vor einigen Wochen untersuchte ich Proben aus dem Ulmis Ried nahe der Uni Konstanz. In diesen Proben fand eine Art Massenentwicklung von Pseudomonilicaryon anser statt. Diesen großen und schönen Ciliaten kennen viele noch als Dileptus anser, bis er durch die Revision von Vdacny und Foissner zu Pseudomonilicaryon gestellt wurde:
Vďačný P., Foissner W. 2012. Monograph of the dileptids (Protista, Ciliophora, Rhynchostomatia). Denisia 31: 1–529.
Dieses, meiner Ansicht nach mal wieder wegweisende Werk, steht sogar full text im Internet zur Verfügung:
http://www.zobodat.at/pdf/DENISIA_0031_0001-0529.pdf
Mit dem ausgesprochen übersichtlichen typisch "foissner'schen" Schlüssel auf den Seiten 99 - 108 konnte ich meine Art eindeutig identifizieren. Ein wesentliches Bestimmungsmerkmal ist das Längenverhältnis zwischen dem "Rüssel" (Proboscis) und dem Zellkörper. Er soll 1:1 betragen, was bei meinen Exemplaren der Fall war. Dieses Bestimmungsmerkmal (Rüssellänge) ist jedoch nur bei vollständig gestreckten Exemplaren gut zu erkennen. Ich habe früher Pseudomonilicaryon anser schon häufig fotografiert, aber eigentlich immer nur kontrahierte oder gequetschte Exemplare. Im Netz gibt es eigentlich keine Fotos von gestreckten Exemplaren und auch Vdacny und Foissner liefern nur Zeichnungen. Das hat meinen Ehrgeiz geweckt, mich an diesem Objekt mal zu versuchen. Schon das erste Problem ist die stattliche Körperlänge von ca. 500 µm, die man irgendwie auf das Bild kriegen muss. Zweites Problem das ruhelose rumtasten des Rüssels durch alle Fokusebenen. Man muss den Moment erwischen, bis möglichst viel Körperpartien im Fokus liegen und dabei auf den Bildausschnitt der Kamera achten. Nur bei diagonal liegenden Exemplaren gelang mir die vollständige Abbildung. Natürlich auch wieder nur mit viel Materialschlacht. Hier einige Ergebnisse des vollständig gestreckten Exemplares Pseudomonilicaryon anser:



Hier "umgarnt" Pseudomonilicaryon anser Stentor roeseli:

Eine sehr typische Haltung bei Berührung mit Detritusteilchen:

Die Mundöffnung im Detail:

Im gequetschten Exemplar erkennt man weitere Bestimmungsmerkmale. Es gibt eine dorsal liegende Reihe von kontraktilen Vakuolen (Unterschied zu P. fraterculum, der die KV's über den Körper verteilt hat) und der Makronukleus ist perlschnurförmig mit angelagerten oder etwas im Abstand befindlichen Mikronuklei:

Ma = Makronukleus
Mi = Mikronukleus
KV = Kontraktile Vakuole
MO = Mundöffnung
Eigentlich fehlt hier nun noch ein ausschlaggebendes Merkmal, welches für die Bestimmung der meisten Ciliaten sehr wichtig ist, nämlich die Form der Extrusome. Da ich oben gezeigte Exemplare im Mikroaquarium mit Detritusteilchen aufgenommen habe, konnte ich die Schichtdicke nicht stark genug verringern, um diese mit Ölimmersion zu untersuchen. Vielleicht beim nächsten Mal!
Viel Spass beim anschauen!
Martin