Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

Bakterien, Blaualgen und Pilze
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Nostoc
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Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

#1 Beitrag von Nostoc » 22. August 2016, 16:19

Liebe Tümpler,
die Leistungen „primitiver“ Wasserbewohner versetzen immer wieder in Erstaunen, und man sucht als faszinierter Beobachter nach Erklärungen. Einer dieser Vorgänge ist die Phototaxis bei Einzellern. Im aktuellen Heft von „Spektrum der Wissenschaft“ (Ausgabe 9/2016, S. 28) gibt es einen aus meiner Sicht lesenswerten Artikel, der sich mit der „Sinneswahrnehmung von Einzellern“ beschäftigt („Brüder zur Sonne“) .
Das Zyanobacterium Synechocystis sp. nutzt den Zellkörper als Linse und bündelt Licht auf Photorezeptoren, die an der Membran der gegenüberliegenden Zellseite liegen. Dort wird die Information „ausgewertet“ und induziert eine Bewegung hin zur Lichtquelle.
(Video unter https://elifesciences.org/content/5/e12620/media1, dort findet man auch den Originalartikel in englischer Sprache).
„Wahrscheinlich ist diese Art Lichtwahrnehmung bei einzelligen Zyanobakterien weit verbreitet und könnte auch schlüssig erklären, wie sich koloniebildende Zyanobakterien koordiniert in Richtung Sonne bewegen. Vielleicht waren diese Lebewesen die ersten, die ihre Umwelt in gewisser Weise gesehen haben.“
„Weil bei gängigen Mikroskopen das Licht von unten kommt, können die Zyanobakterien in der Kulturschale nicht darauf zuwandern[Den Satz verstehe ich persönlich nicht ganz, Stichwort: inverses Mikroskop. Gemeint ist wohl laterale bzw. indirekte Beleuchtung (Nostoc)]. Erst ein komplizierter mikroskopischer Versuchsaufbau konnte nun das Geheimnis der Zyanobakterien aufklären.“
Beste Grüße

Nostoc
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Re: Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

#2 Beitrag von Monsti » 25. August 2016, 19:37

Lieber Richard,

dass sich z.B. Oscillatoria sofort in Bewegung setzt, wenn Licht auf sie fällt, kennt sicher jeder von uns. Folglich besitzen Oscillatoria-Fäden Rezeptoren, die auf Licht reagieren, ob es nun von oben oder unten kommt, spielt keine Rolle. Um das zu erkennen, benötigt man eigentlich keinen komplizierten Versuchsaufbau. Auch in alten Wasserproben kann man beobachten, dass sich Cyanobakterien primär an der Oberfläche des Detritus konzentrieren (genauso wie Grünalgen und Desmidiaceen).

Viele Grüße
Angie
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Re: Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

#3 Beitrag von Nostoc » 31. August 2016, 17:17

Liebe Angie,
ich glaube, die oben erwähnte Arbeit will zeigen, dass die Phototaxis bei diesem Zyanobacterium primär keinem Helligkeits-Gradienten folgt.
Heute hat mir z.B. ein Flagellat (Cryptomonade, eventuell Chilomonas (paramecium)) etwas den Nachmittag „verdorben“. Ich habe einige herauspipettierte Exemplare von Cosmarium quadrum mit einem Tropfen Fundortwasser versetzt, dabei aber dummerweise Wasser von der Oberfläche der Probe erwischt. Dieser Tropfen enthielt massenhaft Cryptomonaden. Bild 1 und Bild 2 zeigen dieselbe Alge, zwischen beiden Bildern liegen nur ca. 60 Sekunden.

Bild
(Cosmarium quadrum)

Bild
(Cosmarium quadrum mit „Bildstörung“ einige Sekunden später)

Bild
(Flagellat, Verursacher der „Bildstörung“)

Bei allen anderen Algen in der Probe das gleiche Spiel. In dieser extremen Form habe ich dieses Phänomen bisher nicht beobachtet. Da ich den Kondensor mit einem Tropfen Wasser immergiert hatte, vermute ich, dass der Flagellat einem Helligkeits-Gradienten folgt und von der etwas dunkleren Randzone ins Bildzentrum, der hellsten Stelle, wandert.


Beste Grüße

Richard

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Re: Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

#4 Beitrag von Monsti » 31. August 2016, 18:04

Lieber Richard,

möglich wäre allerdings auch, dass die Cryptomonaden zum Sauerstoff-Lieferanten gewandert sind ...

Viele Grüße
Angie
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Re: Literaturhinweis: Phototaxis bei Cyanobakterien

#5 Beitrag von Nostoc » 31. August 2016, 20:19

Wunderbar Angie,
auf den Einwand habe ich gewartet, weil er zu Deiner ursprünglichen Anmerkung hinsichtlich des "komplizierten Versuchsaufbaus" eine Antwort liefert! :wicked_001:
Der Licht- und der Sauerstoffgradient sind beide nicht apriori von der Hand zu weisen. Ohne Licht keine Sauerstoffproduktion aber auch keine Information aus einer Beobachtung durch das Lichtmikroskop. Anders ausgedrückt, die Beobachtung mit dem konventionellen Mikroskop benötigt Licht als "Informationsträger", und verändert gleichzeitig im Zusammenspiel mit der Alge (Produktion von Sauerstoff) wesentliche Parameter des Experiments. Der Beobachter ist somit nicht "neutral" sondern greift aktiv in den Versuch ein. Dem Einwand, eine algenfreie, beleuchtete Stelle des Objektträgers zieht die Flagellaten nicht an, könnte man entgegenhalten, dass die Alge entweder das Durchlicht (vertikal) in die Horizontale (Wasserschicht zwischen Objektträger und Deckglas) umlenkt (streut) und damit für die Flagellaten sichtbar macht oder aber, dass grünes Licht die Flagellaten anzieht. Das Spiel könnte man fast beliebig Fortsetzten, z.B. dass die Attraktion der Flagellaten nicht durch Sauerstoff sondern durch andere "Signalstoffe" der Alge ausgelöst wird .....
Persönlich "glaube" ich eher an die Sauerstoffhypothese, aber es wundert mich sehr, wie schnell die Photosynthese in Gang kommt und wie rasch der Sauerstoff durch Diffusion im Wasser verteilt wird.

Nostoc

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