 2 in der Schärfeebene der Aufnahme).
Hier nun zwei Aufnahmen des Räderorgans eines freibeweglichen, ungepressten Exemplars. Außen verläuft das Paracingulum, innen um die Mundöffnung stehen die Cirren des Paratrochus. Diese können entweder zur Mundöffnung geneigt (A) oder starr abgespreizt werden (B).
M. clavus hat die volle Ausstattung an Tastern, die ein Rädertier haben kann. Neben einem Dorsaltaster (A) treten Lateraltaster (B) und zarte Cilien des Caudaltasters am Ende des Fußes (C) auf.
Wenn man im Netz nach Befunden zu M. clavus sucht, stellt man fest, dass inbesondere der Mastax dieser Art relativ wenig dokumentiert ist. Im Folgenden einige Fotos, die diesen Umstand hoffentlich ein wenig bessern. Man muss sich allerdings klar machen, dass meine Aufnahmen von einem stark gepressten Exemplar stammen, die die Hartteile des Mastax nicht mehr in ihrer räumlichen Anordnung in vivo zeigen. Am stärksten sind die Rami betroffen, die im natürlichen Zustand zur Spitze hin dorsalwärts gebogen sind, im gepressten Präparat aber in die Ebene gedrückt werden. Deutlich unterscheidbar sind das Fulcrum (Fu), die paarigen Rami (Ra) mit ihren dreieckigen, lateralen Alulae, die mehrzähnigen Unci (Un) sowie das reduzierte Manubrium (Ma). In Aufnahme B liegt der Fokus auf den Uncizähnen, von denen ich beiderseits 5 gezählt habe. Für den virgaten Kauer (wie auch bei forcipaten Kauern der Dicranophoriden) ist eine ausgeprägte Querstreifung der Muskular typisch, die das Fulcrum mit den Alulae der Rami verbindet (C). Nicht mehr abgrenzbar sind in den Quetschpräparaten die weniger eindeutig begrenzten, akzessorischen Hartteile des Mastax (“Epipharynx”, “Hypopharynx”).
Viele Grüße
Ole
Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
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Re: Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
Hallo Ole,
mal wieder eine makellose Doku! Ich bin beeindruckt, insbesondere von Deinen Detailfotos von den Caudaltastern und dem Mastax. Aber auch Deine apikalen Ansichten sind sehr gelungen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies ein schwieriges Objekt ist. Was mir auch sehr gefällt, sind Deine detailierten Beschreibungen.
Martin
mal wieder eine makellose Doku! Ich bin beeindruckt, insbesondere von Deinen Detailfotos von den Caudaltastern und dem Mastax. Aber auch Deine apikalen Ansichten sind sehr gelungen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies ein schwieriges Objekt ist. Was mir auch sehr gefällt, sind Deine detailierten Beschreibungen.
Martin
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Re: Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
Hallo Ole,
dem "dänischen Heidetümpel" und dem kenntnisreichen Autor sei Dank, dies ist ein wunderbar detailreicher Beitrag, der jedem Fachmagazin Ehre machen würde !
Neben vielem anderen fand ich die Abbildung des Vitellariums mit der differenzierten Darstellung der Zelltypen besonders aufschlussreich !
Im Voigt/Koste wird wiederholt auf die "auffallende Farbigkeit" der Organe von Microcodon clavus hingewiesen. Die Pharyngealplatten werden dort u.a. als violett (Epipharynx rot bis violett) und das Zerebralauge als purpurrot beschrieben. Bei (leicht) gequetschten Exemplaren anderer Rädertier-Spezies habe ich beobachtet, dass die Farbstoffschicht am Auge gelegentlich zum "Ausbluten" neigt. In der ersten Bildreihe Deines Beitrages (Bild B) sieht es für mich so aus, als läge die rote Struktur außerhalb des Dotterstocks.
Frage: Hast Du die "markante Ansammlung roter Pigmente" bei mehr als einem Exemplar im Keimdotterstock bzw. einer Eizelle beobachtet, oder könnte auch ein Artefakt vorliegen ?
Vielen Dank für dieses großartige Rädertierporträt !
