Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

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Pelagodileptus
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Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

#1 Beitrag von Pelagodileptus » 30. Januar 2022, 12:20

Spathidium chlorelligerum KAHL, 1930

Spathidium chlorelligerum ist ein Ciliat der im Benthos Bereich lebt, und gelegentlich das freie Wasser aufsucht.

Liebe Tümplerinnen, Liebe Tümpler,

diese Arbeit ist ein weiterer Beitrag über einen Ciliaten aus dem Sapropel Milieu eines Weihers, der ohne moderne taxonomische Methoden untersucht worden ist. Die Untersuchung erfolgte am Olympus BX60 Fluoreszenzmikroskop mit DIC- Einrichtung und einer Blitzeinrichtung, um wichtige Erkennungsmerkmale klar erkennen zu können. Auf die von Foissner (1991) ausführlich beschriebenen Färbe- und Silberimprägnationsmethoden wurde wegen der wenigen Einzelfunde verzichtet und feine Details, mit dem Ölimmersionsobjektiv studiert, da viele wichtige Artmerkmale, die nur auf Versilberung basieren würden, oft mit dem lebendigen Erscheinungsbild korrelieren. Beide Verfahren sind selbst für einen geübten, immer wieder Training! Zur Anfärbung der Zellkerne wurde die von Thilo Bauer (2019) beschriebenen Methode der Fluoreszenzfärbung modifiziert und das Fluorochrom Hoechst 33342 in der dort beschriebenen Dosierung verwendet (hier unter Verzicht auf Acridinorange). Bereits Thilo Bauer weist darauf hin, dass diese Fluorchromierung schnell und zuverlässig die Zellkerne darstellt, auch dann, wenn diese in den Zellen durch andere Organellen, ingestierte Grün- oder symbiontischen Algen verdeckt erscheinen. Ich kann bestätigen, dass die von Thilo Bauer vorgeschlagene Fluoreszenzfärbung hervorragend die klassische Supravitalfärbung mit Methylgrün-Pyronin ersetzt und im Gegensatz hierzu die Beobachtung lebender Organismen ohne Artefakte über einen langen Zeitraum ermöglicht.

Der Weiher hat in den vergangenen Jahren schon einige seltene Arten zum Vorschein gebracht, wie Sonderia tubigula oder Trachelophyllides sigmoides. Alle sind wunderschöne Ciliaten, die der Beobachtung verdienen. Spathidium chlorelligerum tritt nie häufig auf und ist eher ein Einzelgänger, was die Funde an drei Tagen, 10 Exemplare bestätigen.

Die Familie Spathidiidae ist eine artenreiche Gattung, in der heute schon mehr als 100 Arten vereinigt sind, deren Formen für Ökologen und auch Taxonomen nicht immer leicht zu bestimmen sind.

Es gibt vier wichtige Merkmale, die für die Bestimmung von Spathidium spp. wichtig sind, und berücksichtigt werden müssen:

1. Die Kerne sind von unterschiedlicher Gestalt, von gedrungen, kurz wurstförmig bis zu knötchen- bandförmig lang.
2. Die Körperform kann je nach Ernährungszustand variieren. Wichtig ist, die Individuen freischwimmend zu beobachten, da sie bei Deckglasdruck verbreitert erscheinen.
3. Lage und Länge des Mundwulstes, und die Länge seiner Toxicysten sind bei den Arten konstant. Zwischen sehr kurzen Stäbchen, deren Länge etwa der Höhe des Mundwulstes entsprechen, kommen bis zu 50 μm und mehr lange Nadeln (Extrusome) vor.
4. Eine dreireihige Dorsalbürste weist meist kurze, manchmal auch hohe, weiche Borsten auf.

Spathidiida, zu denen auch Spathidium chlorelligerum gehört, wurden im Buch, „Monograph of the Spathidiida (Ciliophora, Haptoria)” zusammengetragen. Dort wird S. chlorelligerum auf Seite 10 nur kurz erwähnt (Kap. 1.5, „Cytoplasma and colour“). Diese Monografie bildet jedoch nur einen Teil der Spathidiida ab. Spathidium chlorelligerum wurde zuerst von Kahl (1930a) beschrieben.Weitere Beschreibungen erfolgten später durch Vuxanovici (1959), Dragesco (1960) und M. Kreutz (2003) aus dem Simmelried, der auch vom Wilhelm Foissner bestätigt wurde.

