Spirostomum ambiguum: Nachweis der Micronuclei

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paramecium
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Spirostomum ambiguum: Nachweis der Micronuclei

#1 Beitrag von paramecium » 27. Dezember 2018, 18:56

Hallo zusammen,

angeregt durch die Diskussion von Martin Kreutz im Nachbarforum über die Darstellung der Micronuclei von Spirostomum ambiguum habe ich diese Spur erneut aufgenommen.

Ich hatte schon verschiedene Fluoreszenzaufnahmen von Sp. ambiguum gewonnen. Dabei hatte ich stets den Eindruck, dass man in diesem Ciliaten keine Micronuclei finden würde. Dies kann manchmal durchaus der Fall sein. So wurde bereits von einer amicronucleaten Form von P. caudatum berichtet. Ferner verschwinden die Micronuclei vorübergehend während der Zellteilung, da Macro- und Micronuclei zu unterschiedlichen Zeiten repliziert werden. Boscaro et al. (2014) berichtet jedoch von bis zu 100 Micronuclei für diese Art. Da stellte sich mir die Frage: Was habe ich übersehen?

Aktuell stehen Proben von Waldsümpfen zur Verfügung in denen Sp. ambiguum einigermaßen zahlreich ist. So hatte ich gestern mehrere Präparate mit einer neu entwickelten Doppelfärbung angesetzt. Die Färbung dauerte über Nacht, zwei Arten von Spirostomum sind vertreten: Sp. ambiguum (dieser Artikel) und der kleinere Sp. teres (ohne Abbildung).

Richtet man sein Augenmerk gezielt auf die Suche nach den Micronuclei (Mi), so fallen sie einem irgendwann auch auf. Sp. ambiguum ist einer der größten Ciliaten. Der Macronucleus (Ma, großer Zellkern) ist entsprechend monströs. Der Ma ist moniliform (perlschnurartig) meist in einem Stück zusammenhängend und erstreckt sich in der Regel über bis zu 80% der Körperlänge. Gelegentlich kann die Gesamtlänge größer sein sein als die Zelle selbst. Gelegentlich ist er in einem Knäuel auch in einer Körperhälfte zu finden. Der Macronucleus besteht aus vielen Kernpaketen, die mit einer Membran verbunden sind. Die Kernpakete besitzen eine netzartige ("löcherige") Struktur, die im Fluoreszenzmikroskop gut erkennbar ist. Zwischen den Kernpaketen sind in der verbindenden Membran gelegentlich auch Knötchen erkennbar. Doch dies sind keine Micronuclei. Die Micronuclei fallen zunächst nicht auf und sind auch nicht in der Zelle verstreut. Vielmehr sitzen sie Huckepack auf den Kernpaketen.

Zur Darstellung habe ich eine beliebige Aufnahme aus der heute aufgenommenen Serie herausgesucht und zur besseren Darstellung bearbeitet. In den Fotografien erscheinen die Färbungen naturgemäß verrauscht. Visuell waren die hier eingezeichneten Micronuclei tatsächlich als keine Linsen auf dem Macronucleus sichtbar. Ihre Zahl lässt sich schwer schätzen, da sicherlich einige vor oder hinter dem Macronucleus liegen. Auf dem stark strukturierten Macronucleus fallen diese hier sodann nicht auf. Ferner muss man die Micronuclei mit dem Fokus schon genau erfassen, sonst verschwinden die kleinen Mi einfach im Hintergrund. Legt man zugrunde, dass Spirostomum ambiguum bis zu 25 Kernpakete besitzt, ist es durchaus plausibel, dass um die 100 Micronuclei existieren können, welche man teils nicht findet. Im Beispiel fand ich Micronuclei nicht bei jedem Paket des Macronucleus.

Viel Spaß beim Betrachten.

Fazit
Sofern der Befund richtig gedeutet ist,können Exemplare von Spirostomum ambiguum zahlreiche Micronuclei besitzen. Auch dieses Mal konnte ich jedoch nicht bei allen Exemplaren Micronuclei finden. Diese lassen sich im Hellfeld praktisch nicht nachweisen, da die Zelle von Sp. ambiguum mit vielen, ähnlich großen Zellorganellen durchsetzt ist und der Ma selbst bereits eine gewisse Struktur aufweist. Ferner dürfte der Kontrast gegenüber dem Macronucleus nur sehr schwach ausfallen. Vergleiche mit der in den Proben ebenfalls gefundenen Art Spirostomum teres lassen schließen, dass bei dieser Art Micronuclei im Hellfeld sehr wohl zu beobachten sind, wenn auch der Nachweis einige Übung mit dem Mikroskop abverlangt.

