Raphidiophrys elegans

Nackt- und Schalenamöben sowie Sonnentiere
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MartinKreutz
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Raphidiophrys elegans

#1 Beitrag von MartinKreutz » 12. April 2016, 18:59

Liebes Forum,

das Sonnentier Raphidiophrys elegans ist in meinem bevorzugten Fundort Simmelried sehr häufig zu finden. In manchen, älteren Proben, treten sogar Massenentwicklungen auf. Diese Art tritt solitär auf, bildet aber meistens Fressgemeinschaften, die über Plasmabrücken verbunden sind. Da diese Gebilde dreidimensional sind, ist es schwierig dieses Konstrukt fotografisch darzustellen. Aber vor einigen Wochen hatte ich dass Glück, dass sich eine Fressgemeinschaft von 8 Exemplaren in einer Ebene angeordnet hatte. Gleich mal abgelichtet, da sich die Kololonie ständig verändert und bewegt. Die einzelnen Individuen haben einen Durchmesser von ca. 30 µm:

Bild

Diese Kolonie besteht aus Individuen, die alle Zoochlorellen tragen (s. oben). Bei Raphidiophrys treten jedoch auch Populationen und Kolonien ohne Zoochlorellen auf. In seltenen Fällen treffen sich diese und finden sich zu Fressgemeinschaften zusammen. Auf dem folgenden Bild erkennt man links deutlich die Kolonie ohne Zoochlorellen:

Bild

Die Individuen mit Zoochlorellen können auf den ersten Blick mit Raphidiophrys viridis verwechselt werden. Um diese zu differenzieren, ist es notwendig, sich die sogenannten Spicula (= Schuppen oder engl. scales) genauer anzuschauen. Bei Raphidiphrys elegans sind diese oval, mit einem hoch gebogenen Rand (http://www.arcella.nl/raphidiophrys-genus) während sie bei Raphidiophrys viridis langgestreckt bootsförmig sind (http://www.arcella.nl/raphidiophrys-viridis). Fokussiert man auf Höhe des Zellkörpers eines gequetschten Exemplares, erkennt man die Schuppen teilweise im Längsschnitt. Sie erscheinen dann U-förmig:

Bild
SC = Spicula im Längsschnitt
ZO = Zoochlorellen

Fokussiert man auf die Zelloberfläche auf die dort aufliegende Spicula-Schicht, erkennt man deutlich die ovalen Schuppenform von Raphidiophrys elegans. Lichtmikroskopisch lässt sich noch gerade der geriffelte, hochgebogene Rand erkennen:

Bild
SC = Spicula in Aufsicht

Die Spicula bedecken nicht nur den Zellkörper, sondern ziehen sich auch um die unteren Teile der Axopodien hoch. Dies ist ein weiteres Bestimmungsmerkmal von Raphidiophrys elegans:

Bild
SC= Spicula
AX = Axopodium

Betrachtet man die Plasmabrücken zwischen den Einzelindividuen einer Fressgemeinschaft genauer, erkennt man manchmal schon bei geringer Vergrößerung die darin verlaufenden Axoneme. Die Axoneme bilden zusammen mit umgebenden Plasma die Axopodien. Die Axoneme strahlen jedoch nicht nur nach außen, sondern dienen auch zum Zusammenhalt der Kolonie:

Bild
AX = Axopodium mit sichtbaren Axonemen
KV = kontraktile Vakuole

Um das mal genauer zu betrachten, muss man die Exemplare kräftig quetschen. Nur so erreicht man einen Blick ins Innere mit entsprechender Auflösung. Da die Gattung Raphidiophrys zu den Centroheliden gehört, erkennt man hier deutlich die sogenannten Centroplasten, welche für die Organisation der Axonema-Aufbaus zuständig sind. Alle Axonema nehmen dort ihren Ursprung. Bei den gequetschten Exemplaren erkennt man auch den Zellkern, der sonst schwer erkennbar ist:

Bild
CP = Centroplast
AX = Axoneme
ZK = Zellkern
KV = kontraktile Vakuole

Viele Spass beim anschauen!

