Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

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Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#1 Beitrag von ImperatorRex » 14. April 2017, 19:35

Die hier gezeigte Wasserprobe wurde meinem "Hausgewässer", dem "Neuen Kanal" in Bruchsal, Ortsteil Büchenau, einem Entwässerungskanal entnommen. Im Sommer gibt es einen sehr intensiven Bewuchs des Kanales mit Wasserpflanzen, auf der Wasseroberfläche finden sich dann auch großflächige Bereiche mit Wasserlinsen.
Ach ja, "Frösche" gibt es auch und ab und zu lässt sich auch ein Storch blicken. :P

Foto des "Neuen Kanales" im Sommer:
https://ka.stadtwiki.net/Datei:NeuerKanal.jpg

Im Herbst / Winter wird der Kanal ausgeräumt und es sieht dann so aus:
http://www.bruchsal-buechenau.de/assets ... _Kanal.jpg

Im November 2016 habe ich eine Wasserpflanze mit Kieselalgenbewuchs aus dem Uferbereich entnommen, diese wurde dann in eine Kammer überführt, welche ich einige Tage unter meinem Zeiss IM35 untersucht habe. Ich tue mich immer etwas schwer, mich auf einzelne Individuen zu "konzentrieren", als Ergebnis gibt es dann zahlreiche, mehr oder weniger schöne Fotos, aber ich dokumentiere in der Regel keine Details der einzelnen Individuen.

Diesmal war mein Ziel jedoch, mich etwas internsiver mit einem Bewohner der Wasserprobe beschäftigen. Es sollte auch ein relativ kleiner und damit schwierig zu dokumentierender Bewohner sein. Ich habe mein Vorsatz nicht bereut :-)

Als Besiedler der Wasserpflanze, respektive der Kieselalgen, habe ich viele koloniebildende Arten mit bäumchenartigem Wuchs nebst Flagellum und einem ansehlichen Kragen oder Kelch vorgefunden: In der untersuchten Probe war Codosiga botrytis sehr zahlreich anzutreffen.

Bild

Foto links: Die ovalen Zellen sind über 10 um lang, die Zellen sitzen einzeln oder zu vielen auf mehrfach körperlangen und verzweigten Stielchen. Foto rechts: ein eizelnes Exemplare mit einem deutlich kürzeren Stil.

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Detailausschnitt Foto links: Die Geisel in Ruhelage. Der zum Ende hin etwas gebogene Verlauf wird in der Literatur als charakteristisch bezeichnet. Ich habe hier wohl ein Exemplar mit sehr langer Geisel erwischt, zumindest wurde in der von mir gesichteten Literatur nur eine Flagellumlänge bis 50um genannt.

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Fasziniert hat mich der nachfolgende, in der animierten Fotosequenz dokumentierte Vorgang:

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Es hat den Anschein, dass sich eine Ausstülpung und anschliesend eine "Wandervakuole" bildet.
In der Literatur (2) gibt es dazu verschiedene Erklärungsversuche - nachfolgend meine Zusammenfassung der von dem Autor favorisierten Erklärung:
Die Ausstülpung stellt die ansonsten kaum sichtbare Schleimhülle dar, welche den Zellkörper umschliest. Zwischen Körper und dieser Schleimhülle bildet sich ein Spalt als Folge einer Kontraktion des oberen Zellkörpers des Individuums. Durch weitere Kontraktion wandert der Spalt bzw. Einschluss als "Wandervakuole weiter zwischen Zellkörper und Schleimhülle nach unten und wird schliesslich in einer Vakuloe aufgenommen.

Bild

Foto oben: In der Draufsicht ist die Schleimhülle zu erkennen, welche den Körper der Zellen umgibt. Zwischen dem Körper und der Schleimhülle bilden sich Lücken, diese bilden sich in Inervallen von wenigen Minuten immer abwechselnd an den gegenüberliegenden Seiten des Körpers.

Ich habe einige Stunden damit verbracht, die zahlreich vorhandenen Vakuulen bzw. kontratilen Vakuuolen zu beobachten. Das ganze ist ziemlich unübersichtlich und komplex. Ich habe es dann auch leider versäumt, davon Fotos zu machen.

Nicht vorenthalten möchte ich noch eine weitere "Draufsicht" auf den Flagellaten, dort habe ich auf den kreisförmigen Umriss des "Kragens" scharf gestellt. Der Kragen als solches ist ja nicht sichtbar, aber zumindest die feinen, punktfärmigen Querschnitte der Stege, welche den Kragen bilden, sind zu erkennen. Martin Kreutz hat diese auch in den PM gezeigt und bezeichnet diese Stege dort als "minute Rods".

Bild

Zum Schluss noch eine weitere Beobachtung - diese hätte ich beinahe übersehen, da diese nur noch gerade so im Lichtmikroskop zu erkennen war:

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Bei paarweise auftretenden Zellen findet man des öfteren zytoplasmatische Brücken, welche die Zellkörper verbinden.
Nach D.J. Hibert (1) sei die genaue Entstehung dieser Verbindungen nicht bekannt, es wäre aber davon auszugehen, dass es sich dabei um Überbleibsel des Teilungsprozesses handele.

