Dauerpräparate von monogonaten Rädertieren

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Michael
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Dauerpräparate von monogonaten Rädertieren

#1 Beitrag von Michael » 1. April 2016, 11:14

Hallo in die Runde,

in der Literatur ist allenthalben zu lesen, dass es nicht möglich sei, lebensnahe Dauerpräparate von Rädertieren zu erstellen, da die Tiere beim Fixieren kontrahieren. Deshalb findet man im Netz nur Abbildungen von Dauerpräparate mit kontrahierten Tieren (z.B. [url = http://www.rotifera.hausdernatur.at/Rot ... ontage.jpg]Lepadella ovalis[/url]). Auf der anderen Seite wären Dauerpräparate natürlich ein wertvolles Hilfsmittel, um die anatomischen Details der Tiere zu studieren.
Nachdem ich bei Gastrotrichen mit einer MgCl2-Betäubung Erfolg hatte (siehe http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=25301.0), dachte ich mir, es könne nicht schaden, diese Methode auch bei Rädertieren auszuprobieren. Da die Ergebnisse recht vielversprechend waren, möchte ich hier einen ersten Zwischenbericht geben:

Bild
Bild 1: Lepadella sp., in Formaldehyd-Wasser, Aufnahme direkt nach Einschluss, Stack aus 3 Einzelbilder mit Picolay

Fixieren der Tiere
  • Die Tiere wurden aus einer Probe in eine Uhrglasschale pipettiert.
  • Zu einem Teil Probenwasser wurde ein Teil 2%-MgCl2-Lösung (0,2g MgCl2-Hexahydrat auf 10ml Wasser) zugegeben. In dieser Lösung verblieben die Tiere ca. 5 min. Sie sinken praktisch sofort zu Boden und werden betäubt.
  • Der Überstand wurde abgesaugt und reichlich Frischwasser zugegeben. Nach einigen Minuten expandieren die Tiere wieder. Ich habe die Tiere ca. 30min im Frischwasser gelassen. Die Expansion der Tiere sollte am Stemi verfolgt werden, da die Expansionszeit u.A. von der Größe der Tiere abzuhängen scheint. Leider versterben bereits einige Tiere während der Expansion, so dass diese manchmal nicht vollständig abgeschlossen wird (s. Bild 2)
  • Überstand absaugen und Fixieren mit 4%-Formaldehyd. Die Tiere liegen jetzt expandiert in Formaldehyd.
Bild
Bild 2: Lepadella sp., in Includal A, nicht expandiert, S/W, ca. 2 Tage nach Einschluss


Einschluss der Tiere
Der Einschluss der Tiere macht mir noch am meisten Schwierigkeiten. Die Tiere sind recht empfindlich gegen osmotischen Druck. Deshalb ist ein Entwässern mit Alkohol praktisch unmöglich. Ein Einschluss in ein Kunstharz-Medium klappt deshalb nicht.
Ich habe folgende Einschluss-Medien erfolgreich getestet:
  • Einschluss in Formaldehyd-Wasser: Bei sorgfältiger Durchführung klappt diese Präparation recht gut. Wegen des geringen Brechungsindex ist der Kontrast der nahezu reinen Phasenobjekte ähnlich hoch wie bei der Lebendbeobachtung. Obwohl die Augflecken der Tiere bereits innerhalb weniger Stunden nach dem ihrem Tod verblassen, kann man diese direkt nach dem Einschluss noch gut beobachten, da die Präparate sofort gebrauchsfertig sind. Über die Langzeit-Stabilität der Präparate kann ich nichts genaues sagen. Meine ältesten Präparate sind ca. 10 Monate alt und – bis auf eine fortschreitende Entfärbung – noch in Ordnung. Bei Bedarf kann ich gerne eine genaue Anleitung nachliefern.

    Bild
    Bild 3: Mytilina mucronata, in Formaldehyd-Wasser, ca. 2 Wochen nach Einschluss
  • Einschluss in Glycerin: Diese klassische Einschlussmethode klappt gut und erzeugt Präparate, die Jahrzehnte haltbar sind. Der Nachteil ist, dass die Überführung der Tiere nach Glyzerin recht lange dauert, so dass die Tiere erst Wochen nach ihrem Tod beobachtet werden können – Augflecken u. Ä. sind nicht mehr beobachtbar. Auf eine oft empfohlene, vorherige Entwässerung der Tiere sollte verzichtet werden und gleich von Wasser nach Glyzerin überführt werden. Die Verringerung des Brechungsindexes muss in Kauf genommen werden und erhöht bei ungefärben Tieren eher den Kontrast. Alkohollösliche Färbungen bleiben in Glyzerin nicht erhalten.

    Bild
    Bild 4: Mytilina mucronata, in Glycerin, ca. 2 Wochen nach Einschluss
  • Einschluss in das wasserlösliche Medium nach Apathy (Markenname „Includal A“):
    Recht gute Erfahrungen habe ich mit Includal A gemacht. Die Tiere können direkt aus dem Wasser eingeschlossen werden. Um die richtige Schichtdicke zu erzielen, ist aber etwas Erfahrung nötig. Das Deckglas muss wasserdicht (z. B. mit Nagellack umrandet werden).
    Die meisten Färbungen bleiben erhalten. Der Brechungsindex ist relativ hoch, so dass der Kontrast bei ungefärbten Tieren etwas sinkt und die Brillanz der Farben intensiviert wird. Eine Beobachtung der Augflecken direkt nach dem Einschluss ist möglich.

