Die Gattung Micrasterias

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Monsti
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Die Gattung Micrasterias

#1 Beitrag von Monsti » 26. Februar 2021, 21:57

Liebe Desmidiaceen-Freunde,

die schönsten Spezies unter den Desmidiaceen findet man bei der Gattung Micrasterias. Die wenigen Arten Mitteleuropas sind auch nicht allzu schwer zu identifizierten. In den Mooren unseres Tiroler Bezirks Kitzbühel konnte ich bisher nur zwölf verschiedene Arten finden, mit Berücksichtigung der Schwemm im Bezirk Kufstein kommen noch zwei weitere Arten hinzu.

Alle Micrasterias-Arten sind vergleichsweise groß. Sie messen zwischen ca. 60 µm und 300 µm. I.d.R. kommen sie nur in Mooren oder oligotrophen Kleingewässern vor.

Zu den von mir gefundenen Arten:

Micrasterias americana (EHRENBERG) ex RALFS

Länge: 130-150 µm. Umriss: breit elliptisch. Verwechslungsmöglichkeit: Micrasterias crux-melitensis, das jedoch deutlich kleiner ist und auch andere Milieus präferiert. Begleitart mäßig saurer bis saurer Moorschlenken.

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Micrasterias crux-melitensis (EHRENBERG) HASS. ex RALFS

Länge: 90-120 µm. Umriss: breit elliptisch. Begleitart in neutralen bis mäßig sauren Gewässern, ab und zu auch im Plankton.

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Micrasterias apiculata (EHRENBERG) MENEGH. ex RALFS

Länge: 190-250 µm.

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micr.apiculata.schw7.jpg (98.18 KiB) 11093 mal betrachtet

Charakteristisch ist die rundliche bzw. sternförmige Ansammlung von Stacheln beiderseits des Isthmus:

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Re: Die Gattung Micrasterias

#2 Beitrag von SNoK » 26. Februar 2021, 23:12

Schöne Bilder. ich würde auch gerne wenigsten eine Art mal finden, aber hier gibt es keine richtigen Moore, Mist!

Stephan
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Re: Die Gattung Micrasterias

#3 Beitrag von Monsti » 27. Februar 2021, 16:46

Es geht weiter:

Micrasterias denticulata BREB. ex RALFS

Länge: 200-280 µm, breit oval, nur seichte und geschlossene Einkerbungen. Häufige Art mooriger Gewässer. Verwechlungsmöglichkeit: Micrasterias thomasiana, s. nachfolgend, das am Zellrand aber kleine Zähnchen aufweist und auch nicht an Moore gebunden ist.

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Micrasterias thomasiana ARCHER

Länge: 200-250 µm, breit oval. Selten in den Uferzonen von mäßig sauren Gewässern.

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Micrasterias papillifera BREB.

Länge: 100-150 µm, fast rund bis breit oval. Häufig in mäßig sauren bis sauren Mooren.

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Re: Die Gattung Micrasterias

#4 Beitrag von Monsti » 1. März 2021, 00:44

Micrasterias rotata (GREV.) RALFS

Länge: 200-300 µm, breit oval bis fast rund. Anpassungsfähige und häufige Art, die nicht an Moore gebunden ist. Kaum zu verwechseln.

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Micrasterias fimbriata RALFS

Länge: 230-260 µm, breit oval bis fast rund, Seiten beiderseits des Isthmus meist deutlich ausgezogen; Zellrand mit Stacheln. Eher selten in mäßig sauren Gewässern, am häufigsten in Zwischenmooren.

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Micrasterias furcata RALFS

Länge: 150-200 µm, breit oval, tiefe Einschnitte. Verwechslungsmöglichkeit reduzierter Exemplare mit M. crux-melitensis, das aber kleiner ist. Sehr selten in mäßig sauren Moorschlenken.

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Re: Die Gattung Micrasterias

#5 Beitrag von Monsti » 2. März 2021, 18:56

Micrasterias jenneri RALFS

Länge: 150-180 µm, länglich elliptisch, leicht olivgrüne Tönung. Vor allem in den Mooren der Voralpen. In Österreich nur in der Schwemm.

