Cosmarium tyrolicum/insamii

Joch- und Zieralgen sowie Fädchengrünalgen
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Monsti
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Cosmarium tyrolicum/insamii

#1 Beitrag von Monsti » 4. April 2016, 18:23

Liebe Desmidiaceenfreunde,

da glaubt man, nach unzähligen Probennahmen in einem Moor schon alles gesehen zu haben und wird dennoch immer wieder von neuem überrascht. Heute war ich wieder im Pillerseemoor und fand in den mitgebrachten Proben dieses Cosmarium:

Bild
Länge: 110 µm, Breite: 68 µm - und: noch nie gesehen

Herzliche Grüße
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#2 Beitrag von Monsti » 6. April 2016, 18:02

Hallo zusammen,

Jan Stastny ist diese Alge ebenfalls nicht bekannt. Heute machte er sich in der Literatur auf die Suche und stieß zum einen auf Cosmarium tyrolicum, zum anderen auf C. insamii - beide Arten sind extrem selten. Möglicherweise handelt es sich aber auch um eine neue, d.h. bisher nicht beschriebene Art. Die Probe werde ich natürlich aufbewahren, einen Teil auch konservieren und möglichst viele Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven anfertigen, solange die Probe noch frisch ist.

Viele Grüße
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#3 Beitrag von Monsti » 7. April 2016, 19:31

Guten Abend allerseits,

nach zahllosen Untersuchungen und 12 weiteren Funden glaube ich, dass ich das sehr seltene Cosmarium tyrolicum (NORDSTEDT) KRIEGER & GERLOFF gefunden habe. Hier weitere Fotos:

Bild

Bild

Und eine leere Zelle, bei der man die feinporige Zellwandstruktur erkennt:

Bild

Aufgeregte Grüße von
Angie
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MartinKreutz
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#4 Beitrag von MartinKreutz » 7. April 2016, 20:04

Hallo Angie,

meinen Glückwunsch zu Deinem tollen Fund! Auf Deiner letzten Aufnahme zeigst Du eine fast leere, wahrscheinlich abgestorbene Zelle. Ich kenne die Art C. tyrolicum nicht, aber haben nicht viele Cosmarien ein markantes Porensystem? Ist das bei C. tyrolicum auch so? Dann wäre dieses leere Exemplar doch eine gute Gelegenheit, sich das Porensystem (wenn vorhanden) genauer anzuschauen. Für mich, als nicht Jochalgenspezialist, zeigen die bisherigen Aufnahmen von Dir die Zellumrisse. Sind diese so charakteristisch, das man daraus auf C. tyrolicum schließen kann? Ja, etwas provokativ, aber wir wollen es ja genau wissen!

Martin

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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#5 Beitrag von Monsti » 7. April 2016, 20:51

Hallo Martin,

selbstverständlich möchte auch ich es gern ganz genau wissen, zumal mir gerade das Pillerseemoor (ist ungefähr wie Dein Simmelried) sehr am Herzen liegt. :wicked_015: Zu Cosmarium tyrolicum gibt es leider nur ganz wenige Informationen. Eine halbwegs ausführliche Info gibt es in Ruperts Desmidiaceenflora, Bd. 3:

Zellen 1,3-1,35 mal länger als breit, im groben Umriß breit elliptisch. Zellhälften halboval mit breit abgerundeten Basalwinkeln und gleichmäßig gerundeten, flach gewellten Seiten (ungefähr 20 Wellen je Zellhälfte), Scheitel breit abgerundet. Mitteleinschnitt tief, linear geschlossen, außen stark erweitert. Zellwand mit dicht und zerstreut stehenden Poren. Scheitelansicht elliptisch mit seichten, durch die gewellten Ränder bedingten Querrillen. Chromatophoren mit 2 Pyrenoiden je Zellhälfte.
Dimensionen: L.:80-120 µm, B.: 60-90 µm, I.: 30-32 µm, D.: 45-55 µm.
Vorkommen: Vom Autor bisher nur in einem 2100 m hoch gelegenen Durchströmungsmoor in den Hohen Tauern (Mölltal, K, LENZENWERGER 1991) gefunden, aus Kärnten u.a. auch aus Moosen auf feuchten Felsen (BECK-MANNAGETTA 1931) bekannt.


BECK-MANNAGETTA 1931 habe ich im Original hier. Dort gibt es aber keine Beschreibung und auch keine Zeichnung. Die einzige Abbildung, die mir bekannt ist, ist die in Ruperts Desmidiaceenflora (Bd. 3, Tafel 54, Abb. 1). Jan Stastny und ich sind gleichermaßen auf der Suche, da mein Fund doch etwas Besonderes ist.

Du kannst sicher sein, dass ich diesbezüglich weitere Untersuchungen anstellen werde. Und natürlich lasse ich es Euch wissen, falls es neue Erkenntnisse gibt.

