Floscularia ringens

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Nostoc
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Floscularia ringens

#1 Beitrag von Nostoc » 13. April 2016, 16:55

Liebe Tümpler und Rädertierfreunde,
in einer meiner aktuellen Tümpel-Proben finden sich Exemplare von Floscularia ringens, einem mit 1000-1900µm Länge recht großen Vertreter der Gattung Flosculariidae. Dieses überwiegend sessil lebende Rädertier ist in reinen Schöpfproben eher selten anzutreffen, da Floscularia als Habitat Blätter von Wasserpflanzen wie Seerosen oder Laichkraut bevorzugt. Wegen der sporadischen Besiedlung in kleinen Kolonien ist es sinnvoll, die Blätter vor Ort mit einer Lupe zu kontrollieren. Meine Probe stammt aus einem Toteiskessel-Tümpel bei Haag in OBB, der eine für diese Gegend ungewöhnlich reiche Zieralgen-Flora (Micrasterias, Closterium, Staurastrum, Cosmarium ….) zeigt. Passend zu diesem Arten-Spektrum liegt der pH-Wert der Wasserprobe bei pH 6,2 , der Leitwert beträgt 60µS. Für die Beobachtung unter dem Mikroskop habe ich die von Floscularia besiedelten Blätter unter dem Stemi mit einem Skalpell in kleine Stücke geschnitten. Das mechanisch weniger schonende Abschaben der Blätter mit einer Rasierklinge veranlasst einen Teil der Rädertiere zum Verlassen der Gehäuse (siehe unten). Das Auflegen des Deckglases ist u.U. ein kleines Geduldspiel, da bei ungünstiger Lage der Floscularia Gehäuse die Aktivität des Radorgans zu einer Rückkopplung mit dem Retraktionsmechanismus führt. Die so zyklisch ausgelösten Retraktionen erschweren naturgemäß die Beobachtung und die Dokumentation. Von den von mir präparierten Exemplaren war nur ca. jedes fünfte im Präparat aktiv, die anderen verblieben dauerhaft in ihren Röhren.

Die erwachsenen Tiere leben in bräunlich bis gelblich gefärbten Gehäusen aus Detritus-Pillen.

Bild

(Floscularia, retrahiertes Exemplar. Die beiden Lateral(ventral)taster ragen aus dem Gehäuse)

Bild

(Floscularia mit ausgeklappter, vierlappiger Korona, im Bild links befindet sich ein leeres Gehäuse)

Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man die Cilienbüschel am Rand des Korona-Lappens.

Bild

Ein bei der Präparation exiliertes Exemplar (lateral) :

Bild

(Ko: vierlappige Korona, Ka: Kauer, Vi: Vitellarium , Ma: Magen, F: Fuß, M: quergestreifte Muskelstränge)

Ein Detailbild des Fußansatzes zeigt neben einem quergestreiften Muskelstrang (M) auch Teile des netzförmigen,
beweglichen, anastomosierenden amöboiden Gewebes (A, gelbe Pfeile)(Koste Band 1. S. 22)

Bild

(Es ist allerdings leicht möglich, im Einzelbild das amöboide Gewebe mit Teilen des ventralen Hauptnervs zu verwechseln)

Das Gehäuse ist nahezu perfekt und lückenlos aus aneinandergeklebten „Pillen“ aufgebaut

Bild

Das Rädertier stellt die „Pillen“ aus eingestrudeltem Detritus in einer mit Cilien ausgelegten Wimperngrube, dem sog Modulus her. Die „Pille“ wird beständig im Modulus in einer Drehbewegung gehalten und mit Detritus beaufschlagt, wobei vermutlich ein Drüsensekret als Klebstoff dient. Die fertige „Pille“ wird mit einer kombinierten Retraktion- und Drehbewegung des Körpers in einer „passenden“ Lücke der Gehäusewand platziert.

Bild

(Wimperngrube mit fertiger „Pille“, La: Labium (Lippe, zurückgeklappt), VT: Ventraltaster, M: Modulus)

Bei Floscularia gibt es männliche und weibliche Tiere. Die Männchen sind deutlich kleiner als die Weibchen und haben einen stark reduzierten Körperbau (Fuß, Radorgan).

Bild

(Floscularia Männchen)
Die letzte Aufnahme entstand unter technisch widrigen Umständen, zeigt aber eine „Rarität“.
Ergänzender Hinweis: Ob wirklich ein Männchen vorliegt, kann man aus obigem Foto nicht herleiten.
Meine Diagnose stützt sich hauptsächlich auf meine Beobachtung.


Beste Grüße

Richard
Zuletzt geändert von Nostoc am 14. April 2016, 11:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Floscularia ringens

#2 Beitrag von Michael » 13. April 2016, 17:47

Hallo Richard,

wunderschön und excellent dokumentiert! Ich habe diese Tiere leider noch nie gefunden.
Dein Beitrag ist ein Ansporn für mich, meine Suche zu intensivieren!