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Micrasterias pinnatifida (KÜTZ.) ex RALFS

Länge: 60-73 µm, Zellen wenig breiter als lang. Anpassungsfähige Art, die in unterschiedlichen Stillgewässern vorkommt.

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Micrasterias truncata (CORDA) ex BREB.

Länge: 80-120 µm, breit oval bis kreisrund. Charakterart saurer Hochmoore, als Begleitart auch in Zwischenmooren. Neigt zu Anomalien und Reduktionsformen.

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Micrasterias ralfsii (BREB. ex RALFS) SKALOUD et al.

Länge: 90-120 µm, breit elliptisch bis kreisrund. Azidophile Art, nur gelegentlich in Zwischen- und Hochmooren. Ehem. Cosmarium ralfsii.

micr.ralfsii.pw2.jpg
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Dies sind sämtliche Arten, die ich bislang in unseren alpinen Mooren finden konnte. Viel Freude beim Betrachten!

Herzliche Grüße
Angie
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Re: Die Gattung Micrasterias

#6 Beitrag von Monsti » 2. März 2021, 19:04

Hallo Stephan,
Schöne Bilder. ich würde auch gerne wenigsten eine Art mal finden, aber hier gibt es keine richtigen Moore, Mist!
Dankeschön! :wicked_002: Du benötigst übrigens nicht zwangsläufig "richtige" Moore, um zumindest einen Teil der gezeigten Arten zu finden. Nährstoffarmes und etwas saures Wasser genügt, z.B. eine Hangvernässung oder ein Waldtümpel. Wichtig ist nur, dass in der direkten Umgebung keine Düngung stattfindet.

Liebe Grüße
Angie
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Re: Die Gattung Micrasterias

#7 Beitrag von Monsti » 2. März 2021, 19:20

Zum Abschluss noch zwei weitere Micrasterias-Arten, die in unserer Gegend nicht vorkommen:


Micrasterias radiosa RALFS

Länge: 170-180 µm, im groben Umriss fast rund. Aus Österreich gibt es bisher nur eine einzige Fundangabe. Ich fand diese Art in einem Hangmoor der südlichen Kalkalpen (Provinz Bozen):

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Micrasterias oscitans RALFS

Länge: ca. 150 µm, im groben Umriss elliptisch. Dieses Foto stammt von Rupert Lenzenweger, lt. ihm ist es eine Art saurer Moorschlenken und in Mitteleuropa nur selten anzutreffen. Richard ("nostoc") fand M. oscitans in England.

Micr.oscitans.rupert.jpg
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Re: Die Gattung Micrasterias

#8 Beitrag von paramecium » 3. März 2021, 20:51

Hallo Angie,

Danke für's zeigen. Beim Betrachten beschlich mich unwillkürlich die Frage, ob dies alles Micrasterias Arten sind, vor allem die gerundeten Formen. So hätte ich als Laie Micrasterias jenneri oder Micrasterias ralfsii eher mit Cosmarium oder Euastrum assoziiert. Gibt es hierzu neuere genetische Befunde und was macht die Gattung Micrasterias tatsächlich aus?

Viele Grüße

Thilo

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Re: Die Gattung Micrasterias

#9 Beitrag von Monsti » 4. März 2021, 11:46

Hallo Thilo,

ja, es handelt sich um Micrasterias-Arten. Die DNA-Sequenzierung hat vor einigen Jahren hat gezeigt, dass auch das ehemalige Cosmarium ralfsii zur Gattung Micrasterias gehört --> https://www.researchgate.net/publicatio ... N_PROTISTS

Viele Grüße
Angie
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Re: Die Gattung Micrasterias

#10 Beitrag von paramecium » 8. März 2021, 22:38

Hallo Angie,

das zitierte Paper habe ich genüßlich gelesen, es ist schon 10 Jahre alt.

Ich verfolge schon seit einer Weile das Thema Gen-Sequenzierung. Es führt in manchen Fällen zu interessanten Befunden, dass ähnliche Arten genetisch plötzlich unterschiedlich erscheinen, andere Arten genetisch ähnlich scheinen, obwohl sie morphologisch so unterschiedlich sind.

