Einige Beobachtungen an Epistylis

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Rainer
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Einige Beobachtungen an Epistylis

#1 Beitrag von Rainer » 9. September 2017, 16:52

Liebe Mit-Tümpler,

der folgende Beitrag kann und will sich weder fachlich noch fotografisch mit dem messen, was meist an dieser Stelle zu bestaunen ist. Ich stelle ihn in der Hoffnung ein, dass das Forum auch Anfängern offensteht, die erst allmählich die Mikroskopie, Mikrofotografie und das Tümpeln für sich erkunden.

In einer Tümpelprobe fiel mir eine kleine Posthornschnecke auf, die mehrere weißliche Schleier von 2-3 mm Länge mit sich herumtrug. Es handelte sich um sehr individuenreiche (bis über 100 Tiere) Kolonien des Glockentiers Epistylis, wahrscheinlich E. plicatilis, doch wage ich angesichts des Artenreichtums dieser Gattung keine endgültige Festlegung. Die einzelnen Tiere sind ca. 80-100 Mikrometer lang und schlank, der im Vergleich außerordentlich hohe Stiel misst bis zu 3 mm (!).


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Der Körperbau von Epistylis zeigt die charakteristischen Merkmale der Peritricha: Das Peristom am Vorderende des Zellkörpers wird von einer, in diesem Fall einzelnen, Wimpernreihe umwunden, die die Nahrung - wohl hauptsächlich Bakterien - in den Trichter der Mundöffnung und schließlich in den tief reichenden Schlund hinabstrudelt, wo sie in Nahrungsvakuolen ihrer Bestimmung zugeführt wird (auf dem 2. Foto ist zudem die kontraktile Vakuole in der Körpermitte zu erkennen):


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Der Großkern ist mehr oder minder halbmondförmig, er liegt im oberen Teil des Tieres, meist mehr oder minder quer zur Längsachse:


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Im Gegensatz etwa zu Vorticella kann Epistylis seinen Stiel nicht korkenzieherartig zusammenziehen; dieser ist vielmehr starr, kreisrund, infolge des Fehlens von Myonembündeln gewissermaßen hohl, weist jedoch eine deutliche Längsstreifung (Rippen?) auf:


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Die Kontraktion von Epistylis erfolgt im Zooid selbst: Blitzartig wird bei einer Störung der gesamte Körper mit Hilfe der Bildung von Querfalten zusammengezogen, das Peristomfeld sinkt ein und die ausgepägte Apikallippe legt sich kreisförmig schützend darüber. Am Körperende stülpt sich die letzte Querfalte über den Stielansatz der Skopula. Das kontrahierte Tier ähnelt dann in den äußeren Umrissen einer Amphore, die Querfalten erinnern an einen „Honiglöffel“:


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Die Kutikula weist eine sehr feine Querstreifung auf; ob diese beim Auffaltprozess eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen (die Qualität der Aufnahme ist mies, aber es gelang mir nicht, die Struktur besser abzubilden (1000x)):


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Wie Epistylis selbst als Ectokommensale auf der Oberfläche von Krebsen, Schnecken u.ä. lebt, waren die Stiele der Kolonie massenhaft von winzigen Zooflagellaten besiedelt, die sich offenbar ihrerseits mittels eines „Stiels“ in diesem verankern und damit das Verhalten von Epistylis mit umgekehrtem Vorzeichen und gewissermaßen um eine Ebene kleiner wiederholen:


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Mit besten Mikrogrüßen
Rainer
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ImperatorRex
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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#2 Beitrag von ImperatorRex » 9. September 2017, 23:07

Hallo Rainer,
eine wirklich sehr fesselnde und informative Dokumentation. Mir gefallen Deine Übersichtsfotos und die nachfolgenden Detailfotos mit den Erläuterungen außerordenlich gut! Vielen Dank.

Vielleicht handelt es sich bei den Stielchen Flagellaten um Codonosiga botrytis?
(http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=21&t=559)

viele Grüße
Jochen

Rainer
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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#3 Beitrag von Rainer » 13. September 2017, 13:54

Hallo Jochen,

herzlichen Dank für deine netten Worte und für den Link zu deinem fantastischen Codonosigna-Beitrag!

Ich glaube nicht, dass es sich bei "meinen" Zooflagellaten um Codonosiga botrytis handelt: Ich habe keine Verzweigungen der Stiele gefunden, die zudem ausnahmslos deutlich kürzer sind als die von dir gezeigten. Manche Individuen schwimmen auch frei.

Vielmehr tippe ich auf Salpingoeca, wenngleich das Gehäuse nur beim letzten Foto eindeutig zu erkennen ist.