Nach eigenen Beobachtungen:
- Körperlänge 188 - 290 µm
- Körperform je nach Ernährungszustand schlank bis breit beutelförmig, am Hals leicht abgeflacht.
- Kern: deutlicher knötchenförmiger, gewundener Strang mit einer Länge von ca. 450 µm
- Mikronucleus (Mi) liegt so weit beobachtet werden konnte, mehr als 8 verstreut in der Zelle, Ø 3µm
- Kontraktile Vakuole (cV) ist posterior, wo sich auch der Exkretionsporus befindet
- Zweite cV beobachtet, 25 – 27 µm
- Zoochlorellen (Zr) unterschiedlich groß
- Explodierende Trichocysten (Tr) bis 20 µm lang
- Schwimmt um seine Achse durchs Medium
- Mundwulst (Mw) je nach Körperlänge ± 39,3 – 54,5 µm lang, ≙ 1/6 seiner Körperlänge
- Dorsalbürste (Db) 3-reihig, Cilien sehr kurz
- 32 - 38 Kineten, Wimpernreihen
- Extrusome Oralbereich, 4 µm lang
- Extrusome verstreut auf dem Ektoplasma liegend, 14 – 20 µm lang und leicht gebogen
- Auffällig feine Granula, die bei einigen Gattungen sehr unterschiedliche Funktion haben kann, von toxischer Abwehr, Betäuben der Beute (z.B. Climacostomum innerhalb des inneren Mundfelds) bis hin zu Schleimabsonderungen, um die Schwimmfähigkeit im Wasser zu verbessern. In der Literatur ist man sich noch nicht einig, ob es Toxine oder Photorezeptoren sind. Es gibt jedoch auch transparente Granula, farbloser Ciliaten, welche dennoch in der Lage sind, sensitiv auf Licht zu reagieren.

Abb. 1, S. chlorelligerum in seiner natürlichen Körperhaltung, rechts laterale Ansicht, wo schon einige wichtige Merkmale erkannt werden.
Bild 1_spathidium chlorelligerum_i4a3730.jpg
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Abb. 2, S. chlorelligerum, in der Ventralansicht ist sehr gut seine Mundwulst zu sehen.
Bild 2 Spathidium chlorelligerum_i4a3194.jpg
Bild 2 Spathidium chlorelligerum_i4a3194.jpg (193.48 KiB) 4666 mal betrachtet

Beobachtung in der Petrischale

Beobachtet man Spathidium chlorelligerum in der Petrischale, sieht man einen gemächlich dahingleitenden Ciliaten, der am Bodengrund nach Nahrung sucht. Auffallend ist dabei seine Mundwulst, der Zellkörper gefüllt mit Zoochlorellen, und die posterior gelegene Vakuole, die ihn auf dem ersten Blick gut erkennen lässt. Zu beobachten ist auch, wie der Ciliat mit seinem Hinterende am Grund haften bleibt, um mit seinem Mundbereich in der Wassersäule nach Nahrung zu suchen. Gelegentlich suchen die Individuen die Wassersäule auf, um jedoch rasch wieder an den Grund zurückzukehren. Die Art scheint ein Meister der Tarnung, der sich in Detritus Flocken verbirgt. In der Durchmusterung wird er so leicht übersehen. Oft ist es hilfreich die Petrischale ein wenig zu schwenken, um den Ciliaten aus der Detritus Flocke zu spülen.

Beobachtung unter Deckglas

Unter Deckglas mit genügend Wasser, lässt sich die Schwimmbewegung bei Spathidium chlorelligerum besser studieren. Wie bei manchen anderen Ciliaten ist bei freier Schwimmbewegung eine Linksdrehung zu erkennen, wobei die Mundwulst in dieser Drehung sehr schön zu erkennen ist. Durch die ständige Drehung der Ciliaten, ist es nicht einfach, in der dorsal-, ventral- und lateral-Seite bestimmte Merkmale schnell und sicher zu erkennen. Hier ist die Mikrofotografie sehr nützlich. In der Lateralansicht erscheint die Mundwulst von S. chlorelligerum breit und in der ventral- oder dorsalen Ansicht zur Mundwulst hin, verjüngt schmal. In der Schwimmphase, bei zunehmenden Deckglasdruck, nimmt S. chlorelligerum eine oval-breite Körperform an, und zeigt wichtige Charakteristika.