    Bild
    Bild 5: Mytilina mucronata, in Includal A, ca. 2 Wochen nach Einschluss
Da ich mit den bisher erzielten Ergebnissen noch nicht ganz zufrieden bin, ist dieser Beitrag lediglich ein Zwischenbericht. Ich habe mit auf die Behandlung von monogonaten Rädertieren beschränkt, da ich bei Bdelloidae trotz erster Erfolge noch kein sicher funktionierendes Protokoll ausgearbeitet habe.

Da wohl die meisten von Euch bereits Rädertiere beobachtet haben, wäre es schön, wenn Ihr beurteilen könntet, ob meine Ergebnisse einigermaßen lebensecht sind. Erkennt man – unabhängig von der fotografischen Qualität - Präparationsartefakte (abgesehen von den fehlenden Augflecken)? Wäre eine Artbestimmung bei so fixiertem Material erfolgversprechend? Kann jemand die Art bei der obigen Lepadella eingrenzen?

Ich hoffe, mein Beitrag war einigermaßen anregende und nicht zu langatmig.

Viele Grüße

Michael
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Re: Dauerpräparate von monogonaten Rädertieren

#2 Beitrag von Monsti » 1. April 2016, 13:04

Hallo Michael,

vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Für mich sehen die Tiere durchaus lebensecht aus. Allerdings ist zur Bestimmung fast immer eine nähere Betrachtung der Trophi erforderlich. Die Lepadella ist vermutlich L. rhomboides.

Herzliche Grüße
Angie
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Re: Dauerpräparate von monogonaten Rädertieren

#3 Beitrag von Nostoc » 1. April 2016, 16:55

Hallo Michael,
deinen Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen, da er viele praxisrelevante Aspekte bei der Beobachtung bzw. der Präparation von Rädertieren anschneidet. Besonders habe ich mich hierbei über die genaue Dokumentation der „Kochrezepte“ gefreut !
Bei der Probensichtung unter der Stereolupe (bei mir ebenfalls von PZO) findet man immer wieder „frische“ tote Exemplare, die Deinen Dauerpräparaten nach meinem Eindruck stark ähneln. Insofern gehe ich davon aus, dass Deine Einbettungsmethode „schonend“ ist. In der Literatur (z.B. Koste, „Rotatoria“) werden als geeignetes Einbettungsmedium lediglich Glycerol bzw. Glycerol-Gelatine genannt, deine weitergehenden Versuche mit anderen Medien sind deshalb besonders interessant. Koste äußert sich allerdings hinsichtlich der Artefakte bei „nicht-lorikaten Arten“ skeptisch.
Die Wahl von Magnesiumchlorid als „Narkosemittel“ hat aus meiner Sicht u.a. den Vorteil, dass es leicht zu Beschaffen und „ungiftig“ ist. Für die meisten anderen empfohlenen Substanzen wie Metallsalze (Nickel, Cobalt) , Lokalanästhetica (Cocain, Lidocain, MS 222) oder Alkaloide wie Strychnin gilt dies nicht.
Frage: Hast du schon einmal die von Koste vorgeschlagene CO2 „Narkose-Methode“ ausprobiert ?
(„Die Tiere ersticken zwar, doch bleiben viele Individuen bei dieser Methode gestreckt und eignen sich zur Untersuchung feiner morphologischer und anatomischer Einzelheiten sehr gut.“)

Beste Grüße

Richard

Michael
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Re: Dauerpräparate von monogonaten Rädertieren

#4 Beitrag von Michael » 2. April 2016, 10:13

Hallo Angie und Richard,
es freut mich, dass mein Beitrag von Interesse für Euch war und Ihr die Präparationen als einigermaßen gelungen einschätzt.

@Angie:
Vielen Dank für Deine Bestimmungshilfe. L. rhomboides müsste, glaube ich, einen etwas rautenförmigeren Panzer haben. Ich hätte mehr in Richtung L. patella oder L. ovalis gedacht. Vielleicht hilft ja eine (wenn auch schlechte) Seitenansicht:

Bild

Die Trophi sind in Bild 2 relativ gut zu erkennen. Wenn es hilft, kann ich gerne Detailaufnahmen nachliefern - schließlich handelt es sich ja um ein Dauerpräparat.

@Richard:
CO2 habe ich anfangs - allerdings an Bdelloidae und nicht sehr professionell mit Mineralwasser - ausprobiert. Die Tiere sterben expandiert aber sehr verdreht und damit praktisch nicht mehr in ihrer Gestalt zu erkennen. Für Detailstudien mag diese Methode brauchbar sein. Vielleicht ist es das, was Koste mit Artefakten bei "nicht-lorikalen Arten" meinte.
Mit allen von Dir aufgeführten Narkotica versucht man, die Tiere vor der Kontraktion zu betäuben um dann im geeigneten Moment zu fixieren. Dabei bleibt oft nur ein sehr kurzes Zeitfenster von wenigen Sekunden (lt. Gray: The Microtomist's Formulary and Guide) für die Fixierung.
Mit MgCl2 geht man einen anderen Weg: Nach Zugabe von MgCl2 kontrahieren die Tiere und werden betäubt. Nach dem Umsetzen in Frischwasser erwachen die Tiere wieder sehr langsam und man kann dann die ideale Expansion für die Fixierung abwarten. Das Tier ist zu diesem Zeitpunkt noch am Leben, aber noch zu geschädigt, um mit Kontraktion zu reagieren.
MgCl2 ist als Lebensmittelzusatz zugelassen und ist - so hoffe ich doch - in der Tat ungiftig und leicht und billig über Ebay zu besorgen. Das sind für einen Amateur durchaus wichtige Eigenschaften :wicked_002:

Viele Grüße

Michael

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