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Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 22. September 2018, 14:22
von Rainer
Liebe Mit-Tümpler,

da ich es schade finde, dass diese schöne und luxuriös ausgestattete Seite recht wenig besucht wird, möchte ich den einen oder anderen Fund hier zeigen.

Heute handelt es sich um einen sehr kleinen und unauffälligen Organismus, der jedoch sehr verbreitet zu sein scheint.
So finde ich in meinen Proben, die überwiegend aus unterfränkischen Tümpeln und Weihern, vor allem aus dem Birkensee auf dem unterfränkischen Schwanberg bei Rödelsee, stammen, häufig eine Struktur, die mir bisher rätselhaft war:

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Es handelt sich um sehr kleine gelbbraune, mehr oder minder runde Gebilde, die an kleine Vulkane oder Seepocken erinnern und dem Objektträger oder Deckglas direkt anhaften, oft in großer Zahl und meist umgeben von Bakterienrasen. Ich konnte diese „Flecken“ nicht zuordnen, nicht einmal sagen, ob es sich um belebte oder unbelebte Strukturen handelt, wenngleich ich an kleine Gehäuseamöben wie die Microgromiidae oder auch an Bakterienkolonien denken musste.

Erst mit der Hilfe von Wolfgang Bettighofer aus Kiel gelang mir jetzt die Identifikation dieser Gebilde. Es handelt sich um Kragenflagellaten der Gattung Diplosigopsis, die auch als Aufwuchs auf Fadenalgen zu finden sind:

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Die bekanntesten und vielleicht auch häufigsten Kragenflagellaten dürften wohl Salpingoeca sein, die wahrscheinlich jeder Tümpler schon einmal gefunden hat:

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Im Vergleich zu Salpingoeca ist bei Diplosigopsis der Flagellat selbst schwerer zu entdecken, weil er etwas kleiner und völlig farblos ist und leicht durch die gelbbraune Färbung des Gehäuses überdeckt wird. Zudem findet man nur selten Exemplare in fotogener Seitenansicht, in der Regel blickt man von oben darauf und übersieht dabei die feinen Geißeln, die meist mehr oder weniger vertikal nach oben ausgerichtet und daher schwer zu fokussieren sind.

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Die ganze Zelle misst etwa 5-10 µm im Durchmesser (Messbalken in Bild 2 links unten: 10µm), die Farbe des Gehäuses entsteht durch allmähliche Einlagerung von Eisen- und Manganverbindungen.
Mitunter lassen sich neben der zentralen Geißel auch die feinen „Kragenflagellen“ erkennen:

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Häufig sind die Gehäuse von Ansammlungen von Bakterien, möglicherweise auch Pilzen umgeben, die auf dem Gehäuse haften. Diese Erscheinung kann ich derzeit nicht interpretieren.

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Bei einem Exemplar fand ich mehrere sehr lange Fäden, die von ihm ausgingen. Auch das kann ich nur zeigen, aber nicht erklären:

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Für Hinweise wäre ich sehr dankbar!

(Zeiss Standard WL PA 63x/1,4, Zeiss Axiophot PA 63x/1,4)

Herzliche Grüße
Rainer

Re: Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 28. September 2018, 08:25
von Michael
Hallo Rainer,
ich möchte Dir für Deinen schönen Beitrag und den super Fotos danken! Diese Organismen haben mir schon lange Rätsel aufgegeben. Vor einiger Zeit habe ich im Mikroskopie-Forum mal diese (oder ähnliche?) Flagellaten gezeigt und als Artdiagnose Salpingoeca marssonii erhalten (https://www.mikroskopie-forum.de/index. ... c=31084.17), Nach Deinem Beitrag denke ich, dass die Färbung und die Gehäuseform dann doch eher für Diplosigopsis spricht. Kennst Du irgend eine frei zugängliche Quelle, wo man sich etwas näher über diese interessanten Organismen informieren kann?

Angeregt durch Deinen Beitrag beobachte ich seit ein paar Tagen die Flagellaten im Deckglas-Aufwuch eines meiner Mikroaquarien. Dabei scheint es, als wären junge Exemplare vollkommen transparent und würden erst im Laufe einiger Tage Farbe einlagern.

Viele Grüße

Michael

Re: Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 28. September 2018, 13:46
von Rainer
Hallo Michael,

vielen Dank für deine Antwort und die netten Worte!