Abb. 3 und 4, S. chlorelligerum in der rechts- und links freischwimmenden lateralen Ansicht, Länge 214 µm. Die Mundwulst entspricht ca. 1/6 seiner Körperlänge.
Bild 3_Spathidium chlorelligerum_I4A3187.jpg
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Bild 4_ Spathidium chlorelligerum_I4A3190.jpg
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In der Fluoreszenzfärbung fiel mir dann ein knötchenförmiger, gewundener Strang auf, der mich etwas irritiert hat. Thilo und ich diskutierten zunächst die Möglichkeit verschlungenen Mikroplastiks. Kahl gibt in seinen vier Bänden für diese Art an, dass sie viele kleine Noduln habe. Von sieben gefundenen Exemplaren hatten alle einen bandförmigen Kern. Dieser Befund verwirrt zunächst. Kahl (1930b) beschreibt für Spathidium chlorelligerum, dass der Makronucleus aus vielen einzelnen Nodul bestehen würde. In seiner Originalpublikation (Kahl, 1930a) gibt er weitere Details an: Nur zwei von 20 Exemplaren habe er gefunden, die einen bandförmigen Kern hatten. Kahl nimmt an, dass diese Unterschiede auf Endomixis zurück gehen, könnten. M. Kreutz (2003) beschreibt bei seinem Fund einen wurmförmigen Makronucleus, der sich mit meinem Fund deckt. In der Literatur werden mehrere Arcuospathidium Arten mit einen sehr langen knötchenförmigen, gewundenen Makronucleus beschrieben. Deren allgemeine Morphologie unterscheidet sich jedoch von Spathidium.
Der Exkretionsporus liegt an der posterior sitzenden Kontraktile Vakuole (cV), die jedoch schwer zu beobachten ist. Eine zweite Kontraktile Vakuole (cV) Bild 7, konnte beobachtet werden, es sei denn, es wird eine zweite cV vor der Teilung gebildet. In der Lateralansicht ist die Bürste gut zu erkennen, Bild 8. Explodierende Toxicysten (Tc) liegen übers Ektoplasma verstreut, Bild 10 und 12a-b. Die Zoochlorellen messen im Durchmesser 4,5 - 9 μm, und liegen zusammen mit anderen aufgenommenen Grünalgen und Bakterien, im Körper verteilt. Die Extrusome (E) in der oralen Ausbuchtung (Mundwulst) sind sehr gut zu erkennen, Länge der Extrusome 4 μm und leicht gebogen. Nur einmal wurde während der Untersuchung eine am Anfang stehende Zellteilung beobachtet, Abb. 9. Auch hier konnte der bandförmige Kern beobachtet werden.



Abb.5, S. chlorelligerum, freischwimmend. Der Makronucleus (Ma) sieht aus wie eine verschlungene Mikrofaser.
Bild 5_Spathidium chlorelligerum_I4A3120.jpg
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Abb. 6, S. chlorelligerum, mit seinem gefärbten knötchenförmigen, gewunden Strang. Die vielen blauen Kugeln zeigen nicht nur die Mikronuclei (Mi), auch kleine gefüllte Nahrungsvakuolen mit Bakterien. Mi Ø 3 µm, > 8 Mi liegen verteilt in der Zelle.
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Abb 7, S. chlorelligerum, mit einer zweiten und einer dritten kleinen kontraktilen Vakuole. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es sich hier um entleerte Nahrungsvakuolen, oder durch Deckglasdruck abgespaltet Vakuolen handelt.
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Abb. 8, S. chlorelligerum, die Dorsalbürste zeigt sehr kurze Borsten, Länge 3,24 µm.
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Abb. 8a, S. chlorelligerum in Dorsaldraufsicht. Die Basalkörper (B1-3) der Bürste sind dabei sehr gut zu erkennen.
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Abb. 9, S. chlorelligerum, Länge 188 µm, beginnende Zellteilung (Zt), der Kern (Ma) liegt als Band verteilt in der Zelle.
Abb. 9a, S. chlorelligerum, Länge 215 µm zeigt ebenfalls einen Ansatz zur Zellteilung.
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Abb. 10, S. chlorelligerum, Extrusome (E) sind in der Beobachtung schwer zu erkennen. In Abb. 12 a-b sind sie als Bleistiftzeichnung schematisch dargestellt. Die Länge der Extrusome: > 20µm.
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Abb 11, S. chlorelligerum in Ventralansicht, mit Blick auf seiner Mundwulst. die bei einigen Gattungen sehr unterschiedliche Funktion haben kann, von toxischer Abwehr, Betäuben der Beute (z.B. Climacostomum innerhalb des inneren Mundfelds) bis hin zu Schleimabsonderungen, um die Schwimmfähigkeit im Wasser zu verbessern. In der Literatur ist man sich noch nicht einig, ob es Toxine oder Photorezeptoren sind. Es gibt jedoch auch transparente Granula, farbloser Ciliaten, welche dennoch in der Lage sind sensitiv auf Licht zu reagieren.
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Bild 11Spathidium chlorelligerum_i4a3285.jpg (164.93 KiB) 4666 mal betrachtet

