Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

Wimpertiere und Sauginfusorien
Antworten
Nachricht
Autor
Benutzeravatar
paramecium
Beiträge: 524
Registriert: 17. Oktober 2016, 13:48
Hat sich bedankt: 265 Mal
Danksagung erhalten: 264 Mal

Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

#1 Beitrag von paramecium » 2. Juli 2017, 17:57

Selten hat man das Vergnügen tatsächlich herauszufinden wie Ciliaten trockene Perioden überdauern. Die Witterungsverhältnisse der vergangenen neun Monate ließen ihnen jedoch keine andere Wahl.

Heute fand ich in einer gewässerten Moosprobe vom Rand eines seit Monaten mit nur kurzer Unterbrechung trockenen Sumpfgebiets viele Glockentierchen die sich gerade daran machten ihre Cysten zu verlassen, in denen sie trockene Perioden überdauern. So bot sich die Gelegenheit alle Stadien derselben Art binnen weniger Stunden zu fotografieren und auch die Cysten sowie den Vorgang des Schlüpfens der Peritrichen abzulichten (links oben und unten). In diesem Fall besitzt die leere Cyste mit ihrer regelmäßig genoppten Struktur einen gewissen Wiedererkennungswert.

Es handelt sich um einen recht kleinen Peritrichen mit ca. 35 µm Körperlänge, jedoch mit deutlicher Querstreifung. Anfänglich sieht man eine recht langsame Wimpernbewegung der gerade schlüpfenden Schwärmer (linke Abbildungen), wobei das Hinterende zur Trockencyste hin gewandt bleibt. Sie verlassen die Trockencyste mit dem Kopf (Pe) voran. Der sehr kurze Zeitraum ab dem die Wimperbewegung hektisch wird und das Tier den Rand der Cyste blitzschnell verlässt macht es schwer ein Foto im Moment des Ablösens zu machen und die Wandlung zur Schwärmerform zu sehen. Mit atemberaubendem Tempo rasen sie frisch geschlüpft und urplötzlich durchs Bildfeld. Der große Wimpernkranz der Schwärmerform (rechts oben, der Zellmund ist im Bild unten) sitzt am Hinterende - sozusagen Hecktriebler – und verliert sich bei dieser Art mit der sessilen Form (Mitte). Ein scharfes Foto der Schwärmer bleibt meist aussichtslos und bestenfalls ein unscharfer Zufallstreffer am Bildfeldrand. Die Schwärmer abzulichten gelingt erst nach einer Weile, wenn sie offenbar auf der Schnelle nach einem Untergrund suchen (rechts oben). Der Vollständigkeit halber habe ich noch einen kontrahierten Stiel abgelichtet (rechts unten). Der Kollege in der Bildfeldmitte zog seine Detritusflocke durch die Bewegung der Mundwimpern mit sich und schwamm so permanent durchs Bildfeld, solange er nicht kontrahierte. Seine Nahrungsvakuolen sind bereits prall mit Bakterien (Ba) gefüllt. Deren DNA lässt sich in Fluoreszenz besser färben, als der eigentliche Zellkern weswegen die Vakuolen bei gesättigten Exemplaren gerne mit dem Zellkern verwechselt werden können. Die gerade geschlüpften Individuen lassen hingegen den s-förmigen Schlund, die kontraktile Vakuole (cV) nahe des Peristoms (Pe) und vage einen Macronucleus (=Zellkern) erkennen. Die eben geschlüpften Individuen sind völlig nüchtern und zeigen noch keine Nahrungsvakuolen.

Angeregt durch Michaels Dokumentation wollte ich Euch gerne nun auch diesen Fund zeigen.