Martin

Ole
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Re: Raphidiophrys elegans

#2 Beitrag von Ole » 13. April 2016, 06:56

Hallo Martin,

eine fantastische Dokumentation, vielen Dank dafür! Die Qualität der Bilder ist natürlich über jeden Zweifel erhaben. Sehr interessant finde ich, dass sich auch in dem von Dir beobachteten Fall - wie bei Angies Exemplaren - die Zellen von Raphidiophrys nicht direkt verbinden, sondern Plasmabrücken untereinander und damit insgesamt ein Maschenwerk bilden.

Es leuchtet ein, dass sich die Axonemen (Axonemata?) an der Fusion der Zellen beteiligen, Deine Bilder zeigen dies sehr genau. Was meine Fragen im anderen Helizoen-Beitrag betrifft, hast Du natürlich Recht: Wenn man genauer darüber nachdenkt, lassen sich zahlreiche Beispiele für die Fusion von Biomembranen finden. Dennoch finde ich es immer wieder faszinierend, sich vorzustellen, wie die Vorgänge auf zellbiologisch-molekularer Ebene ablaufen können. Ich bin da sicher kein Experte, kenne aber aus meinem eigenen Feld Beispiele von zellulär-ultrastrukturellen Phänomenen, bei denen der Mechanismus im einzelnen noch weitgehend unverstanden ist. Aber dies braucht uns Amateure bei der Freude an unseren Objekten ja nur bedingt bekümmern ...

Da dieses Forum explizit kein Technik-Forum sein soll, will ich einen letzten Punkt gar nicht unbedingt zu sehr ausbreiten, er interessiert mich aber dennoch. Deine DIK-Aufnahmen sind immer von so überragendem Kontrast und einer Klarheit, dass man nur staunen kann. Ich kenne ein Olympus BX 61 (?) eines Kollegen und meine, den Charakter Deiner Fotos auch bei der Beobachtung durch dieses Mikroskop wieder zu erkennen. Ist dieser DIK-Charakter Olympus-spezifisch? Wie stark bearbeitest Du den Kontrast im nachhinein? Ich bin mit meinem fein zeichnenden Zeiss-System ebenfalls sehr zufrieden, aber der Olympus-DIK scheint ja fantastisch für Tümpel-Objekte zu funktionieren (Einzelheiten ggf. per PN?).

Viele Grüße

Ole

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Monsti
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Re: Raphidiophrys elegans

#3 Beitrag von Monsti » 13. April 2016, 09:38

Hallo Martin,

leider sehe ich Deine Bilder nicht. :wicked_011: Woran kann das liegen, bzw. wie kann ich das beheben?

Viele Grüße
Angie
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MartinKreutz
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Re: Raphidiophrys elegans

#4 Beitrag von MartinKreutz » 13. April 2016, 19:17

Hallo zusammen!

@Angie: Ich sehe die Bilder einwandfrei und Ole offensichtlich auch. Ich habe gerade die links in meinem Beitrag kontrolliert und sie sehen "unverdächtig" aus. Ich glaube nicht, dass ich was falsch gemacht habe.

@Ole: Danke für das Lob bzgl. Klarheit meiner Bilder, obwohl ich selbst damit keineswegs immer zufrieden bin. Zum einen ist der Olympus DIK in Verbindung mit meinen UPlanfluoriten wirklich sehr kontrastreich. Ich habe hier im Forum meine Konstellation am Mikroskop ja schon vorgestellt (http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=35&t=308). Die Abbildungsqualität der Optik ist jedoch nur ein Teil der Miete. Bei den Bildern in diesem Beitrag ist nur das erste Bild digital aufgenommen, nämlich mit meiner jetzigen Olympus EP-1 im Jahre 2014. Alle Bilder darunter sind mit einer Olympus OM-2 auf Diafilm aufgenommen worden. Man erkennt deutlich, dass die Dynamik der analogen Aufnahmen nicht an die digitale Aufnahme heranreicht. Deshalb war die Einführung der Digitalfotografie für mich ein echter Fortschritt. Den Rest erledige ich in Photoshop. Jedes Bild erhält eine individuelle Behandlung. Dabei habe ich von dem Beitrag von Peter V. "Photoshop für Dummies" im Mikroskopie Forum viel gelernt (http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18130.0). Ich stelle alle meine Bilder auf neutral grau ein, seit ich mit einer Digitalkamera fotografiere, zumal meine jetztige E-P1 auch einen guten Weißabgleich hat und schon fast neutralgrau liefert. Außerdem ebne ich (fast) immer den Hintergrund, so dass es gradientenfrei wird. Ein sehr wichtiges Werkzeug ist noch das Anti-Noise plug in "Noiseware professional" für Photoshop, mit dem ich alles schön glatt mache, was beim Auge immer sehr gut ankommt. Mit diesem Wrkzeug muss man aber vorsichtig umgehen, weil Details schnell verschwinden.

