Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

Nackt- und Schalenamöben sowie Sonnentiere
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Ole
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Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

#1 Beitrag von Ole » 24. Juli 2017, 17:54

Liebe Kollegen,

ich möchte hier einen Fund aus alten Diatomeenproben von der Uferbefestigung des Mains vorstellen – es handelt sich um eine Amöbe mit einem Gehäuse aus Diatomeenschalen. Nach Recherche auf der Seite von Ferry Siemensma (https://www.arcella.nl/) halte ich sie für einen Vertreter der Gattung Phryganella, mit meiner sehr begrenzten Erfahrung auf diesem Gebiet bin ich aber nicht sicher.

Zu Beginn zwei Fotos, bei denen die Amöbe die Pseudopodien an der Deckglasunterseite ausgestreckt hat. Die Pseudopodien können einzeln, lang-fingerförmig und verzweigt sein, aber auch eine breite Front bilden (rechte Teilabbildung, Pfeilspitzen)

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In den Proben fallen die Amöben schon bei schwacher Vergrößerung im Hellfeld zwischen einzelnen Diatomeen als dunkelbraune, unansehnliche Klumpen auf. Anfangs dachte ich an Detrituspartikel, wie sie sich häufig in älteren Proben im Bodensatz finden.

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Erst als ich am Rande der vermeintlichen Detritusflocken einzelne dieser braunen Gebilde näher untersuchte und das Präparat einige Minuten zur Ruhe gekommen war, zeigten sich fingerförmig-tastende, ziemlich rasch in der Form veränderliche Pseudopodien, die aus den bräunlichen Gebilden herauswuchsen. Der Zellkörper der Amöben ließ sich kaum von den Diatomeenschalen, die ein diffus-regellos wirkendes, intransparentes Gehäuse um die Zelle bilden, unterscheiden (Hellfeld, linke Teildarstellung).

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Glücklicherweise fand ich auch einige Zellen, deren Gehäuse weniger intransparent war und die im DIK schöne optische Schnitte erlaubten. Die Zellen weisen nur einen Kern (Nu), mehrere kontraktile Vakuolen (kV) sowie zarte Zytoplasmafortsätze auf, mit denen der Protoplast am Gehäuse angeheftet ist. Am Zellpol, dem die Pseudopodien entspringen, ist die Gehäuseöffnung weit und rundlich (rechte Teilabbildung).

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Abschließend eine Bewegungssequenz einer Zelle in sechs Einzeldarstellungen. Zwischen der ersten und der letzten Aufnahme liegt ca. eine Minute. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie diese Organismen ihre tastenden Pseudopodien vorstrecken und in einem nächsten Schritt den Zellkörper mit seinem „Rucksack“ bestehend aus Fremdkörpern – in diesem Fall Kieselalgenschalen – nachziehen.

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Viele Grüße

Ole
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MartinKreutz
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Re: Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

#2 Beitrag von MartinKreutz » 24. Juli 2017, 19:19

Hallo Ole,

ein sehr schöner Beitrag einer selten gezeigten Schalenamöbe! Ich habe immer Schwierigkeiten Phryganella zu erkennen, aber wenn ich mir Ferry's Bilder zum Vergleich ansehe, so scheint mir die Zuordnung plausibel. Zellkern, KV's, Größe und Form der Pseudopodien stimmen ja auch! Wie groß war die Schale denn? Dann konnte man vielleicht bis zur Art kommen!

Interessanter Weise war ich auch gerade mit einer Schalenamöbe beschäftigt, die ich massenweise in Proben aus dem Sima Moor gefunden habe und die Ähnlichkeit zu einer Phryganella spec. auf Ferry's Seite hat:

http://www.arcella.nl/phryganella-spec-2

Die soll jedoch unter 100 µm groß sein, während mein Vieh glatt 500 - 600 µm Durchmesser hat. Ich habe 3 Bilder von dieser "Riesenamöbe" unten angehängt. Da bin ich etwas ratlos, was das zu bedeuten hat und ob es überhaupt eine Phryganella ist.

Mal abgesehen davon, ist mir aufgefallen, dass die ersten beiden Bilder von Dir wieder diesen Grünstich haben, während die optischen Schnitte graublau erscheinen, was mir persönlich besser gefällt. Hast Du was am Weißabgleich geändert, oder was war der Trick?

Martin

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Ole
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Re: Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

#3 Beitrag von Ole » 24. Juli 2017, 19:47

Hallo Martin,

danke für die Rückmeldung - ich muss noch die Maßstabsbalken nachtragen, ich mache das bei Gelegenheit. Grob geschätzt würde ich sagen, dass die Zellen - ohne Pseudopodien - ca. 50 µm groß sind, also bedeutend kleiner als Deine riesengroßen Exemplare aus dem Sima-Moor. Zu denen kann ich leider nichts sagen, außer, dass sie wirklich gewaltig groß sind. Eventuell können Schalenamöben analog zu manchen Heliozoen syncytiale Fressgemeinschaften bilden?

Zum Thema Farbstich: Du merkst, bei mir ist von Grünblau über Braun im Phako alles drin. Ein sicherer Indikator der bisher mangelnden Stringenz in der Kontrolle der Aufnahmeparameter und der Nachbearbeitung. Und ein Zugeständnis an die zahlreichen Mikroskope, die natürlich alle genutzt werden wollen und alle ihre Eigenheiten haben. Das Braun beim Phako ist der typische Leitz-Phako (am Ortholux I), etwas gemildert durch "Fotofilter kalt" in Photoshop. Das Graublau bei den DIK-Aufnahmen mit hoher Vergrößerung und Ölimmersion ist bedingt durch einen Kaltfilter sowie Hochregeln von Blau und Rot ...

Viele Grüße

Ole

Eckhard
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Re: Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

#4 Beitrag von Eckhard » 29. Juli 2017, 16:17

Hallo Ole,

eine schöne Dokumentation! Die Pseudopodien Deiner Amöbe sind typisch für Phryganella.

Martin, das sieht mir eher aus wie Leptomyxa, vergleiche mal hier: http://penard.de/Explorer/Amoebozoa/Tub ... tomyxidae/

Leptomyxa liebt es, sich unter einer Detritusflocke zu verstecken. Die Pseudopodien regieren sofort auf Licht und sind schwer zu fotografieren.

Herzliche Grüße
Eckhard

MartinKreutz
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Re: Phryganella spec. (?) aus Uferproben des Mains

#5 Beitrag von MartinKreutz » 30. Juli 2017, 18:56

Hallo Eckhard,

ich glaube, Du hast recht! Das scheint eine Leptomyxa zu sein. Das Phänomen der Lichtempfindlichkeit kenne ich sehr gut. Ich hoffe, dass ich das Vieh nochmal finde, um die Kerne zu untersuchen. Die von Leptomyxa sehen meistens aus wie ein Spiegelei.

Martin

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