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Beitrag
von paramecium » 30. Dezember 2016, 23:01
Hallo Angie,
das hier ist ein etwas älterer Thread, aber ich habe eben erst Muße, mich mal durchs Forum zu lesen. Daher eine verspätete Reaktion. Entschuldige, wenn die Antwort erst verzögert kommt. Ich meine aber, dass bei Foren wie diesem der Genuss und eine neue Einsicht auch später geäußert werden dürfen oder sollten. Ich hoffe, Ihr seht das auch so.
Zum Thema:
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die Dein Experiment nicht realistisch erscheinen lassen.
Ich habe vor längerer Zeit einmal Vergleichsaufnahmen mit zwei Objektiven der gleichen Vergrößerung gemacht, weil mich interessierte, was dabei heraus kommt. Ich hatte mit meinem neuen Zeiss AxioLab damals einen kompletten Satz nagelneuer N-Achroplan Phasenkontrastobjektive erworben, die ich auch heute für sehr gute Optiken halte. Später erwarb ich zusätzlich zu dem vorhandenen N-Achroplan 40/0.65 Ph2 ein älteres, gebrauchtes Plan-Neofluar 40/0.75 Ph2. Nachdem ich mich nicht entscheiden konnte, welches das richtige ist, erstellte ich Vergleichsaufnahmen von dem kleinen Ciliaten Acineria uncinata im Phasenkontrast. Heraus kam, was man eigentlich erwarten würde: Der Kontrast des schwächer auflösenden N-Achroplans erschien härter und zunächst überzeugender. Das ältere Neofluar mit der höheren Apertur zeichnete nach eingehender Beschäftigung mit den Bildern Cilien und Details jedoch feiner und detailreicher. Im Okular meinte man zu sehen, dass ein gewisser Verlust an Kontrast im Neofluar entsteht. Der Kontrast erschien weniger hart als bei dem N-Achroplan der gleichen Vergrößerung. Der Detailreichtum des Neofluar war lediglich "gewöhnungsbedürftig". Die Vergrößerung des N-Achroplan wich zudem weniger von dem erwarteten Wert ab, das ältere Neofluar hatte eine größere Abweichung der Nachvergrößerung. Ich spreche von einer Serienstreuung von weniger als 1-3%. Also ist das nur Jammern auf hohem Niveau. Zeiss beherrscht das Thema Qualitätssicherung in den letzten Jahren halt immer besser, egal wo die Optiken gefertigt werden. Wenn Du heute ein Objektiv kaufst, kannst darauf wetten, dass die angegebene Vergrößerung passt, bis auf die erste Nachkommstelle. Punkt.
Bei älteren Objektiven ist das nicht so. Auch ältere Optiken für Zeiss Standard Junior & Co., von denen ich einige in der Bucht erwarb, habe ich nachgemessen und spaßeshalber Fotos erstellt. Alle waren irgendwie brauchbare, gute Optiken, aber der Abbildungsmaßstab konnte bereits um bis zu 7-10% streuen. Mit anderen Worten, die Serien-Streuung betagter Optiken alleine kann schon dafür sorgen, dass ein 16x Objektiv einen recht ähnlichen Abbildungsmassstab aufweist, wie ein 25x Objektiv. Das ist heute ganz anders.
Was habe ich gefunden? Ich habe den geringeren Kontrast des höher auflösenden Objektivs zunächst für einen Nachteil empfunden. Dabei jedoch einen entscheidenden Fehler in der Bewertung der Objektive gemacht.
Kontrast und Schärfe sind zwei subjektive Größen, die bei der Mikrofotografie besonders sensibel sind.
Die zwei wichtigen Kenngrößen für eine optimale Anpassung der Kamera an das Mikroskop sind (1) das Sampling Theorem und (2) das Sampling Theorem.
Warum? Man kann es nicht oft genug sagen.
Beispiel: Eine erfahrene Biologin klagte über fehlende Abbildungsschärfe bei der Fotografie der Ciliaten, die sie beobachten wollten. Die Aufnahmen zeigten die Wimpernfelder nicht so wie gesehen. Das Mikroskop: Ein Zeiss Axiostar bestückt mit Plan Neofluaren und DIC Ausrüstung. Ein Gerät vom feinsten, kann ich nur sagen. Die Ergebnisse jedoch bescheiden. Der Grund: Der Kameraadapter hatte eine Nachvergrößerung von 0.5x, da die angebrachte CCD Kamera nur 5 (Farb-) Megapixel aufwies. Die Adaption geschah nach Maßgabe das Gesichtsfeld des Okulars vollständig großzügig abzubilden, nicht jedoch die optimale Bildschärfe zu erreichen.
Die Theorie sagt, dass eine digitale Kamera so anzupassen ist, dass das theoretische Auflösungsvermögen auf (mindestens) 2 Pixel abgebildet werden muss. Das ist im Zweifel mit einem Objektmikrometer nach zu messen.
Bei Kameraadaptionen beliebiger Kompaktkameras oder Mobiltelefone kann das beliebig aufwendig sein.
Für ein iPhone an einem Mikroskopokular findet man beispielsweise experimentell, dass das Okular mindestens 15-20x vergrößern sollte. Andernfalls wird man feststellen, dass die Feinstruktur der beliebten Kieselalgen im Foto nicht erscheinen werden, die man im Okular noch gesehen hat. Das verblüfft bei solch einem einfachen Experiment, denn mit dem Kameraadapter und der DSLR wurden die Details tatsächlich noch scharf abgebildet, während das iPhone am 10x Okular keine Details mehr zeigte.
Da die Digitalkamera insbesondere auch Menschen hilft, nicht Gesehenes mit Computerhilfe sichtbar zu machen, ist das Einhalten des Sampling Theorems die wohl wichtigste Bedingung, welche einzuhalten ist, bevor man Aufnahmen mit unterschiedlichen Optiken vergleichen möchte.
Das 40/0.75 Objektiv ist inzwischen zu meinem Arbeitspferd geworden, da es Details zeigt, welche es aufgrund der korrekten Anpassung meines Kameraadapters auch in der Fotografie wiedergibt. Im Zweifel mindestens so, wie ich meinte es Gesehen zu haben. Und es macht die meisten Untersuchungen mit Immersion überflüssig. Das packt selbst mein 63/0.85 N-Achroplan nicht mehr, welches nur in Ausnahmesituationen zum Einsatz kommt.
Viele Grüße
Thilo