Martin

Ole
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Re: Raphidiophrys elegans

#5 Beitrag von Ole » 14. April 2016, 17:12

Hallo Martin,

vielen Dank für die Erläuterungen und Hinweise zur Bildbearbeitung. Ich habe das Gefühl, dass hier bei mir noch erheblich Luft ist. Ich optimiere bei den Parametern Tonwertkorrektur, Helligkeit, Kontrast und manchmal Farbsättigung - aber immer nur nach dem optischen Eindruck am Bildschirm und ohne genau zu wissen, was ich eigentlich tue (vom Arbeiten mit dem RAW-Format ganz zu schweigen, ich prozessiere nur JPEGs). Eine Frage kam mir noch: Was heißt "ich stelle alle meine Bilder auf neutral grau ein"? Nimmst Du dies an der Kamera vor oder im Nachhinein bei der Bildbearbeitung?

Die Ciliaten-Bände sind übrigens schon gekommen - ich bin begeistert, toller Hinweis.

Viele Grüße

Ole

MartinKreutz
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Re: Raphidiophrys elegans

#6 Beitrag von MartinKreutz » 14. April 2016, 19:28

Hallo Ole,

also bei deinen Aufnahmen ist bezgl. Bildbearbeitung wirklich noch Luft nach oben. Aber jeder muss seinen eigenen Weg finden und viele lehnen eine Bildbearbetung strikt ab, was auch legitim ist. Ich sage immmer: das Auge isst mit!

Mit Neutral grau einstellen meine ich folgendes. Die Kamera hat einen manuellen Weißabgleich, die ich bei den Blitzaufnahmen nutze. Es wird aber nicht immer neutral grau, weil das Pilotlicht ja auch noch mit reinleuchtet (also meine normale Halogenbeleuchtung vom Mikroskop). Die ist immer etwas unterschiedlich stark eingestellt, je nachdem wieviel ich vom Objekt beim fotografieren sehen muss. Am besten wäre natürlich das Pilotlicht ganz auszuschalten und nur den Blitz machen zu lassen. Aber dann sieht man ja nicht was fotografiert wird. Deshalb stelle ich immer auf ein Dämmerlicht ein. Aber immer unterschiedlich. Das bedeutet letztendlich, dass der manuelle Weißabgleich, der genau genommen nur für eine Belichtungssituation gilt, nicht immer funktioniert. Dann wird das Bild gelblich oder bläulich, je nachdem. Dass korrrgiere ich dann mit Farbbalance in PS. Das geht aber auch nicht 100%ig (wenn Du es probierst, wirst Du es merken), weil der DIK einen Gradienten verursacht. Also, ich merke beim schreiben, dass es doch nicht so einfach ist! Jedenfall korrigiere ich die letzten Farbspuren mit der Funktion "Farbe ersetzen". Eine sehr nützliche Funktion. Ich gehe auf einen "verfärbte" Stelle im Bild und nehme diese mit der "Pipette" auf. Danach setze ich die Farbwerte auf "0" und schon ist alles neutral grau. Mit dem Empfindlichkeitsregler kann man es so einstellen, dass das Objekt natürlich möglichst nicht entfärbt wird. Fall Du PS hast, probier mal die Funktion "Farbe ersetzen".

Martin

Eckhard
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Re: Raphidiophrys elegans

#7 Beitrag von Eckhard » 16. Juni 2016, 19:58

Hallo Martin,

Sehr interessante Bilder. Dass die Axoneme sich verbinden, habe ich nicht gewusst.

Herzliche Grüße
Eckhard

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