Vielen Dank fürs zeigen

Michael

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Re: Floscularia ringens

#3 Beitrag von Monsti » 13. April 2016, 18:30

Lieber Richard,

dem kann ich mich nur anschließen! Das zweite Bild könnte aus einem Lehrbuch stammen. Auch ich habe diese Tiere noch nie gesehen - nur mal einen Röhrenrest. Aber schon der ist sehenswert.

Die Männchen sind wohl im Frühling häufiger zu beobachten. Die wenigen Kerle haben bei so vielen "Weiberleit" ja mächtig viel zu tun. :wicked_019:

Viele Grüße
Angie
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Re: Floscularia ringens

#4 Beitrag von MartinKreutz » 13. April 2016, 19:45

Hallo Richard,

ein super Beitrag! Sehr schöne Aufnahmen! Besonders das Bild 3 gefällt mir. Sehr schön eingefroren! Ist das mit dem 100X? Auch das Bild mit der "Pillenbildung" ist gut. Ich habe bisher auch nur leere Gehäuse gefunden und keine Lebendbeobachtung gehabt. Männchen habe ich natürlich noch gar nicht gefunden. Nur eine Frage: im vorletzten Bild hast Du den Taster mit DA = Dorsaltaster beschriftet. Ich habe es immer genauso gemacht! Aber Michael Plewka hat mich erst kürzlich darauf hingewiesen, das der Mund von Floscularia "hinter" den großen Koronalappen liegt. Das wäre dann also nicht der Dorsaltaster, sondern der Ventraltaster! Schau mal hier: http://www.plingfactory.de/Science/Atla ... certa.html. Ich habe es erst auch nicht geglaubt, ist aber so!

Martin

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Re: Floscularia ringens

#5 Beitrag von Nostoc » 14. April 2016, 11:38

@ alle: Danke für die freundliche Aufnahme meines Beitrags!
@ Martin: vielen Dank für die Korrektur (wurde oben eingearbeitet), mir ist bei der Beschriftung ein dummer Fehler unterlaufen!
Dumm vor allem deshalb, weil die Orientierung bei F. ringens durch das markant vorgewölbte Labium (Lippe) wesentlich erleichtert
wird und es zusätzlich im Koste (Tafelband S. 199) eine beschriftete Zeichnung gibt.

Zur allgemeinen Erklärung anbei eine Ventralansicht mit den beiden Tastern:

Bild

(K: Korona, L: Labium, SL: Sub-Labium, VT: Ventraltaster, M: Modulus)
(Angabe "links", "rechts" aus der "ventralen Perspektive" des Rädertiers (die tatsächliche Lage des Auges ist ein anderes Thema).)

Teilweise wird für diese seitlich angebrachten „Antennen“ (engl. „antenna“ => DA, LA, VA) auch, wie in meinem ersten Bild oben,
der allgemeine Terminus „Lateral-Taster“ verwendet. Selbst habe ich bei F. ringens nur diese beiden "Lateral-Ventral-Taster" beobachtet.
Koste macht zu deren absoluter Anzahl keine Angaben, die Zeichnungen zeigen aber nur diese beiden recht langen Ventraltaster.

Dankenswerter Weise hast du bereits auf Michael Plewkas großartige "Rädertierseite" (freshwater life) hingewiesen.
Michael zeigt dort Aufnahmen von F. ringens, die zum „hinknienen“ sind !
Wie auch deine Arbeiten, Wissenschaftsfotografie feinster Qualität !

Zu deiner Frage: Bild drei entstand mit einem 25x, beim 100x ist die Brenndauer des Blitzes (ein alter Mecablitz) für ein „Einfrieren“ zu lange.

Richard

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Re: Floscularia ringens

#6 Beitrag von Ole » 14. April 2016, 17:06

Hallo Richard,

super Beitrag, habe ich sehr gerne gelesen. Besonders das zweite Foto spricht mich besonders an, da die Symmetrie des Räderorgans so schön rüberkommt.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir mal versucht haben, diese Tiere für das REM zu präparieren und extreme Schwierigkeiten hatten, gestreckte Exemplare mit ausgebreiteten Lappen der Korona zu fixieren. Blitzschnell zogen sie sich bei jeder Störung zurück in ihre Röhre.

Viele Grüße

Ole

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Re: Floscularia ringens + Larve

#7 Beitrag von Monsti » 20. Juli 2017, 21:45

Hallo zusammen,

da es zu diesem hübschen Tier schon Richards Faden gibt, hänge ich mich mal mit weiteren Fotos und einer Larve von Fl. ringens an:

Zunächst ein Foto im Dunkelfeld:

Bild

Ein räderndes Exemplar:

Bild

Und hier zwei Bilder einer Larve, anhand des Kauers eindeutig Fl. ringens zuzuordnen:

Bild
Bild

Herzliche Grüße
Angie
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