der Bauchhärling Lepidochaetus zelinkai (ehemals Chaetonotus zelinkai) ist einer der häufigsten und beeindruckendsten Süsswasser-Gastrotrichen und wurde bereits mehrmals in diesem Forum gezeigt. Einige der weltweit besten Fotos dieses schönen Tieres hat z.B. Michael Plewka bereits von 10 Jahren hier vorgestellt: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6267.0
In meinen Mikroaquarien ist L. zelinkai immer wieder anzutreffen und fühlt sich dort im Allgemeinen so wohl, dass es meist zur Fortpflanzung kommt. Dabei fiel mir immer wieder auf, dass die Eier von L. zelinkai nahezu immer mit einer Detritus-Hülle umgeben sind:

Bild 1: L. Zelinkai; Ei
Vor einiger Zeit habe ich hier bereits die Brutpflege bei dem Bauchhärling Chaetonotus cordiformis vorgestellt ( https://www.mikroskopie-forum.de/index. ... ic=35018.0 ). Auch bei dieser Art wurden die Eier von der Mutter mit einem Detritus-Mantel versehen und ich äußerte bereits in diesem Beitrag den Verdacht, dass bei L. zelinkai ein ähnliche Brutverhalten vorliegen könnte. Jetzt ist es mir endlich gelungen, die Eiablage und die Brutpflege auch von diesem Bauchhärling zu filmen.
Die Ablage des vergleichsweise riesigen Eis ist bei L. zelinkai (und bei den anderen Bauchhärlingen) nur möglich, weil das Ei vor der Eiablage sehr flexibel ist:

Bild 2: L. zelinkai; Eiablage
Das Ei wird durch einen sehr kleinen ventralen/lateralen Oviporus gepresst, der ansonsten mikroskopisch nicht sichtbar ist und der meines Wissens auch elektronenmikroskopisch noch nie nachgewiesen wurde. Symmetrie vorausgesetzt, sollte auch auf der anderen Seite des Tieres eine entsprechende Öffnung bestehen.

Bild 3: L. zelinkai; ventrolateraler Oviporus
Nach der Eiablage beginnt die Mutter sofort Detritusflocken in der Eiumgebung mit ihrem Pharynx aufzunehmen ohne diese in den Darm zu befördern. Diese Flocken werden dann zurück zum Ei gebracht, auf die Hülle gespuckt und dort sorgfältig verteilt bis das gesamte Ei halbkugelförmig mit Detritus bedeckt ist. Möglicherweise soll hierdurch das Ei (chemisch) getarnt werden um Fressfeinde (z.B. Amöben) zu täuschen.

Bild 3: L. zelinkai; Dekoration des Eis mit Detritus; Pfeilspitze weist auf Polkörper
Der gesamte Film (ca. 9 min) kann hier angesehen werden (zum Starten auf das Bild klicken!):

Bild 4: L. zelinkai; Video des Brutverhaltens
Interessant finde ich auch bei ca. 5 min die Bildung des Polkörpers des Eies. Diese kleine Zelle, die während der späteren Embryonalentwicklung aufgelöst wird, entsteht bei einer stark unsymmetrischen Teilung der Eizelle. Dabei wird die erste somatische Zelle des Tieres gebildet. Der Zweck dieser anfänglichen - anscheinend nutzlosen - Teilung ist mir unklar. Ist die Entstehung eines Polkörpers nur durch Meiose erklärbar oder kennt jemand sowas auch bei einer mitotischen Teilung?
L. zelinkai ist bereits der zweite Gastrotrich, bei dem ich eine Brutpflege beobachten konnte. Möglicherweise ist dieses Verhalten bei Gastrotrichen also häufiger als gedacht!
Ich finde dieses Verhaltensmuster bei so kleinen Tieren sehr erstaunlich. Nicht nur, dass das Tier Material aufnimmt und damit das Ei tarnt - das Tier muss auch eine "innere Landkarte" besitzen, um das Ei problemlos wiederzufinden. Ich glaube nicht, dass es bei all unserer "KI-Hybris" möglich wäre, einen Roboter zu bauen, der eine solche Leistung in jeder Umgebung erbringen könnte - schon gar nicht mit einer Größe von 250µm!
Viele Grüße
Michael