Abb. 12a – c, Spathidium chlorelligerum, nach eigenen Beobachtungen, gefunden in einem Weiher an der Wilkenburger Spinne 2021/2022. Die Population wurde im privaten Labor BUTKAY untersucht. a. links laterale Ansicht, Länge 290 µm, zeigt seine natürliche Körperform. Mw = Mundwulst, Tr = Trichocysten, E = Extrusome die vereinzelt im Entoplasma liegen, B = Bürste, cV = kontraktile Vakuole, Zc = Zoochlorellen. b. rechts laterale Ansicht zeigt, die verstreut liegenden Extrusome. c. Mundwulst in ventrale Ansicht, Mw = Mundwulst, E = Extrusome.
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Abb. 13d – f, Spathidium chlorelligerum, Abb. d., nach eigener Beobachtung mit einem auffälligen knötchenförmigen, verschlungenen Strang (Ma), Mikronucleus (Mi) schwer erkennbar, erst nach Kernfärbung sichtbar. Liegen als kleine Kugeln verstreut in der Zelle E = Extrusome liegen verstreut, 14 – 20 µm lang. Kontraktile Vakuole (cV) liegt posterior. e. Typische Körperform in der Petrischale. Wichtige Merkmale wie Mundwulst, und die posterior liegende kontraktile Vakuole, können so sicher erkannt werden. f. Ausgestoßene Extrusome, 1mm ≙ 1,66 µm.
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Granula und Mikrotubuli

In der Abb. 11 sind sehr gut die Granula zu erkennen. Vermutlich sind hier sogar die Mikrotubuli unterhalb der Pellicula zu sehen. Die Mikrotubuli sind ein sehr wichtiges Organell in der Protistenzelle und fungieren z.B. als Cytoskelett das als Verfestigung des Corticalplasmas dient, oder bei der Ausformung von Mundapparaten bei Ciliaten mit verantwortlich ist. Abb. 14 zeigt die Furchen in der äußeren Pellicula.


Fig 34., Williams, Williams & Hogan (1981) haben eine entsprechende Rekonstruktion über die Somatische Ultrastruktur von Spathidium in einer TEM-Aufnahme dargestellt.
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fig 34.jpg (265.8 KiB) 4666 mal betrachtet

Abb. 14, die Aufnahme zeigt sehr gut die Furchen von S. chlorelligerum, die oben in der Zeichnung von Williams ET AL sehr gut dargestellt wurde. Mit gut will, könnte man die Mikrotubili erkennen.
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Bild 14_i4a2501.jpg (135.28 KiB) 4666 mal betrachtet

