Hallo in die Runde,
vor einiger Zeit hatte ich die Gastrotrichen-Gattung Polymerurus vorgestellt und deren Nominalform P. rhomboides näher gezeigt (https://www.mikroskopie-forum.de/index. ... ic=39847.0). Heute möchte ich die kleine Serie mit der Art
Polymerurus nodicaudus (Voigt, 1901)
weiterführen.
Bild 1: P. nodicaudus; Übersicht
P. nodicaudus besitzt die für die Gattung typische langgestreckte Gestalt, die wir bereits bei P. rhomboides kennen gelernt haben. Auf den ersten Blick ist das ca. 300µm bis 550µm große Tier deshalb leicht mit P. rhomboides zu verwechseln. Anders als die meist etwas kleinere Form, besitzt P. nodicaudus aber nicht das glatte, elegante Schuppenkeleid von P. rhomboides, sondern ist am Rücken vollständig mit feinen Stacheln besetzt, die sich nach hinten leicht verlängern.
Bild 2: P. nodicaudus; links Querschnitt, rechts dorsal
Die Bauchseite ist mit kleinen, kurzbestachelten Schuppen bedeckt.
Bild 3: P. nodicaudus; ventral
Wie immer lohnt es sich, den Mundbereich von Gastrotrichen etwas genauer anzusehen. P. nodicaudus besitzt einen Mundring, der mit einem Ring von Lamellen besetzt ist, die nach innen geklappt die Mundöffnung verkleinern. Bei der Nahrungsaufnahme können die Lamellen aufgeklappt werden um die Mundöffnung für größere Beute zu vergrößern. Hinter dem Mund sitzt eine kutikulare Platte (das sog. Kephalion), die hier mit einer doppelten Spange besetzt ist. Die beiden Wimpernbänder sind direkt am Kephalion durch eine Querreihe von Zilien verbunden.
Bild 4: P. nodicaudus; Mund
Bei den von mir untersuchten Tieren konnte ich - selbst unter optimalen Bedingungen - die dorsalen Basisschuppen bestenfalls erahnen. Nach dem gängigen Bestimmungsschlüssel hätte ich also die Tiere in die Art P. nodifurca einordnen müssen, die P. nodicaudus gleichen soll, aber keine Schuppen, nur schuppenlose Stacheln besitzt. Betrachtet man aber einen Querschnitt durch ein Tier aus meiner Population, sind deutlich die Schuppenquerschnitte zu erkennen.
Bild 5: P. nodicaudus; Querschnitt durch den Kopfbereich mit sichtbaren Schuppenquerschnitten
Die Tiere besitzen also Schnuppen, die in der Draufsicht nicht sichtbar sind (Bild 6, oben links). Selbst nach einer Schuppenopräparation sind die gefärbten Schuppen im Verband nur sehr schwer aufzulösen. Die sehr zarten Schuppen überlappen stark, so dass die Form der Einzelschuppen nicht zu erkennen ist. Erst nach einer Vereinzelung (Bild 6, unten) ist die Schuppenform der Einzelschuppen gut zu erkennen - und siehe da - die Form passt perfekt zu den Literaturangaben für P. nodicaudus. Offensichtlich gibt es bei P. nodicaudus Populationen, deren Schuppen so zart sind, dass sie ohne Schuppenpräparation nicht zu erkennen sind, während andere Populationen dieser weltweit verbreiteten und variablen Art deutliche Schuppen zeigen.
Bild 6: P. nodicaudus; Schuppen; oben links: Hellfeld, ungefärbt; oben recht: Schuppenverband gefärbt; unten: Einzelschuppen
Das Unterscheidungskriterium "Schuppen oder keine Schuppen" zwischen P. nodicaudus und P. nodifurca ist zumindest nicht ausreichen. Sollte P. nodifurca nicht nur ein Synonym von P. nodicaudus sein, so sollten zumindest noch weiter Unterscheidungsmerkmale herausgearbeitet werden (die die Orginalbeschreibung nicht hergibt).
Die typischen Zehenanhänge, die bis zu einem Drittel der Gesamtlänge ausmachen, bestehen aus ca. 20 einzelnen, hohlen und zueinander beweglichen Ringe.
Bild 7: P. nodicaudus; Zehenanhänge nach Schuppenpräparation aber vor Färbung
Bei Bild 7 erkennt man gut die hohlen Einzelringe der Zehenanhänge. Bei der von mir untersuchten Population ist jeder der Ringe an der Ringfurche kurz bestachelt; die Tiere gehören deshalb zur Variante P. nodicaudus var. comatus
P. rhomboides kommt nur in dem sauerstoffarmen, Schwefelwasserstoff-reichen Faulschlamm am Grund stehender Gewässer vor. Setzt man die Tiere in sauerstoffreicheres Wasser um, sterben sie recht schnell ab. Bewahrt man die Faulschlammproben aber licht- und luftdicht (z. B. in Filmdosen) auf, kommen auch nach ca. 6 Wochen lebende Tiere in den Proben vor. Deshalb halte ich P. nodicaudus (und auch die anderen Polymerurus-Arten) für obligate Anaerobier. In den so aufbewahrten Proben findet man außer Polymerurus nahezu keine anderen leben Vielzellen mehr. Lediglich zwei Nematoden-Arten sind in diesen alten, sauerstoffarmen Proben noch aktiv. Mehrzeller werden in einem solchen Lebensraum sehr selten beobachtet und deren Stoffwechsel scheint noch ziemlich unerforscht zu sein. Bei den Polymerurus-Arten fällt auf, dass die Darmzellen (zumindest bei älteren Tieren), dicht mit schwarzen Einschlüssen besetzt sind. Ob diese Einschlüsse dem speziellen Stoffwechsel in diesem sehr extremen Lebensraum geschuldet sind, kann ich nicht sagen.
