Frontonia leucas - tief in den Rachen geschaut

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paramecium
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Frontonia leucas - tief in den Rachen geschaut

#1 Beitrag von paramecium » 25. Dezember 2018, 18:29

Hallo Tümpler,

Ich wünsche frohe Festtage!

In letzter Zeit wurde ich von mehreren Mikroskopikern gefragt, wass es denn im Winter zu tümpeln gäbe. Da kann ich nur sagen: Einiges! Winterspaziergänge sind immer recht ergiebig. Nach der Dürre muss man feststellen: Sie sind wieder da. Und zwar zahlreich.

Am 16.12.2018 haben RalfF und meine Wenigkeit einige Proben bei einem Spaziergang nahe der Waldkapelle bei Rheinbach gesammelt. Hier gibt es einen kleinen Waldtümpel im Wald nahe der Kapelle. Es versteht sich von selbst, dass nicht nur die Ciliaten Nässe lieben, auch wir wurden ordentlich nass bei strömendem Regen. Aber es hat sich gelohnt.

In einer der Proben aus dem sumpfigen Waldtümpel fand ich bereits vor zwei Tagen einige größere Exemplare von Frontonia leucas mit der Stereolupe. Diese relativ große Art sprengt das Bildfeld eines 40-er Multi-Immersionsobjektiv problemlos. Aber hier ging es nicht darum, Frontonia komplett abzubilden. Vielmehr habe ich ihr mit der Fluoreszenz tief in den Schlund geblickt. Als Fluorochrom wurde DiOC6(3) verwendet, welches in solch hoher Dosis das endoplasmatische Reticulum (ER) färbt, und weniger die Mitochondrien selbst.

Verwendet Abkürzungen: veC = vestibuläre Cilienreihen, aMZ = Cilien der adoralen Membranellenzone, ER = endoplasmatisches Reticulum.

Im Hellfeld erkennt man mehrere gefressene Diatomeen sowie randlich unter der Cuticula eingelagerte Zoochlorellen. Die Detailaufnahme lässt die verschiedenen Cilienreihen der Mundbewimperung, vestibulären Cilienreihen sowie auch die Cilien der Membranellen erkennen. Ebenfalls sichtbar sind Extrusome und Mitochondrien.

In der Fluoreszenz: Man muss etwas pröbeln mit dem Licht und der Belichtungszeit, da Frontonia für ihre Größe recht flott unterwegs ist. Aber man bekommt sie mit Vaselinefüßchen und Geduld auch einigermaßen gebändigt. So erhält man auch mit Belichtungszeiten um 1/100s recht ordentliche Aufnahmen vom lebenden Tier. Die Strukturen des ER folgen den Cilienreihen und lassen in der Totalen sehr schön auch die prä- und postorale Naht erkennen. Die letzte Abbildung zeigt verschiedene Fokusebenen von links nach rechts tiefer hinabsteigend in den Schlund der Mundöffnung hinein. Dabei erkennt man im Vergleich mit der Detailaufnahme im Hellfeld auch, dass die vestibulären Cilienreihen jeweils in unterschiedlicher Tiefe angelegt sind. Von dem ER erkennen wir hier die gefärbte Oberfläche seiner (dreidimensionalen) Membran. Taucht man sich in die dreidimensionale Illusion hinein, erkennt man das Netzwerk der gefärbten Membran des endoplasmatischen Reticulums tatsächlich als eine Membranhülle um ein dreidimensionales Netzwerk. Parallel zu dessen Oberfläche verlaufen in der Pellicula die Cilienreihen. Der Name des Organells, nämlich "Reticulum", bezeichnet ein Netz. Entlang der Oberfläche erkennt man regelmäßige Gitterstrukturen. In derart regelmäßige, geometrische Muster gefaltet findet man das ER allerdings wohl fast nur bei Ciliaten mit ihren regelmäßig angeordneten Cilien. Man vergleiche mit den REM Aufnahmen, welche bei Foissner gezeigt sind (1994, Band III, S. 181f). In die Zelle nach unten blickend, löst sich die Gitterstruktur des ER unter der Pellicula rasch auf und es werden andere Knötchenstrukturen im filamentösen Netzwerk sichtbar. Zeitreihen-Aufnahmen lassen manchmal auch erkennen, dass das ER kein starres Gebilde ist, sondern in den Zellen permanent umgebaut wird.

Literatur:
Foissner, W., Berger, H., Blatterer, H., and Kohmann, F. (1994): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems-Band IV: Hymenostomata, Protostomatida, Nassulida. Informationsberichte Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft, München 1.94.

Weihnachtliche Grüße

Thilo

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