Alle Abbildungen wurden mit einem Objektiv 40x/0,75 erstellt. Die Fotos wurden mit einer Canon EOS 60D mit 1/1250s (Highpower LED, ohne Blitz) gewonnen. Die Proben wurden mit der Microliterpipette in kleinen Tropfen zu je 30 µl auf verschiedene Objektträger gegeben und mit dem Deckglas abgedeckt. Teils waren die Präparate in der feuchten Kammer zwischen gelagert. Sobald erkennbar war, dass das verdunstete Wasser Luftblasen zog, wurde mit der Mikroliterpipette am Rand des Deckglases ein kleiner Tropfen (ca. 10-15 µl) Wasser ergänzt. So konnten die Glockentierchen über drei Stunden beobachtet werden.

Glockentierchen-Montage.jpg
Glockentierchen-Montage.jpg (220.99 KiB) 6317 mal betrachtet
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor paramecium für den Beitrag (Insgesamt 6):
Lupo, ImperatorRex, Michael, Pelagodileptus, rainerteubner, Monsti
Bewertung: 75%
 

Michael
Beiträge: 279
Registriert: 24. März 2016, 11:40
Wohnort: 93128 Regenstauf
Hat sich bedankt: 190 Mal
Danksagung erhalten: 196 Mal

Re: Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

#2 Beitrag von Michael » 3. Juli 2017, 06:43

Hallo Thilo,

Glückwunsch zu der schönen Dokumentation. Es ist immer faszinierend, die Vorgänge über einen längeren Zeitraum zu verfolgen.
Ich glaube, ich muss auch mal auf Zysten achten.

Nur ein Tipp am Rande: Wenn man die Deckglasränder mit Vaseline abdichtet, kann man die Beobachtungszeit auch ohne feuchte Kammer und Nachfüllen über Wochen ausdehnen - einfach etwas Vaseline auf dem Handballen verstreichen und vor dem Auflegen mit den Deckglasrändern dünne Vaselinestege abstreichen und das Deckglas gut andrücken.

Viele Grüße und Danke fürs Zeigen

Michael

Benutzeravatar
paramecium
Beiträge: 524
Registriert: 17. Oktober 2016, 13:48
Hat sich bedankt: 265 Mal
Danksagung erhalten: 264 Mal

Re: Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

#3 Beitrag von paramecium » 3. Juli 2017, 20:53

Lieber Michael,

vielen Dank und auch Danke für den Tipp. Die Sauerstoff liebenden Ciliaten sind erfahrungsgemäß nicht so ganz einverstanden mit dieser Methode. Da ist es manchmal schon schwer sie nur in der feuchten Kammer über 24 Stunden zu halten. Mit den eher im anaeroben Milieu beheimatenen Kollegen wird das aber sicher gut funktionieren. Es gibt ja sogar Ciliaten, die Sauerstoff nicht vertragen. Da werde ich mich auch einmal dran begeben, wenn die Zeit reif ist.

Ich finde in meinen Proben massenhaft Cysten. Doch soviel Glück hatte ich bisher nicht.

Viele Grüße, wir sehen uns ja auf dem Dörnberg. Darauf freue ich mich schon.

Thilo

Michael
Beiträge: 279
Registriert: 24. März 2016, 11:40
Wohnort: 93128 Regenstauf
Hat sich bedankt: 190 Mal
Danksagung erhalten: 196 Mal

Re: Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

#4 Beitrag von Michael » 4. Juli 2017, 06:55

Hallo Thilo,

Du hast sicherlich recht, dass sich das Artspektrum bei abgedichteter Präparation verschiebt - es kommt halt immer darauf an, hinter welchen Beobachtungen man her ist.

Ich freue mich auch, Dich und die anderen Kollegen auf dem Dörnberg persönlich kennen zu lernen.

Viele Grüße

Michael

Benutzeravatar
paramecium
Beiträge: 524
Registriert: 17. Oktober 2016, 13:48
Hat sich bedankt: 265 Mal
Danksagung erhalten: 264 Mal

Re: Glockentierchen: Cyste, Schwärmer und sessile Form

#5 Beitrag von paramecium » 21. April 2020, 10:12

Nachtrag: Da der Link zum Bild nicht mehr existierte, habe ich das Bild nun ins Forum hoch geladen.

Antworten