Leidys "Ouramoeba vorax"

Nackt- und Schalenamöben sowie Sonnentiere
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MartinKreutz
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Leidys "Ouramoeba vorax"

#1 Beitrag von MartinKreutz » 22. Juni 2017, 11:47

Liebes Forum,

ich habe einen meiner alten Beiträge aus dem Mikroskopie-Forum restauriert und ein update verpasst. Es geht um Ouramoeba vorax, welche Joseph Leidy 1879 ausführlich beschrieben und gezeichnet hat. Diese Amöbe konnte ich erstmals 2009 im Simmelried finden und 2010 dann noch einmal. Aber sie also ist nicht gerade häufig anzutreffen.

Leidy hat die Pilzhyphen am Hinterende der Amöbe offensichtlich nicht als Parasiten erkannt, sondern als Bestandteil der Amöbe, weshalb er einen eigene Art definiert hat. Es gibt nur wenige belegte Funde und Untersuchungen an diesem parasitischen Pilz. Die umfangreichste stammt wahrscheinlich von Geitler (1937), der den Pilz zu den Kladochytriazeen gestellt hat. Ich selbst kann da nicht mitreden, da in keiner Weise Pilzexperte. Genau 70 Jahre später (2007) hat Ernst Hippe diese Amöbe wiedergefunden und im Mikroskomos beschrieben (Lit. s. unten). Ich musste noch mal 2 Jahre warten, bis ich diesen seltsamen Fall von Parasitismus selbst beobachten konnte.

Ich habe versucht herauszufinden, welche Amöben Spezies der Wirt ist. Darüber gibt es leider keine Informationen. Ich habe insgesamt ca. 10 befallene Exemplare untersuchen können. In den meisten Fällen war der Wirt eindeutig Amoeba proteus, erkennbar am typischen Kern und einer KV (und natürlich den Abmessungen). Beim pressen einiger befallener Exemplare konnte ich jedoch 3 – 5 Kerne finden. Diese Kerne hatten das typische Aussehen der Chaos-Arten (etwas elliptisch, eingedellt mit peripherem Granula). Für eine der typischen Chaos-Arten (Chaos carolinensis oder Chaos nobilis) waren es jedoch viel zu wenige. Für Amoeba proteus waren es zu viele (jedenfalls habe ich noch von keiner A. proteus mit mehreren Kernen gehört). Ich fand diese „wenigkernigen“ Amöben auch ohne Parasitenbefall in der gleichen Probe, wie die befallenen Exemplare (Fotos, s. unten). Die Theorie, dass der Pilz die A. proteus dazu bringt, mehrere Zellkerne auszubilden, ist damit hinfällig. Mit scheint die mehrkernige Amöbe eine eigene Art zu sein und da liegt meiner Ansicht nach Chaos nobilis am nächsten.

Die mir vorliegende Literatur zu Ouramoeba vorax:

Leidy, J. (1879): Fresh-Water Rhizopods of North America. Washington, Government Printing Office.

Geitler, L. (1937): Über einen Pilzparasiten....Biol. Zentralblatt, 166-175.

Hippe, E. (2007): Die Borstenamoebe – Leidys Ouramoeba vorax und ihr Pilz. Mikrokosmos 96, 204.

Hier nun ein kleines Video von dem Pilzbefall. Die Aufnahmen wurden größtenteils in einem Mikroaquarium aufgenommen. Besonders interessiert haben mich die Haustorien, also die Teile des Pilzes, der für die Verankerung in der Amöbe zuständig sind:

https://youtu.be/GZCkIEihARI

Hier noch einige Fotos von den Funden. Interessant ist, dass die Haustorien sich stets am Uroid der Amöbe sammeln. Es muss also Unterschiede in der Membranstruktur der Amöbe geben, so dass der Pilz "weiß", wo er sich verankern muss.

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Beim langsamen quetschen der Amöbe werden die Haustorien (HA bzw. H) sichtbar. Auf der Aufnahme unten erkennt man auch eine beginnende Abschnürung (AB) einer Pilzhyphe. Ich nehme an, die abgefallen Pilzhyphen werden durch andere Amöben phagocytiert und dadurch infiziert (Privatmeinung!):

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Die Pilzhyphen haben die Form einer Haarnadel. Am scharfen Wendepunkt der Schlaufe (SC) befindet sich das schmetterlingsförmige Haustorium. Das Haustorium scheint in dem Plasma versenkt zu sein. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Tatsächlich veranlasst der Pilz die Amöbe eine Einstülpung der Plasmamembran auszubilden, in der das Haustorium einsinkt (s. Beitrag von L.O. Ivanova: http://protistology.ifmo.ru/num5_1/abstracts.pdf auf S. 30):

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Die folgenden Aufnahmen zeigen eine der "wenigkernigen" Amöben, die von diesem Pilz befallen werden, aber auch als nicht (sichtbar) infizierte Exemplare in der Probe zu finden waren:

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Hier die Kerne der "wenigkernigen" Amöbe im Detail:

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Die "wenigkernige" Amöbe hat meiner Ansicht nach große Ähnlichkeit mit Chaos nobilis, die hier zu sehen ist:

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Die Zellkerne von Chaos nobile im Detail:

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Hier der direkte Vergleich von Amoeba proteus mit Chaos nobile. Zufällig trafen sich Exemplare dieser beiden Arten in meinem Mikroaquarium:

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Viel Spass beim anschauen!

Martin
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