Bild 8: P. nodicaudus; mit schwarzen Körnchen besetzte Darmzellen
P. nodicaudus legt - wie alle Gastrotrichen - erstaunlich große Eier. Die Eiablage scheint auch entsprechend anstrengend für die Mutter zu sein, so dass die Tiere einige Zeit nach der Eiablage direkt beim Ei eine Ruhepause einlegen, bevor sie wieder ihrer Wege gehen.
Bild 9: P. nodicaudus; Mutter und Ei
Das gezeigte Ei konnte ich über einige Zeit beobachten. Aber auch nach einigen Tagen hatte sich die Eizelle noch nicht geteilt. Möglicherweise handelt es sich hier um ein Dauerei.
Ich hoffe, dieser kleine Ausflug zu den eigenartigen Gastrotrichen der Gattung Polymerurus war für Euch von Interesse. Demnächst werde ich die kleine Reihe mit einem Bericht über den größten limnischen Gastrotrichen - P. serraticaudus fortsetzen.
Viele Grüße
Michael
Die Bauchhärling-Gattung Polymerurus Teil II: Polymerurus nodicaudus
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Die Bauchhärling-Gattung Polymerurus Teil II: Polymerurus nodicaudus
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Re: Die Bauchhärling-Gattung Polymerurus Teil II: Polymerurus nodicaudus
Lieber Michael,
vielen Dank für diese tolle Dokumentation. Ich kann mich nicht erinnern, diese beiden auffälligen Arten oder ihre Eier schon gesehen zu haben. Sie scheinen nicht sehr häufig zu sein, richtig?
Du schreibst für die vorangegangene Art, das sauerstoffarme Sapropel sei ihr Habitat. Das ist interessant, da ich meine Proben vorrangig in der Grundzone am Uferrand nehme. Diese Proben müffeln gerne schon nach ein paar Tagen. Findest Du sie eher am Rand der Gewässer oder in tieferem Gewässer?
Viele Grüße
Thilo
vielen Dank für diese tolle Dokumentation. Ich kann mich nicht erinnern, diese beiden auffälligen Arten oder ihre Eier schon gesehen zu haben. Sie scheinen nicht sehr häufig zu sein, richtig?
Du schreibst für die vorangegangene Art, das sauerstoffarme Sapropel sei ihr Habitat. Das ist interessant, da ich meine Proben vorrangig in der Grundzone am Uferrand nehme. Diese Proben müffeln gerne schon nach ein paar Tagen. Findest Du sie eher am Rand der Gewässer oder in tieferem Gewässer?
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Re: Die Bauchhärling-Gattung Polymerurus Teil II: Polymerurus nodicaudus
Hallo Thilo,
schön dass Du Dich für meine kleinen Freunde interessierst!
Die beiden vorgestellten Arten sind eigentlich recht häufig und weltweit verbreitet, aber sie sind streng an das sauerstoffarme Sapropel gebunden. Ich sammle meine Proben vom Ufer aus, mit einer ca. 1,50 m langen Stange mit einem Glas mit der Öffnung nach unten daran. Den Faulschlamm findet man in Bodensenken nährstoffreicher Gewässer, in denen sich z.B. das Falllaub sammelt. Die Proben "müssen" bereits beim Sammeln kräftig nach faulen Eiern stinken und man sollte sie luft- und lichtdicht - z.B. in Filmdosen - transportieren und lagern.
Das nächste Problem ist dann, die Gastrotrichen aus dem Schlamm zu extrahieren. Dazu kann man die kürzlich vorgestellt "Teebeutel-Methode" versuchen oder auf die harte Tour mit dem Stemi verdünnte Proben mit wenig (!) Schlamm absuchen.
Der Lebensraum Sapropel lohnt sich auch sehr für die Ciliaten!
Weidmannsheil,
Michael
schön dass Du Dich für meine kleinen Freunde interessierst!
Die beiden vorgestellten Arten sind eigentlich recht häufig und weltweit verbreitet, aber sie sind streng an das sauerstoffarme Sapropel gebunden. Ich sammle meine Proben vom Ufer aus, mit einer ca. 1,50 m langen Stange mit einem Glas mit der Öffnung nach unten daran. Den Faulschlamm findet man in Bodensenken nährstoffreicher Gewässer, in denen sich z.B. das Falllaub sammelt. Die Proben "müssen" bereits beim Sammeln kräftig nach faulen Eiern stinken und man sollte sie luft- und lichtdicht - z.B. in Filmdosen - transportieren und lagern.
Das nächste Problem ist dann, die Gastrotrichen aus dem Schlamm zu extrahieren. Dazu kann man die kürzlich vorgestellt "Teebeutel-Methode" versuchen oder auf die harte Tour mit dem Stemi verdünnte Proben mit wenig (!) Schlamm absuchen.
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