Bursaria truncatella: Schnittpräparation & Details

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Bursaria truncatella: Schnittpräparation & Details

#1 Beitrag von paramecium » 7. Januar 2018, 23:22

Ein frohes Neues Jahr in die Runde.

Seit einigen Monaten finde ich in den Wasserproben meines Studienobjekts größere Ansammlungen von Bursaria spec. (vermutlich B. truncatella). Geringe Vergrößerung ist vonnöten, um diese großen Ciliaten vollständig abzubilden. Lichtmikroskopisch erschließt sich die kompliziert gewundene Membranfaltung der Mundöffnung nur schwer. Am ehesten gelingen gute Abbildungen im Dunkelfeld.

Die Aufnahmen offenbaren einen Unfall bei der Präparation. Das erste pipettierte Exemplar wurde aufgrund zu geringer Öffnung der Pipette leider aufgeschnitten. Daher sieht das Exemplar reichlich zerfleddert aus. Das angeschnittene Exemplar lebte weiter, die Zelloberfläche schloß sich rasch selbst entlang der Schnittoberfläche. Überhaupt ist es erstaunlich welch komplizierte Deformationen und Zerstörungen der Pellicula die Ciliaten überleben können während sie sich binnen Minuten regenerieren.

Für die Abbildungen der Zelle von Bursaria spec. ist dies natürlich ein Glücksfall gewesen. Denn so erhält man einen Einblick in das Innere der Zelle. Gut erkennbar sind die adorale Organellenzone und einige Wimpern im Mundfeld. Der Schnitt offenbart zudem eine interessanten Einblick in die innere Faltung des vakuolisierten Zellplasmas. Mittels Fluorochromierung (z.B. DiOC) kann man die Trennung der Kompartimente zudem als Oberfläche des endoplasmatischen Reticulums anfärben (ohne Abbildung). Hier sind diese Kompartimente in der Zelle bereits ungefärbt an der Schnittfläche sichtbar, die hier wie ein poröser Schwamm aussieht.

Die zweite Abbildung zeigt ein unverletztes Exemplar im Dunkelfeld. Diese Bursaria hat wohl eine Schalenamöbe gefressen. Die übrigen transparenten Inklusionen sind wohl gefressene Ciliaten (vermutlich Vorticella spec. und Chilodonella spec., genaue Bestimmung steht noch aus), von denen es in der Probe reichlich gab.

Abbildungen mit einem 10x Objektiv am AxioLab.A1 mit Canon EOS 77D. Die violette Färbung stammt von dem Tripelbandfilter der Fluoreszenzeinrichtung. Aus künstlerischen Gründen habe ich hier auf eine Farbkorrektur der Aufnahme verzichtet. Abgebildet ist jedoch violett eingefärbte Dunkelfeldbeleuchtung.

Viel Spaß beim Betrachten.

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Re: Bursaria truncatella: Schnittpräparation & Details

#2 Beitrag von paramecium » 9. Januar 2018, 21:38

Hier noch einige Impressionen von der Jagd nach dem zerfetzten Bursaria truncatella. Die erste und die letzte Aufnahme liegen etwa 2 Minuten auseinander. Es wirkt, als würde die Zelle allmählich mit einem 3D Drucker neu aufgebaut.

Interessant finde ich auch den "Turboschacht", der sich durch die aufgeschnittene Zelle zieht. Dieser Hohlraum ist in gewöhnlichen, lichtmikroskopischen Aufnahmen gar nicht zu erkennen. Bestenfalls Foissner zeigt eine 3D Ansicht dieses Ciliaten anhand von REM Aufnahmen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der durchgängige Schacht, der hier als Hohlraum innerhalb der Zelle sichtbar wird, bei der Fortbewegung tatsächlich wie ein Turbinenmotor genutzt wird, während eine zweite, trichterförmige Schnecke zum Cytostom führt und während der Bewegung Nahrung aus dem Strom "abzweigt" und einstrudelt. Ernsthaft, so hatte ich mir Bursaria bislang noch nicht vorstellen können. Aber es macht durchaus Sinn, sich vorzustellen, dass das Wasser durch diesen Hohlraum gepumpt wird, um die Fortbewegung sicher zu stellen.

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Re: Bursaria truncatella: Schnittpräparation & Details

#3 Beitrag von paramecium » 9. Januar 2018, 22:19

Hier noch die fehlende Erläuterung zum inneren Aufbau der Zellschächte:

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Re: Bursaria truncatella: Schnittpräparation & Details

#4 Beitrag von paramecium » 9. Januar 2018, 23:19

Hier noch zwei Fluoreszenzaufnahmen in Doppelfärbung mit Acridinorange-Hoechst 33342. Die AO Färbung (oben, grün) bestätigt die Schnittbefunde. Die Kontrastierung zeigt die äußere Pellicula gefärbt. Erst nach dem Absterben der Zelle durch intensive UV beleuchtung (unten, Ho342) wird der gefärbte Zellkern durch die spezifische Blaufärbung der DNA erkennbar. Die weiteren Teile der Zelle erscheinen in der UV Beleuchtung mehr oder weniger in Autofluoreszenz (blaugrün).

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