Verwechslungsmöglichkeiten

Spathidium chlorelligerum zeigt sich in seiner Schwimmbewegung unter Deckglas sehr formvariabel und kann daher falsch interpretiert werden, was seine Körperform betrifft. In seiner Familie kann S. chlorelligerum mit Spathidium viride verwechselt werden. Hier muss allerdings auf die Länge der Zelle geachtet werden. S. viride ist wesentlich kleiner, 90 μm und hat einen reniformen Makronucleus. Ähnlich aussehende, farblose Exemplare, wie Arcuospathidium cultriforme scalpriforme, könnten hier auf den ersten Blick zu einer Verwechslung führen, wobei die Mundwulst 1/3 seiner Körperlänge ein nimmt, und keine Zc besitzt, Abb. 14. Ein weiterer Kandidat, der zur Verwechslung führen könnten, ist Prorodon niveus, Länge 480 µm, Abb. 16+ 17. Prorodon Arten haben eine nach innen abgesetzte Mundwulst, mit nach innen ragenden Stützfibrillen. Das Peristom von Prorodon kann schmal oder bei Nahrungsaufnahme sehr geweitet erscheinen. Auch Prorodon kann mit Chlorella Einschlüssen angetroffen werden, was jedoch nicht die Regel ist. Prorodon ist freischwimmend jedoch eher tonnenförmig und nicht so schlank, wie S. chlorelligerum.


Abb. 15, Arcuospathidium cultriforme scalpriforme aus dem Moos, ohne Zoochlorellen.
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bild 15_arcuospathidium cultriforme scalpriforme_i4a9032.jpg (145.99 KiB) 4666 mal betrachtet

Abb. 16, Prorodon niveus in rechts lateraler Ansicht, deutlich ist sein gewundener Makronucleus zuerkennen. Seine kleine Mundwulst wird von langen Fibrillen gestützt. Fundort: Weiher an der Wilkenburger Spinne. Länge 480 µm.
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Abb. 17, Prorodon niveus in links lateraler Ansicht. Die Stützfibrillen reichen bis ins hintere drittel. Mundwulst klein, Ma= bandförmig, cV ist posterior liegend. Fundort: Weiher an der Wilkenburger Spinne, Länge 480 µm.
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Diskussion

Ob es sich bei diesem Fund um Spathidium chlorelligerum handelt, konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden, da Kahl in seinen Beschreibungen nicht immer Recht hat. Entweder, weil seine Populationen in Hamburg leicht differierten von dem in Rest-Europa, oder weil er nur wenige Exemplare gefunden hat, so dass er keinen "Artendurchschnitt" gesehen hat. Im Fall von S. chlorelligerum deckt sich mein Fund mit dem Fund vom M. Kreutz (2003), sodass wir hier den Artendurchschnitt vor uns haben. Sonst stimmen alle Merkmale in meinem Bericht mit der Beschreibung von Kahl überein. Besonders die Extrusome sind dabei wichtig, die auch beim Fund von M. Kreutz (2003) 12-14 µm lang und leicht gebogen waren!
Die Länge von S. chlorelligerum gibt Dragesco (1960) bei seinen Funden mit bis zu 300 μm und 36 – 38 Kineten an, was sich mit meinem längsten Fund, 290 μm, bestätigt. M. Kreutz (2003) gibt eine Länge von 200 µm an, und deckt sich mit meinem kleinsten Fund, 188 µm. Die Auswertungen der Fotografien ergeben 36 – 40 Kineten, was sich mit den Funden von Dragesco (1960) bestätigt. In den Bildern wirken die Wimpernreihen 3-reihig, und sehr eng gestellt, was auf die feinen Granula zurückzuführen ist. Die Beschreibung von Spathidium chlorelligerum in Kahls Monografie (1930a) scheint meinen eigenen Beobachtungen zu widersprechen, denn er schreibt, dass der Makronucleus aus vielen einzelnen Fragmenten bestehen würde. In seiner Originalbeschreibung schreibt Kahl (1930b) jedoch, dass er beide Kernformen beobachtet, habe: Eine häufigere Form mit multiplen kleinen Kernfragmenten, und wenige Fälle mit einem bandartigen Kern. A. Vuxanovici (1959) und Dragesco (1960), machen zum Kern keine, bzw. ungenaue Angaben. Zu bedenken ist aber auch, wenn ein bandförmiger Kern (Ma) sich verdreht, dass er an den „Verdrehungsstellen“ wie getrennt aussieht. Vielleicht wurde das früher in den Beobachtungen falsch interpretiert.
Kahl folgerte, dass die Wahrscheinlichkeit einer Endomixis gering sei, und mutmaßt, dass der bandförmige Kern Vorstufe einer Teilung sein könne. Jedoch ist Endomixis nicht die einzige Form einer nuclearen Reorganisation, denn auch nach Konjugationen wird beobachtet, dass der Makronucleus bei Ciliaten kompliziert zu einem einzelnen Nucleus re-organisiert (Diller, 1957). Bei meinen gefundenen Exemplaren haben die Kerne nie als Bruchstücke vorgelegen, selbst nicht bei einer anstehenden Zellteilung. Auch M. Kreutz (2003) hat S. chlorelligerummit einem bandförmingen Kern (MA) gefunden und ist mit meinen gefundenen Exemplaren identisch. Dies schließt nicht aus, dass es sich hier um Kahls beschriebene Art Spathidium chlorelligerum handelt. Alle bisherigen Funde stützen sich aufs Kahl Originalbeschreibungen.