Richard
dem "dänischen Heidetümpel" und dem kenntnisreichen Autor sei Dank, dies ist ein wunderbar detailreicher Beitrag, der jedem Fachmagazin Ehre machen würde !
Neben vielem anderen fand ich die Abbildung des Vitellariums mit der differenzierten Darstellung der Zelltypen besonders aufschlussreich !
Im Voigt/Koste wird wiederholt auf die "auffallende Farbigkeit" der Organe von Microcodon clavus hingewiesen. Die Pharyngealplatten werden dort u.a. als violett (Epipharynx rot bis violett) und das Zerebralauge als purpurrot beschrieben. Bei (leicht) gequetschten Exemplaren anderer Rädertier-Spezies habe ich beobachtet, dass die Farbstoffschicht am Auge gelegentlich zum "Ausbluten" neigt. In der ersten Bildreihe Deines Beitrages (Bild B) sieht es für mich so aus, als läge die rote Struktur außerhalb des Dotterstocks.
Frage: Hast Du die "markante Ansammlung roter Pigmente" bei mehr als einem Exemplar im Keimdotterstock bzw. einer Eizelle beobachtet, oder könnte auch ein Artefakt vorliegen ?
Vielen Dank für dieses großartige Rädertierporträt !
Richard
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Re: Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
Hallo Martin und Richard,
herzlichen Dank für Eure Anerkennung - das freut mich sehr, dass Euch das "Portrait" gefällt.
@Richard: die auffallenden Pigmentansammlungen habe ich bei allen Exemplaren in meiner Probe, die ich genauer untersucht habe, gefunden (ca. 5 Tiere genauer mikroskopiert). Ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen, nicht einmal begründet spekulieren. Zumindest bin ich ziemlich sicher, dass die fraglichen Strukturen im Keimdotterstock bzw. im Ei liegen und keine Einschlüsse der Magendrüsen darstellen, wie ich erst vermutete.
Viele Grüße
Ole
herzlichen Dank für Eure Anerkennung - das freut mich sehr, dass Euch das "Portrait" gefällt.
@Richard: die auffallenden Pigmentansammlungen habe ich bei allen Exemplaren in meiner Probe, die ich genauer untersucht habe, gefunden (ca. 5 Tiere genauer mikroskopiert). Ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen, nicht einmal begründet spekulieren. Zumindest bin ich ziemlich sicher, dass die fraglichen Strukturen im Keimdotterstock bzw. im Ei liegen und keine Einschlüsse der Magendrüsen darstellen, wie ich erst vermutete.
Viele Grüße
Ole
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Re: Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
Hallo Ole,
bei manchen Arten, sind bereits im Ei Pigmentflecken sichtbar, die wohl eine Art Energiereserve für die Larven darstellen (z. B. Colotheca http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=46&t=374). Vielleicht kann man - obwohl ich eine andere Farbe beobachtet hatte - in diese Richtung denken?
Viele Grüße
Michael
bei manchen Arten, sind bereits im Ei Pigmentflecken sichtbar, die wohl eine Art Energiereserve für die Larven darstellen (z. B. Colotheca http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=46&t=374). Vielleicht kann man - obwohl ich eine andere Farbe beobachtet hatte - in diese Richtung denken?
Viele Grüße
Michael
- Monsti
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Re: Das Nagel-Rädertier Microcodon clavus
Hallo Ole,
vielen Dank für Deinen wieder mal lehrbuchreifen Beitrag! Die Fotos vom Kauer finde ich spektakulär.
Ich habe dieses Rädertier bisher auch nur einmal gefunden, und zwar mehrfach im Niedermoor nördlich des Pillersees (St. Adolari):
Die auffallende Farbigkeit wird auch bei diesem, vergleichsweise miesem Foto deutlich.
Viele Grüße
Angie
vielen Dank für Deinen wieder mal lehrbuchreifen Beitrag! Die Fotos vom Kauer finde ich spektakulär.
Ich habe dieses Rädertier bisher auch nur einmal gefunden, und zwar mehrfach im Niedermoor nördlich des Pillersees (St. Adolari):
Die auffallende Farbigkeit wird auch bei diesem, vergleichsweise miesem Foto deutlich.
Viele Grüße
Angie
Der das Kleine in Ehren hält, ist des Großen umso würdiger. (Sprichwort)