Barcoding meint einen Teilzweig der Genetik, bei dem man versucht kleine Genabschnitte zwischen gut bekannten Markern mit bekanntem Muster zu betrachten, um die Differenzen der Arten zu beschreiben. Dabei treten auch Fehler bei der Sequenzierung auf, die durch Replikation beim Schritt der PCR (Polymerase Chain Reaction) eingeführt werden, also die Vervielfältigung der DNA zur Anreicherung der DNA vor der eigentlichen Sequenzierung. Dieser Schritt ist notwendig, um ausgehend von Einzelzellen ausreichend Material für eine Sequenzierung zu erhalten. Bei der PCR werden chemische Reaktionen zur Vervielfältigung der DNA genutzt, der Fortpflanzung der DNA in lebenden Zelle nachgeahmt, um das DNA Material zu "amplifizieren". Dabei treten, wie in der lebenden Zelle auch, Replikationsfehler auf, also unerwünschte "Mutationen" des später sequenzierten Erbguts. Zudem haben die verschiedenen Methoden der Sequenzierung von der klassischen Sanger Sequenzierung bis hin zu modernen Methoden, die sich in Short- und Long-Read Methoden aufteilen, und etwa mit Fluoreszenzmarkern oder Nanoporen arbeiten, unterschiedliche Fehlerquellen und Fehlergrößen. Diese Fehlergrößen sind nicht in Stein gemeißelt und werden heute teils mit sehr unterschiedlichen Ansätzen aus der Informatik gelöst, was sie bisweilen schwer vergleichbar macht und im Laufe der Zeit Veränderungen der Bewertung der Genauigkeit der Sequenzierungsmethoden bewirkt. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Die effizienteren, modernen Techniken werden alle immer genauer und die klassische Sanger Sequenzierung ist heute nur noch eine lahme Ente, die auch ihre Fehler besitzt.

Barcoding ist heute die Methode der "Gen-Sequenzierung", wenn es um die Taxonomie und Artbestimmung geht.

Lebende Zellen können Replikationsfehler bis zu einem gewissen Grad kompensieren, quasi heilen, die PCR nicht. Das muss man wissen. Ciliaten bedienen sich dabei auch der sexuellen Fortpflanzung, der Kopulation, bei der durch Austausch von DNA Replikationsfehler wieder kompensiert werden und "nützliches" Erbgut ausgetauscht oder repariert wird im Sinne des Arterhalts. Diesen Mechanismus kennt man bei den Algen meist nicht. Generell muss man also davon ausgehen, das einzelne Zellen ein individuelles und auch zeitlich veränderliches Erbgut besitzen.

Den Bereich der Gensequenzierung von Algen habe ich dabei nur kurz gestreift. Was ich hier mitgenommen habe ist, dass es hier sehr schwer scheint überhaupt einen einheitlichen, genetischen Marker zu finden, den man über alle Gattungen hinweg verwenden kann, um diese abzugrenzen. Grob gesprochen liegt das, soweit ich es verstanden habe, auch daran, dass die Grünalgen sowohl Mitochondrien, als auch Chloroplasten besitzen und auch aus anderen Gründen genetisch anders gestrickt sind, als Tiere. Von daher wäre eine gesunde Skepsis immer angebracht. Da gibt es eine ganze Reihe von Papern, die diesen Konsens unterstreichen.

In der Welt der Ciliaten ist aber auch nicht alles Gold was glänzt. So meint man, dass es hier eher easy going ist. Man verwendet seit Jahren Marker, die bei vielen Gattungen gute Resultate bringen, etwa den ribosomalen 18S oder 28S SSU rDNA Abschnitt (subunit der ribosomalen DNA/RNA), der bei Eukaryoten oft Standard ist. Doch stehe ich hier gerade vor einem interessanten Fall, dass eine Reihe morphologisch gut unterscheidbarer Arten auf diesem genetischen Weg identisch erscheint und mit einer "einzigen" Art identifiziert werden. Die Irritation rührt hier auch von einiger Verwirrung in der frühen Literatur her. Zudem hat man doch auch schon Zweifel gehegt, dass genetische Befunde hier helfen das Artenspektrum mit diesem Genabschnitt darzustellen. Es ist dies kein Einzelfall in der Ciliatenkunde. Längst sucht man bei einigen Gattungen verschiedene Genabschnitte in das Barcoding einzubeziehen, weil solche Probleme immer wieder auftreten. Tendenziell hat man erkannt, dass man bei bestimmten Gattungen nur mit der Erweiterung des "sichtbaren" Genabschnitts weiter kommt. Im Prinzip läuft es wohl darauf hinaus, dass man in Zukunft das gesamte Genom kennen muss, um die Arten wieder sowohl genetisch, als auch morphologisch korrekt einer einzigen Art im Sinne einer Klassifizierung zuzuordnen.