Auch in der Petrischale, ohne anwesende Räuber und mit Futterbakterien, konnten nach vier Tagen Aufenthalt, keine Zellteilungen beobachtet werden. Damit bleiben weiterhin Fragen offen: Welche Zellteilungsrate besitzt diese Art? Durch welche Ernährung wird dies beschleunigt? Handelt es sich bei dem bandförmigen Strang um die Normalform des Makronucleus? Wie ist die beobachtete, zweite kontraktile Vakuole zu deuten. Ich werde versuchen, S. chlorelligerum zu kultivieren, oder Zellen zu sammeln, dass einer Versilberung oder Protargol Imprägnierung nichts im Wege steht.


Der erste Gedanke einer Mikroplastikfaser im Organismus wäre nicht so abwegig gewesen. Mikrofasern fallen durch verschiedene Färbungen im Fluoreszenzmikroskop sofort durch intensive Fluoreszenzfarben auf. Thilo berichtete mir, dass am INRES der Universität Bonn aktuell Studienarbeiten durchgeführt werden, die Aufnahme von Mikroplastik durch Ciliaten mit dem Fluoreszenzmikroskop zu beobachten. Die beobachtete Kernform eines bandförmigen Makronucleus für Spathidium chlorelligerum erscheint im Nachgang und nach Einblick in Kahls Originalarbeit jedoch plausibler. Hier wäre Kahls Interpretation durch weiteres Studium von Konjugationen und Endomixis dieser Spezies zu hinterfragen.

Ich hoffe, hier einen etwas schwierig zu bestimmenden Ciliaten ins rechte Licht gerückt zu haben, auch wenn noch Fragezeichen offengeblieben sind, weisen die Beobachtungen von Kahl (1930) und meine neuerlichen Beobachtungen auf ein und denselben Ciliaten hin: Spahtidium chlorelligerum.

Die vorliegende Arbeit kann auch als PDF-Datei angefordert werden.


Ich danke Helmut Berger, Thilo Bauer und Martin Kreutz für die Anregungen und Verbesserungen zu meinem Artikel.

Mit herzlichen Grüßen,
Michael




Literatur

Bauer T., 2019. Fluoreszenz-Doppelfärbung mit Hoechst 33342 und Acridinorange zur Bestimmung der Arten von Ciliaten (Phylum: Ciliophora). Mikroskopie; 1: 2-19.

Dragesco J., 1960. Ciliés mésopsammiques littoraux. Systématique, morphologie, écologie. – Trav. Stn biol. Roscoff 12: 1–356.

Diller, W.F.. 1957. Nuclear Behaviour in the Ciliated Protozoa. Bios, Vol. 28, No. 4, pp. 217-234.

Doflein, F., Reichenow, E., 1927. Lehrbuch der Protozoenkunde. Eine Darstellung der Naturgeschichte der Protozoen mit besonderer Berücksichtigung der parasitischen und pathogenen Formen. 5. Aufl. G. Fischer, Jena. 1262 pp.
Foissner, W., 1984. Infraciliatur, Silberliniensystem und Biometrie einiger neuer und wenig bekannter terrestrischer, limnischer und mariner Ciliaten (Protozoa: Ciliophora) aus den Klassen Kinetofragminophora, Colpodea und Polyhymenophora. Stapfia 12, p. 66 – 86.

