Formaldehyd-Lösung zur Konservierung von Wasserproben

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Nostoc
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Formaldehyd-Lösung zur Konservierung von Wasserproben

#1 Beitrag von Nostoc » 10. Dezember 2015, 11:48

Liebe Tümpler,
Wasserproben sind wenig "stabil" und erfahren oft schon beim Transport innerhalb weniger Stunden Änderungen des ursprünglichen Artenspektrums.
Längerfristig werden auch vergleichsweise robuste Lebensformen wie z.B. Zieralgen von zahlreichen hungrigen Mäulern vertilgt und verschwinden zusehends aus den Proben.

Bild

(„Mageninhalt“ von Tetrasiphon hydrocora, ein auf den Verzehr von Zieralgen spezialisiertes Rädertier. (T) Tetmemorus granulatus (S) Subitanei, Bild oben)

Eine sehr schöne Zusammenstellung zum Thema Desmidiaceen in der Nahrungskette findet sich hier : http://www.desmids.nl/info/food_source/ ... dweb.html.

Das Problem ist nicht neu, wird aber durch das flächendeckende Biotopsterben zusätzlich verschärft, da sich „gute“ Wasserproben heute meist nicht mehr in der unmittelbaren Wohnumgebung entnehmen lassen. Der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Probenbeschaffung kollidiert mit der teilweise kurzen „Haltbarkeit“, Zweifelsfragen lassen sich mangels frischen Materials allenfalls kurzfristig abklären.
In der Literatur (z.B. Romeis, Mikroskopische Technik) finden sich vielfältige Rezepturen von Fixierungs- und Aufbewahrungsflüssigkeiten für biologische Materialproben. Viele enthalten „starke“ Gifte wie z.B. Quecksilberverbindungen und sind deshalb trotz ihrer gut dokumentierten Wirksamkeit aus heutiger Sicht „obsolet“ oder „unpraktisch“. Werden derartige Substanzen z.B. im Reisgepäck oder auf dem Postweg freigesetzt, ist eine erhebliche Gefährdung Dritter bzw. der Umwelt nicht ausgeschlossen.
Konkrete Hinweise zur Konservierung von Wasserproben sind leider rar. Im „Wassertropfen“ (12te Auflage 2010, S. 23) werden „Formol“ bzw. Lugolsche Lösung empfohlen. Formaldehyd (35% Lösung) ist zwar ebenfalls eine sehr problematische Substanz, gilt aber in der Verdünnung 1:4 als das „geeignetste“ Fixierungsmittel, in dem die „Objekte beliebig lange aufbewahrt werden können“.

Zwei Monaten nach Formaldehydzusatz(1:4) zu einer Probe aus dem Sima-Moor ergab sich folgendes Bild :

Bild
(Nebela Schale, gut konserviert, Bild oben)

Bild
(Moorkugel, stark verändert, Bild oben)

Bild
(Chroococcus, sehr gut erhalten, Bild oben)

Bild
(Micrasterias truncata, Bild oben)

Bild
(Cosmarium pyramidatum, Zellinhalt stark geschrumpft, Bild oben)

Bild
(Euastrum oblongum, Bild oben)

Bild
(Micrasterias rotata, Bild oben)

Es fällt auf, dass einige Formen stärker durch den Zusatz des Konservierungsmittels verändert werden als andere, das „saftige“ Grün des Chlorophylls (Chloroplasten) geht aber bei allen Algen deutlich zurück. Dies mag auf den Methanolzusatz (bis 15% , Polymerisationsschutz, Paraformaldehydbildung) oder den pH-Wert der Formalin-Lösung zurückzuführen sein. Will man „ästhetische“, „naturnahe“ Algenbilder anfertigen, dann ist man mit nichtkonserviertem Frischmaterial sicherlich besser bedient. Aber bei der Taxonomie kommt es, wie die Bleistift-Zeichnungen in den traditionellen Bestimmungswerken zeigen, oft mehr auf die Zellwand und ihre Strukturen an. Meinen ersten, persönlichen Eindruck würde ich deshalb mit „unschön“ aber durchaus „verwertbar“ zusammenfassen. Bei nächster Gelegenheit werde ich die „ungiftigere“ Lugolsche Lösung auf ihre Eignung zur Konservierung von Algenproben testen.


Beste Grüße


Richard
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ErnstH

Re: Formaldehyd-Lösung zur Konservierung von Wasserproben

#2 Beitrag von ErnstH » 10. Dezember 2015, 21:33

Hallo Richard,
es wundert mich, daß hier gerade Desmidiaceen als konservierungsbedürftig genannt werden. Ich habe schon oft Moorproben im Filmdöschen erst nach mehreren Tagen Transport untersucht und die D. gut befunden. Viele halten sich sogar monatelang!

Nostoc
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Re: Formaldehyd-Lösung zur Konservierung von Wasserproben

#3 Beitrag von Nostoc » 11. Dezember 2015, 09:51

Hallo Ernst,
folgender Beitrag beruht z.B. auf ursprünglich „identischem“ Probenmaterial:
http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... p=306#p306
Ich habe diese relativ artenarme Probe unmittelbar nach dem Transport (8.11.2015) unter der Stereolupe grob durchgemustert und dabei neben den beiden von Angie dokumentierten Algen noch ein drittes, größeres Closterium (vermutlich C. striolatum) vorgefunden. Als ich die Probe einen Monat später genauer untersucht habe, war das winzige, sichelförmige Closterium (Closterium dianae (?) in Angies Beitrag) bis auf wenige rudimentäre Fragmente aus der Probe verschwunden. In einem konservierten Rückstellmuster hätte sich fragliche Alge unschwer auffinden lassen.
Da Fotos selten retroperspektiv betrachtet alle taxonomisch relevanten Details zeigen, wäre es aus meiner Sicht wünschenswert, auch bei Algen auf konservierte Belegexemplare zurückzugreifen. Leider lassen sich nicht alle Wasserbewohner so gut wie z.B. Kieselalgen präparieren und eine Sammlung lebender Algenkulturen wäre mit einem viel zu großen Aufwand verbunden.


Mit freundlichem Gruß

Richard

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Re: Formaldehyd-Lösung zur Konservierung von Wasserproben

#4 Beitrag von Monsti » 13. Dezember 2015, 21:59

Lieber Richard,

eine Konservierung lohnt vor allem bei der Taxonomie. Und natürlich ist die Probe nach der Konservierung auch frei von allerlei verfressenen Viechern. Das ist schon mal ein großer Vorteil. ABER:

So riesig ist der Aufwand lebender Algenkulturen nicht. Ich habe hier fast drei Jahre alte Proben, die immer noch intakt, d.h. voller Leben sind. Auch meine Schwemm-Proben (August 2015) sind noch vollkommen in Ordnung. Richtig gelagert und öfters überprüft, vermehren sich die Zieralgen in der Probe genauso schnell, wie sie von Amöben und Würmern gefressen werden. Ideal ist es tatsächlich, wenn man es schafft, eine Art Mini-Biotop zu schaffen, das sich selbst erhält. Leider klappt das nicht nach Rezept.

Für taxonomische Zwecke gibt es im Präparat auch die Möglichkeit, Desmidiaceen in kürzerster Zeit vom Chlorophyll zu befreien. Michael Plewka hatte es vorletztes Jahr während des Pillerseetreffens gezeigt. Die Zellen sind im Nullkommanichts leer. Welche Chemikalie er dafür verwendet hat, müsstest Du bei ihm erfragen.

Viele Grüße
Angie
Der das Kleine in Ehren hält, ist des Großen umso würdiger. (Sprichwort)

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