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Herzliche Grüße
Rainer

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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#4 Beitrag von ImperatorRex » 15. September 2017, 22:30

Hallo Rainer,
danke für die weiteren Fotos. Du wohl recht, das sieht nicht nach Codonosiga aus. Über Salpingoeca habe ich leider wenig Fotos bzw. Beschreibungen im Internet gefunden. Da freue ich mich umso mehr über Deine Aufnahmen.

viele Grüße
Jochen

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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#5 Beitrag von MartinKreutz » 17. September 2017, 20:55

Hallo Rainer,

ein sehr schöner Beitrag zu Epistylis. Ich bin auch der Meining, dass es sich hier um Epistylis plicatilis handelt, auf Grund der sehr schlanken Zellform. Dass die Stiel der Peritrichen mit Flagellaten bepflastert sind, findet man häufiger. Die fressen an der herbeigestrudelten Nahrung gerne mit. Die Zuordnung dieser kleinen, sessilen Flagellaten ist sehr schwieirig. Auf dem letzten Foto Deines Hauptbeitrages glaube ich auf Grund des sichtbaren Stieles Codonosiga zu erkennen und schließe mich hier der Ansicht von Jochen an. Auf dem letzten Bild Deines nachgeschobenen Beitrages sieht die Sache anders aus. Hier scheint mir das Gehäuse des Flagellaten direkt auf dem Stiel von Epistylis zu sitzen. Ein Kragen ist auch deutlich sichtbar. Das müsste dann Salpincoeca sein. Ich vermute, auf Deiner Epistylis-Kolonie hat sich gleich ein ganzer Zoo von Flagellaten angesammelt.

Die Auflösung Deiner Bilder ist einwandfrei. Warum bist Du unzufrieden, wie Du die Streifung von Epistylis festgehalten hast? Besser bekomme ich die auch nicht hin. Was mir jedoch auffällt, ist die wechselnde Qualität bzgl. Kontrast und Hintergrund. Manchmal sieht es eher nach schiefer Beleuchtung aus, als nach DIK (z. B. das 2. Bild Deines Hauptbeitrages). Außerdem ist der Hintergrund manchmal etwas "wolkig", als wenn da noch Objekte in der Unschärfe liegen wurden. Manche Aufnahmen erscheinen mir überbelichtet. Z.B. das vierte Bild Deines Hauptbeitrages ist sehr schön gelungen (alles in der Schärfenebene) aber -1 bis -1,3 Belichtungskorrektur hätte es vertragen. Ich weiß nicht, wie Dein DIK live aussieht, aber bei mir ist es je nach eingestellter Stärke ein neutralgrauer Hintergrund. Bei starken DIK fast schwarz. Keinesfalls so hell wie Hellfeld. Ich versuche immer so zu belichten, wie ich es gesehen habe.

Martin

Rainer
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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#6 Beitrag von Rainer » 19. September 2017, 07:47

Hallo Martin,

danke für deine Stellungnahme und deine Tipps!

Du hast richtig gesehen: Bild Nr. 2 ist tatsächlich nicht mit DIK, sondern mit schiefer Beleuchtung mittels Kreutzblende :) am Laborlux 12 aufgenommen. Alle anderen Fotos entstanden mit DIK am Zeiss Standard WL. Hier habe ich tatsächlich ein Problem mit Ausleuchtung und Qualität; ich schreibe dir dazu noch eine PM, da das ja kaum von allgemeinem Interesse ist.

Zur feinen Querstreifung der Kutikula von Epistylis noch eine Ergänzung: Unter dieser findet sich bei genauem Hinsehen noch eine weitere Struktur:


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Ich halte die Längsstreifen für Muskelfibrillen, mittels derer Epistylis seine Körperkontraktionen bewirkt. Der Mechansimus scheint der gleiche zu sein wie bei Stentor, mit dem Unterschied, dass die Fibrillen sich beim Trompetentier über die ganze Körperoberfläche erstrecken, bei Epistylis jedoch apikal und basal fehlen; im hinteren Teil des Zooids findet sich sogar eine deutliche Trennlinie, an der die Fibrillen enden (oder, wenn man so will: beginnen). Eine Erklärung für diesen Unterschied habe ich ebenso wenig wie für die "Noppen" - Farbpigmente wie bei Stentor sind es in diesem Fall ja wohl nicht. Vielleicht weiß jemand mehr?

Herzliche Grüße
Rainer

MartinKreutz
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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#7 Beitrag von MartinKreutz » 19. September 2017, 20:14

Hallo Rainer,

ich habe Deine PM bekommen und antworte Dir noch darauf.

Die Strukturen unter der Pellikula sind Myosin-Fibrillen, welche für die Kontraktion des Zellkörpers verantwortlich sind. Die "Noppen" dazwischen sind die Mitochondrien, welche die Fibrillen mit "Saft" versorgen.

Zu den Mitochondrien möchte ich Dir noch einen meiner früheren Beiträge empfehlen:

http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... 1754#p1754

Das Foto ist gut. An den flach gelegten Flagellaten sehe ich, dass die Schichtdicke so ist, dass das 100X die volle Auflösung erreicht. So muss das sein!

Martin

Rainer
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Re: Einige Beobachtungen an Epistylis

#8 Beitrag von Rainer » 20. September 2017, 07:19

Hallo Martin,

vielen herzlichen Dank für die Aufklärung in Sachen Mitochondrien und in diesem Zusammenhang für den Link auf deinen entsprechenden Beitrag zu Carchesium: Der Text ist höchst informativ und die Fotos sind einfach nur großartig. Insbesondere das erste Gruppenfoto der Kolonie bei 20facher Vergrößerung ist ästhetisch so gelungen, dass es auch jenseits allen fachlichen Bezugs jede Fotoausstellung bereichern würde.

Mir ging es bis jetzt übrigens wie Ole in der Diskussion deines Carchesium-Beitrags: Auch ich habe die Mitochondrien bisher für Bakterien gehalten. Danke nochmals für die Richtigstellung!

Herzliche Grüße
Rainer

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