Ich habe mir den Thread, auf den du verweist, angesehen. Zunächst möchte ich auch dir zu deinen Aufnahmen unserer fraglichen Species gratulieren, insbesondere, da sie "nur" unter Zuhilfenahme schiefer Beleuchtung entstanden sind, wenn ich das richtig verstanden habe. Echt prima.

Nun möchte ich eigentlich keinesfalls Martin Kreutz widersprechen, mit dessen Wissen und Erfahrung ich mich nicht ansatzweise messen kann. Jedenfalls zeigen wir beide denselben Einzeller. Bei der Bestimmung war mir Wolfgang Bettighofer behilflich, der sich wiederum auf Prof. Klaus Hausmann und Prof. Szewzyk beruft, die seinen eigenen Fund (http://protisten.de/german/gallery_main ... _main.html) verifizierten. Nun scheint mir dieser und unserer wirklich sehr, sehr ähnlich, und, wie du ja auch schreibst, sind Färbung und Gehäuseformen der Salpingoeca-Arten doch abweichend. Ich würde also mal bei der Bestimmung als Diplosigopsis bleiben.

Leider kenne auch ich keine weitere Literatur oder sonstige Quelle zu diesem Flagellaten. In den einschlägigen Internet-Datenbanken finden sich nur kurze Einträge, im "Stein" ist D. nicht erwähnt.

Deine Beobachtung, dass die gelbbraune Färbung erst mit der Zeit eingelagert wird und junge Exemplare noch farblos sind, kann ich bestätigen!

Herzliche Grüße
Rainer

Re: Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 29. September 2018, 12:47
von Michael
Hallo Rainer,

schön, dass Dir meine Fotos gefallen haben. Das freut mich um so mehr, da Du Erfahrung mit diesem schwierig zu fotografierenden Organismus hast. Ich bin recht zufrieden mit meiner schiefen Beleuchtung - zumindest das Preis-Leistungsverhältniss ist unschlagbar!

Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert und habe nach einiger Zeit doch noch ein altes Buch aus dem Jahr 1910 gefunden, in dem die Arten genauer beschrieben sind:

Lemmermann, E: Algen I. (Schizophyceen, Flagellaten, Peridineen) (Download: https://archive.org/details/algenischiz ... mm/page/n7)

Die Gattungen Salpingoeca und Diplosigopsis sind wirklich sehr ähnlich. Salpingoeca hat einen Kragen um die Gehäuseöffnung, den ich bei mir sehe. Der Flagellat hat hier nur einen einfachen Kragen. Folgt man dem Artenschlüssel, gelangt man bei Salpingoeca marssonii an, bei dem die braune Färbung des Gehäuses erwähnt wird.
Bei Deinen Organismen sehe ich keinen Kragen am Gehäuse aber ich glaube zwei Kragen bei den Flagellaten zu erkennen. Dann ist man bei der Gattung Diplosigopsis. Bei Lemmermann wird dann auch eine gefärbte Art erwähnt: D. affinis

Ich würde also sagen, dass unsere beiden "Experten" Recht hatten, aber wir nicht die gleiche Art gesehen haben. Es kommt halt auf Feinheiten an, auf die ich als Flagellaten-Anfänger überhaupt nicht geachtet habe!

Viele Grüße und ein schönes Wochenende

Michael

Re: Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 30. September 2018, 08:48
von Rainer
Hallo Michael,

vielen herzlichen Dank für den Literaturhinweis auf Lemmermann (kannte ich nicht) und den Link auf dieses phantastische Literaturarchiv, das in den gefundenen Büchern sogar eine Volltextrecherche bietet!

Ich habe dort nachgelesen und stimme dir zu: Bei unseren Funden handelt es sich vielleicht doch um verschiedene Arten, so dass beide Experten durchaus Recht hätten. Allerdings scheint mir die von dir vorgeschlagene Art D. affinis auf "meinen" Flagellaten nicht zutreffend: Sein Gehäuse ist weder spindelförmig noch am Ende zugespitzt, sondern ähnelt wieder eher dem von S. marssonii.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass ich als Fast-noch-Anfänger (nicht nur bei den Flagellaten) bei künftigen Bestimmungsversuchen vorsichtiger und zurückhaltender sein werde!

Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag,
Rainer

Re: Der Kragenflagellat Diplosigopsis

Verfasst: 24. Oktober 2018, 19:47
von paramecium
Hallo Rainer,

diese Dinge habe ich auch schon oft gesehen. Jedoch habe ich (unwissend) zwischen den verschiedenen Stadien keinen Zusammenhang erkannt.

Vielen Dank für diesen Beitrag!

Gruß

Thilo