Literatur
Boscaro, Vittorio, et al. (2014): Focusing on genera to improve species identification: revised systematics of the ciliate Spirostomum. Protist 165.4: 527-541.
Bauer, T. (2019): Fluoreszenz-Doppelfärbung mit Hoechst 33342 und Acridinorange zur Bestimmung der Arten von Ciliaten (Phylum: Ciliophora). In Vorbereitung.

Aufnahmedaten: Zeiss AxioLab.A1, Plan-Neofluar 40x/0,90 (Multi-Immersion). Fluoreszenz: Filtersatz AHF F66-412, Anregung mit 3W UV-LED, Wellenlänge 385 nm. Belichtung: Canon EOS 77D, 0,4 Sekunden bei ISO 1600.

Bild 1: Sumpfige Waldtümpel, wie hier nahe der Waldkapelle bei Rheinbach, sind ein typisches Habitat einiger Spirostomum Arten.
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Bild 2: Rohaufnahme: Doppelfärbung mit Hoechst 33342 und Acridinorange. Sichtbar sind grünlich gefärbte Granula (hier als grüner Untergrund zu erkennen) und gefärbte Bakterien in den Nahrungsvakuolen. Zellkerne sind blau gefärbt.
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Bild 3: Bearbeitete Aufnahme
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Bild 4: Ausschnittvergrößerung mit einigen Micronuclei
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Dateianhänge
Waldtümpel nahe der Waldkapelle bei Rheinbach (NRW).
Waldtümpel nahe der Waldkapelle bei Rheinbach (NRW).
Ausschnittvergrößerung mit einigen Micronuclei.
Ausschnittvergrößerung mit einigen Micronuclei.
Die bearbeitete Fluoreszenzaufnahme zeigt den strukturierten Macronucleus deutlicher.
Die bearbeitete Fluoreszenzaufnahme zeigt den strukturierten Macronucleus deutlicher.
Rohaufnahme: Doppelfärbung mit Hoechst 33342 und Acridinorange.
Rohaufnahme: Doppelfärbung mit Hoechst 33342 und Acridinorange.

Michael
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Re: Spirostomum ambiguum: Nachweis der Micronuclei

#2 Beitrag von Michael » 28. Dezember 2018, 10:37

Hallo Thilo,

super! Da wundert es mich nicht mehr, dass ich die Mi bei einer einfachen Methylgrünfärbnung nicht entdeckt haben. Die kleinen Dinger liegen ja direkt am Ma.

Viele Grüße

Michael

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paramecium
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Re: Spirostomum ambiguum: Nachweis der Micronuclei

#3 Beitrag von paramecium » 28. Dezember 2018, 20:19

Lieber Michael,

erst heute fand ich zufällig einen weiteren wissenschaftlich Beleg, dass die Ciliaten bei der Supravitalfärbung mit Methylgrün oder Methylgrün-Pyronin versterben (Foissner, 2014). Durch die Deformation ist eine genaue Bestimmung nachträglich eigentlich nicht mehr möglich.

Ein Vorteil dieser Fluoreszenzfärbung mit Life-Cell-Imaging ist ja zwischen Hellfeld, Phako, schiefer Beleuchtung und Fluoreszenz wechseln zu können, um mir die Details der Zellen genau anzusehen und zu vergleichen. So kann ich mir unter anderem den Zellkern aus jeder Perspektive ansehen, während sich die Ciliaten durch den Detritus bewegen und beispielsweise drehen. Die Färbung zeigt nicht nur die Nuclei besser. Sie stellt bei einigen Gattungen auch die entlang der Cilienlinien liegenden sauren Vakuolen dar. So kann man diese Färbung zur Bestimmung der Arten sicherlich besser einsetzen, als die klassische Supravitalfärbung.

Saure Organellen entlang der Ciliatur werden unter anderem auch bei Spirostomum gefärbt. Ich reiche die entsprechende Aufnahme hier noch nach. Sie zeigt das Kopfende eines der untersuchten Exemplare. So ist die Färbung einfacher und sicherer zu bewerkstelligen, und kann die klassische Supravitalfärbung mit Methylgrün-Pyronin vorteilhaft ersetzen.

Da liegt gewiss noch Potential in der Fluoreszenzmikroskopie, das auch für systematische Arbeiten nicht zu unterschätzen ist.

Viele Grüße

Thilo

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Spirostomum-ambiguum-acidic-organelles.JPG

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