Foissner, W.; Blatterer, H.; Berger, H.; Kohmann F. (1991). Taxonomische und öklologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems – Band 1: Cyrtophorida, Oligotrichida, Hypotrichia, Colpodea. Informationsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, Heft 1/91, 478 pp.

Foissner, W., Wenzel, F., 2004. Life and Legacy of an Outstanding Ciliate Taxomist, Alfred Kahl (1877-1946), Including a Facsimile of his Forgotten Monograph from 1943. Acta Protozoologica, p. 34 – 27.

Foissner, W., Xu, F., 2007. Monograph of the Spathidiida (Ciliophora, Haptoria); pp. 173 – 177.

Kahl A., (1930a). Neue und ergänzende Beobachtungen holotricher Infusorien. II. – Arch. Protistenk. 70: 313–416.

Kahl A., (1930b). Urtiere oder Protozoa I: Wimperntiere oder Ciliata (Infusoria) 1. Allgemeiner Teil und Prostomata. In: Die Tierwelt Deutschlands. 18, (Ed. F. Dahl) Herausgeber. Gustav Fischer, Jena, 1 - 180.

Kreutz, M., Foissner, W. (2006), The Sphagnum Ponds of Simmelried in Germany: A Biodiversity Hot-Spot for Microscopic Organismus, Volume 3, Shaker Verlag, p. 144.

Vuxanovici A., 1959. Contributii la studiul unor infuzori holotrichi. – Studii Cerc. Biol., Seria “biologie animala” 11: 307–335.

WILLIAMS, D. B., WILLIAMS, B. D., & Hogan, B. K. (1981). Ultrastructure of the Somatic Cortex of the Gymnostome Ciliate Spathidium spathula (OFM) 1. The Journal of Protozoology, 28(1), 90-99.
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Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

#2 Beitrag von Michael » 30. Januar 2022, 13:17

Hallo Michael,
da bleibt einem glatt die Spucke weg - was für eine hervorragende und umfassende Arbeit!

Vielen Dank fürs zeigen

Michael

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Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

#3 Beitrag von paramecium » 30. Januar 2022, 16:10

Hallo Michael,

Deine Zeichnungen gefallen mir besonders gut.

Das gemeinsame Forschen hat richtig Spaß gemacht. Schau, dass wir sie vielleicht noch mit Colpidium kultivieren können und durch den Sequenzer jagen...

Viele Grüße

Thilo

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SNoK
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Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

#4 Beitrag von SNoK » 30. Januar 2022, 23:55

Lieber Michael,

eine tolle Arbeit mit klasse Fotos, die bestimmt viel Arbeit gemacht hat. Gratulation dafür! Ich hätte den Beitrag gerne als PDF, wie Du es anbietest. So ein Highlight muss man sich separat aufheben.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB mit Plan Fluotar und PlanApo, Leitz Dialux mit NPl
Stemi: Zeiss Stemi 508, Wild-Heerbrugg M5
Kamera: Sony alpha 6400 und 6500
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: viewtopic.php?f=32&t=831

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Pelagodileptus
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Re: Spahtidium chlorelligerum KAHL, 1930

#5 Beitrag von Pelagodileptus » 3. Februar 2022, 10:10

Hallo Michael,
Hallo Thilo,
Hallo Stephan,

vielen Dank fürs Feedback und denen, die mir den Daumen nach oben gezeigt haben! Ja, das hat viel Arbeit gemacht zu recherchieren, Danke Thilo! Vor allem das Zeichnen hat dabei sehr viel Freude gemacht, da hier auf kleine Dinge aufmerksam gemacht werden können, die sonst im Bild für einen ungeübten nicht so einfach zu erkennen sind.

Vermehrung ist angesagt ums sie zu sequenzieren, um Spahtidium chlorelligerum zu bestätigen. Die Suche nach weiteren Exemplaren geht weiter, um diese in einem Kulturmedium vom Thilo zu überführen und mit Colpidium striatum zu füttern, alles vom Thilo :wicked_001:

Die vorliegende Arbeit kann, wer sie gern haben möchte, als PDF-Datei angefordert werden, es lohnt sich, allein schon wegen des Titelbildes!

In diesem Sinne weiterhin viel Freude beim Tümpeln,
Michael alias Pelagodileptus

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paramecium
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