Halteria grandinella, H. chlorelligera und H. oblonga

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MartinKreutz
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Halteria grandinella, H. chlorelligera und H. oblonga

#1 Beitrag von MartinKreutz » 19. November 2016, 23:12

Liebes Forum,

in den letzten Tagen und Wochen habe ich mich öfters mit Halteria grandinella beschäftigt. Obwohl dieser Ciliat so häufig ist, hatte ich bisher keine aussagekräftigen Fotos von ihm. Bei der Auswertung der Aufnahmen habe ich auch gleich meine gesamte „Halteria-Sammlung“ gesichtet. Hier möchte ich mal zeigen, was so im Laufe der Jahre aufgelaufen ist.


Halteria grandinella

Es muss nicht erwähnt werden, dass Halteria grandinella kein leichtes Objekt zum fotografieren ist, obwohl nicht einmal deckglasempfindlich. Jedoch nehmen die Viecher eine zu dünne Schichtdicke ziemlich übel und fangen an senkrecht zu kreiseln. Da muss man etwas mit der Schichtdicke spielen, dann klappt es ganz gut. Hier eine Ansicht in ventraler Ansicht mit der gut sichtbaren Mundöffnung:

Bild
MO = Mundöffnung

Wenn man den Fokus etwas tiefer legt, erkennt man die adoralen Membranellen der Mundöffnung besser.

Bild[
AZM = adorale Membranellen
SB = Springborsten

Wird nun der Fokus auf die Zelloberfläche gelegt, sind die schlitzförmigen Vertiefungen in der Äquatorebene zu sehen, aus denen die Springborsten entspringen. Meiner Population aus dem Ulmis Ried hatte 3 Reihen von Springborsten (es sollen 3-4 sein). Interessanter Weise fand ich in meiner Population von Halteria grandinella im Vergleich zur Beschreibung der Springborsten durch Foissners in seiner "Revision" eine Abweichung. Die vorderen beiden Reihen der Springborsten sollen nach Foissner aus nur einer Cilie bestehen, während die beiden hinteren aus zwei Cilien zusammengesetzt sein sollen. Auf dem Bild unten erkennt man jedoch deutlich (Pfeile), dass die beiden vorderen Springborsten aus je zwei Cilien besteht und die hintere, dritte Reihe, nur aus einer. Ob dies eine übliche Varianz ist, kann man bei einem beobachteten Exemplar nicht beurteilen. Besteht die Springborste aus zwei Cilien, so ist die vordere immer länger als die hintere. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Springborsten „Spliss“ haben:

Bild
SB = Springborsten
AZM = adorale Membranellenzone

Bei einer Ansicht vom Körperende her (posterior) ist die 7-zählige Symmetrie der Springborsten gut zu erkennen. Meines Wissens gibt es nicht viele 7-zählige Symmetrien im Tierreich, weshalb ich diese Aufteilung bemerkenswert finde:

Bild

Fokussiert man bei einer lateralen Ansicht auf die Körpermitte, ist der konisch geformte Mundboden zu erkennen, der manchmal in der Mitte auch kraterartig eingesenkt sein kann. Am Rande des Mundbodens entspringt die adorale Membranellenzone, die schließlich in die Mundöffnung „hineindreht“:

Bild
MB = Mundboden

In der apikalen Ansicht erkennt man die propellerartige Struktur der adoralen Membranellen, welche den Vortrieb für das schnelle schwimmen leisten:

Bild

Hier eine Aufnahme eines frei schwimmenden Exemplares, welches sich sehr schön in ventraler Ansicht präsentiert hat:

Bild

Die Kernverhältnisse von Halteria grandinella werden erst sichtbar, wenn man ein Exemplar stark quetscht. Mein Exemplar zeigte den typischen ovalen Makronukleus und zwei angelagerte Mikronuklei. Das steht im Widerspruch zur Beschreibung durch Foissner, der nur einen Mikronukleus angibt. Auch hier müssen weitere Untersuchungen zeigen, ob dies innerhalb der normalen Varianz liegt:

Bild

Vor einigen Jahren fand ich dann auch noch dieses "Paar". Ich halte diese Konstellation für eine Konjugation von Halteria grandinella, da ich keine zweite Mundanlage finden konnte, was ich typisch für einen "Teiler" halten würde. Außerdem teilt sich Halteria meines Wissens quer und nicht längs:

BildBildBild


Halteria chlorelligera

Neben Halteria grandinella findet man auch sehr selten die grüne Variante Halteria chlorelligera. Von H. grandinella unterscheidet sich diese Art hauptsächlich durch die Zoochlorellen. Sie ist aber auch wesentlich stattlicher und kann bis zu 50 µm lang werden. Die Springborsten sind auch anders angeordnet als bei H. grandinella. Ich hatte jedoch erst eine einzige Begegnung mit H. chlorelligera im Jahre 2008. Damals war ich froh, überhaupt ein paar Aufnahmen hin zu bekommen und habe die Springborsten nicht genauer untersucht. Damals wusste ich leider auch noch nicht, dass nach Beobachtungen von Kahl die Zoochlorellen einen Augenfleck haben sollen. Mir ist derzeit nur ein Fall eines Ciliaten bekannt, der Zoochlorellen mit Augenfleck hat und das ist Psilotricha viridis. Über diese seltsamen Zoochlorellen habe ich früher schon einmal berichtet (http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=22893.0). Bei einem Wiedersehen mit H. chlorelligera würde ich mir das auf jeden Fall genauer ansehen. Hier meine Bilder von 2008:

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Halteria oblonga

Diese Art wird von Kahl als die ursprünglichste der Gattung Halteria betrachtet. Sie lebt ausschließlich in der Gallerte der Alge Chaetophora und bildet darin kolonieartige Populationen. Die Springborsten dieser Art sind sehr kurz und werden oft nachgeschleppt. Diese Art wird offensichtlich nur sehr selten gefunden und noch seltener fotografiert. Im Laufe der Jahre hatte ich einige Begegnungen, jedoch konnte ich nur einmal eine Kolonie finden, wie Kahl sie beschreibt. Hier meine Bilder von Halteria oblonga:

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Hier die Kolonie von 27 Exemplaren in einer Gallerte:

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Viel Spass beim anschauen und selber beobachten!

Martin

Literatur:

Foissner, W., Blatterer, H., Berger, H. & Kohmann, F. (1991): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems – Band I: Cyrtophorida, Oligotrichida, Hypotrichia, Colpodea. – Informationsberichte des Bayer. Landesamtes
für Wasserwirtschaft, 1/91: 1–478.

Kahl, A. (1932): Urtiere oder Protozoa. I. Wimpertiere oder Ciliata (Infusoria). 3. Spirotricha. – Tierwelt Dtl., 25: 399–650.

Kreutz, M. (2008): Psilotricha viridis – ein Ciliat mit außergewöhnlichen Zoochlorellen. Mikrokosmos 97/6. 328 – 333.
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