Liebe Gutenachtgrüße von
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#6 Beitrag von Rupert Lenzenweger » 8. April 2016, 11:16

Liebe Angie,
soweit ich das anhand der Fotos beurteilen kann, halte ich es für wahrscheinlich, das es sich um das seltene Cosmarium tyrolicum handelt. Ich persönlich habe es (1991) in den Hohen Tauern gefunden. Werde nachschauen, ob ich die fixierte Probe von damals, zum direkten Vergleich, noch in meiner Probensammlung finde.
Liebe Grüße
Rupert
Freundliche Grüße
Rupert

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Re: Cosmarium tyrolicum

#7 Beitrag von Monsti » 8. April 2016, 11:52

Lieber Rupert,

vielen Dank für Deine Einschätzung! Natürlich wäre es klasse, hättest Du das fixierte Material von damals noch. Ein direkter Vergleich wäre in der Tat sehr hilfreich.

Herzliche Grüße
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#8 Beitrag von Monsti » 9. April 2016, 20:05

Hallo Martin,

um noch auf Deine ausstehenden Fragen zu antworten, da sie ja wohl nicht ohne Grund "provokant" waren ...
Zellumrisse. Sind diese so charakteristisch, das man daraus auf C. tyrolicum schließen kann?
Zumindest ist es die einzige Art dieser Größe, deren Zellrand überwiegend seichte Wellen zeigt. C. pachydermum hat einen glatten Rand mit sehr charakteristischem Saum, C. transitorium ist viel kleiner und eine azidophile Art. Damit ist sie für das alkalische Pillerseemoor auszuschließen. Zudem ist auch hier die Zellrand glatt. C. incrassatum var. schmidlei hat eine vergleichbare, nämlich feinporige Zellwandstruktur, doch auch hier ist der Zellrand vollkommen glatt. Außerdem habe ich diese Alge schon unzählige Male (nur in Übergangs- und Hochmooren) gesehen und erkenne sie schon aus dem Augenwinkel.
aber haben nicht viele Cosmarien ein markantes Porensystem?
Ja, deshalb sind in Zweifelsfällen leere Zellen sehr wertvoll. C. tyrolicum hat - wie oben schon geschrieben und auch gezeigt - feine, dicht und unregelmäßig stehende Poren.

Wichtig ist bei solchen Funden auch noch die Scheitelansicht. Bei oben gezeigten Exemplaren ist sie durchweg oval mit kaum sichtbaren Wellen. Da ich noch nie eine Abbildung der Scheitelansicht von C. tyrolicum gesehen habe, kann ich nicht beurteilen, ob diese typisch ist.

Das einzige Merkmal, das mich im Moment noch etwas irritiert, ist die Tatsache, dass alle obigen Algen 3-5 unauffällige randliche Wärzchen an der Basis der Zellhälften zeigen. In Ruperts Zeichnungen fehlen sie. Hier die Abb. aus seiner Desmidiaceenflora, Bd. 3, S. 179:

Bild

Hast Du noch weitere Fragen?

Herzliche Grüße
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#9 Beitrag von Monsti » 24. April 2016, 18:42

Hallo zusammen,

inzwischen ist mir auch eine "Scheitelansicht" gelungen:

Bild

Diese entspricht ziemlich genau der Zeichnung in Ruperts Desmidiaceenflora (Bd. 3, Tafel 54).

Beste Grüße
Angie
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Re: Cosmarium cf. tyrolicum

#10 Beitrag von Rupert Lenzenweger » 28. April 2016, 21:19

Liebe Angie,
durch die zusätzliche Abbildung der Scheitelansicht, die recht gut mit der Zeichnung von NORDSTEDT (bei KRIEGER & GERLOFF T.12:12) übereinstimmt, bin ich so gut wie sicher, dass es sich um Cosmarium tyrolicum handelt und Du damit einen sehr seltenen und vor allem interessanten Fund gemacht hast. Bei meiner Abbildung in der Österreichflora ist die Zellwand vielleicht etwas zu "dick" dargestellt
Herzliche Grüße
Rupert
Freundliche Grüße
Rupert

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Re: Cosmarium tyrolicum

#11 Beitrag von Monsti » 29. April 2016, 09:08

Lieber Rupert,

vielen Dank für Dein abschließendes Urteil! Damit kann ich das "cf." entfernen und mich freuen, mal wieder eine Rarität gefunden zu haben ...

Viele Grüße aus dem endlich wieder sonnigen Tirol
Angie
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Re: Cosmarium tyrolicum/insamii

#12 Beitrag von Monsti » 21. Juni 2016, 19:22

Hallo zusammen,

inzwischen wurde mein Fund auch von Frans Kouwets (F) begutachtet, der C. tyrolicum und C. insamii für dieselbe Art hält, während die beiden bei AlgaeBase aber (noch?) als zwei unterschiedliche Arten geführt werden. Frans Kouwets arbeitet derzeit an einer Monographie zur Gattung Cosmarium, in der mein Fund berücksichtigt wird. Abschließendes dazu zu schreiben, ist vorerst also nicht möglich. Fakt ist, dass diese Alge so selten vorkommt, dass eine klare Diagnose schwierig zu sein scheint.

Beste Grüße
Angie
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