Ich habe irgendwie doch das Gefühl, dass man alleine ausgehend von genetischen Befunden nicht weiterkommt. Die beim Barcoding betrachteten Genabschnitte sind winzig im Vergleich zu dem gesamten Genom. Ein paar Tausend Basenpaare eines Genabschnitts werden stellvertretend für ein Genom herabgezogen, das 100 Milliarden Basenpaare und mehr umfasst. Morphologische und andere biologische Faktoren sind bereits dominant prägend für den Artenbegriff und sein Klassifikationsschema, so dass genetische Befunde entsprechend diskutiert werden, ob sie zu korrigieren wären. In meinem Fall wurde für diese Gattung schon vor einige Jahren der Zweifel geäußert, ob die Idee von einer einzigen Art zutreffend sein kann.

Ich persönlich glaube aufgrund meiner Beobachtung der Literatur und erlebter Vorträge zum Thema, dass man den mikroskopischen und ultra-mikroskopischen Befunde irgendwann sicher wieder mehr Vertrauen schenken mag, genetische Befunde vermutlich ihre wichtige Funktion zur Klassifikation beisteuern aber auch andere Bedeutungen erfahren.

Ist nur so ein Bauchgefühl eines Quereinsteigers in die Bestimmung mit genetischen Mitteln.

Im Grunde kannst Du Deine alten Gensequenzierungen nur immer und immer wieder mit neuen Methoden überprüfen. Bei alten Bäumen hat man wohl schon festgestellt, dass sie Ihr Erbgut bis in die jungen Äste stetig verändern und einzelne Bäume wohl Individuen darstellen. In ähnlicher Weise müssen wir auch Sonneborn's Idee der verschiedenen "Rassen" von Paramecium heute vergessen. Er hatte vermutlich lediglich beobachtet, dass es verschiedene kompatible und inkompatible "Mating Types", also genetisch verschiedene, aber kompatible Heiratskandidaten existieren, die sich zur Paarung eignen, um den Genpool von Paramecium aurelia zu bereichern und zu erhalten. Damit ist eventuell die Idee vom "Artenkomplex Paramecium aurelia" bereits hinfällig. Darauf deuten auch neuere Versuche hin, Konjugationspartner von Wimpertieren zu trennen und anschließend genetisch zu analysieren. Mithin ist dies bei Ciliaten ein probates Mittel um zu prüfen ob man Arten genetisch unterscheiden kann, oder ob es sich um verschiedene genetisch kompatible Sexualpartner derselben Spezies handelt. Eine Methode, die wir auch von höher entwickelten Organismen kennen, um Arten zu unterscheiden.

Viele Grüße

Thilo
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Re: Die Gattung Micrasterias

#11 Beitrag von Monsti » 18. März 2021, 20:36

Hallo Thilo,

Deinen umfangreichen Text habe ich nun mehrfach gelesen. Vielen Dank für Deine Mühe!

Beim einstigen Cosmarium ralfsii war ein Grund für die gentechnische Analyse die Tatsache, dass diese Art eine völlig andere Chloroplastenstruktur als die anderen Cosmarien aufweist. I.d.R. zeigen Cosmarien 1-2 Pyrenoiden je Zellhälfte, diese Art besitzt aber sehr viele. Dies ist vor allem für die Gattung Micrasterias typisch. Vergleiche insbesondere mit M. pinnatifida und M. truncata. M.E. sind die Ähnlichkeiten mit M. ralfsii sehr deutlich.

Noch deutlicher wird es bei Reduktionsformen von M. truncata:

micr.truncata.mm3.jpg
micr.truncata.mm3.jpg (72.66 KiB) 10839 mal betrachtet

Ich denke, künftig hat neben Genanalysen weiterhin auch die morphologische Betrachtung ihren Platz, bezüglich der Mikrofauna genauso wie bei der Mikroflora.

Viele Grüße
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