Nachfolgend weitere, interessante Details, welche ich dem dem Artikel von D.J. Hibert (1) entnommen habe:
Das Foto unten zeigt einen Ausschnitt eines C. botrytis Zellpaares, auf diesem Aussschnitt zeigen sich Details der amorphen Lorica aber auch die besagte zytoplasmatische Brücke, deutlich zu erkenn eine mediane Verdickung:

7500x:
Bild

Fig8: Längsschnitt durch ein Zellpaar mit dem sphärischen Kern (n), mit einem einzigen Nukleolus, dem parabasalen Golgi-Körper (g), mitochondrialen Profilen (m), hintere Vesikel (v), die zytoplasmatische Brücke (br), die seitlich angebrachten Tentakeln (t) Und die eng anliegende Hülle (s)

10000x
Bild

In den Abb. 8 und 9 ist deutlich eine Trennwand auf halber Strecke der Brücke zu erkennen. Diese misst ca. 280 x 60 nm und enthält transversale Poren oder weniger dichte Flächen von etwa 20 nm Durchmesser (Abb. 9).

Leider habe ich keine Angaben über den Zweck bzw. Funktion dieser Verbindungs-Brücke gefunden. Findet hierüber ein Stoffaustausch/Transport statt? Ich denke das Lichtmikroskop, aber auch die EM Fotos geben hierüber keinen Aufschluss.

Literatur:

(1): J. Cell Sci. 17, 191-219 (1975), D. J. HIBBERD: OBSERVATIONS ON THE ULTRASTRUCTURE OF THE CHOANOFLAGELLATE CODOSIGA BOTRYTIS (EHR.) SAVILLE-KENT WITH SPECIAL REFERENCE TO THE FLAGELLAR APPARATUS

(2) Notes on the Choanoflagellate, Codosiga botrytis, Ehrbg. By Geoffrey Lapagc, M.Sc, M.B., Ch.B.

(3) http://www.zobodat.at/pdf/Zeitschrift-f ... 5-0281.pdf
Zuletzt geändert von ImperatorRex am 10. August 2017, 12:21, insgesamt 2-mal geändert.
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MartinKreutz
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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#2 Beitrag von MartinKreutz » 15. April 2017, 19:45

Hallo Jochen,

meinen Glückwunsch zu diesem außergewöhnlichen und hochinteressanten Beitrag! Ich muss schon sagen, Deine guten Vorsätze hast Du konsequent und professionell umgesetzt. Die Bilder sind phantastisch! Besonders gut gefällt mir das 5. Bild (Stiel, Zelle und Flagellum in der Fokusebene) und die beiden Bilder in apikaler Sicht mit den gut sichtbaren Reusenstäben. Deine gezeigten Details und Lebensvorgänge waren mir bisher unbekannt, obwohl ich Codonosiga auch schon oft unter der Optik hatte. Die "Wandervakuole" ist wirklich interessant. Soweit ich auf Deiner Sequenz sehen kann, schein sich auch keine Nahrung (z.B. Bakterium) in der Vakuole zu befinden. Eine Nahrungsvakuole scheint es also nicht zu sein. Aber es scheint mir, dass sich diese "Wandervakuole" im hinteren Zelldrittel mit der dort lokalisierten kontraktilen Vakuole vereinigt. Ich meine, dass man es sogar recht deutlich erkennt. Eventuell handelt es sich um einen Zuführungskanal zu KV. Seltsam jedoch, dass die oben am Reusenrand zu entspringen scheint. Schon etwas mysteriös. Vielleicht kommen noch andere Ideen.
Auch die Plasmabrücken sind wunderbar getroffen. Mir sind sie bisher bei dieser Art nicht aufgefallen, aber ich werde nun auch mal darauf achten. Zuerst musste ich an die Plasmabrücken der Heliozoen denken, wenn sie Fressgemeinschaften bilden. Die elektronendichte Trennline, die man sogar auf Deiner lichtmikroskopischen Aufnahme ausmachen kann, spricht aber eigentlich dagegen. Eventuell werden hier aber auch nur gelöste Nährstoffe ausgetauscht. Dass es Reste der Teilung sind, glaube ich nicht. Die Einzellzellen haben ja schon ihre separaten Kelche und Schleimhüllen gebildet. Diese werden offesichtlich von der Plasmabrücke durchbrochen, wie man auf dem letzten Bild mit der TEM Aufnahme erkennt. Das sieht mir nach einer dauerhaften Einrichtung aus. Aber auch hier kann man über die Funktion wohl nur spekulieren.

Wirklich sehr interessante Einblicke in das Leben diese Flagellaten!

Martin

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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#3 Beitrag von ImperatorRex » 17. April 2017, 11:58

Hallo Martin,
vielen Dank für Deine Kommentare, darüber habe ich mich sehr gefreut.

Ich selber habe keine Bakterien bzw. Nahrung in den "Wandervakuolen" beobachten können. Allerding wird in dem unter (2) aufgeführtem Werk solch eine Nahrungsaufnahme beschrieben: Bakterien sammeln sich außen am Kragenrand an, werden dort von dem Spalt zwischen Zellkörperwand und Schleimhülle aufgenommen und wandern dann weiter nach unten entlang Zellwand und Schleimhülle, wo diese "Wandervakuole" dann ins innere der Zelle freigegeben wird und dort eine Nahrungsvakuole bildet.

Wie gesagt, ich konnte das selber so nicht beobachten, ob die beobachtete Wandervakuole letztendlich in einer KV aufgenommen wird - so wie es meine Fotos nahelegen würden, ist schwer zu sagen: in der Schlussphase geht es schon recht turbulent und unübersichtlich zu, es gibt da verschiedene Vakuolen.

Neben dieser Wandervakuole(n) konnte ich auch mehrere (2 oder 3) kleinere Vakuolen beobachten, welche sich zu einer KV zusammenschliessen. Aus den kleinen Vakuolen bildet sich zuerst eine längliche, dann eine ovale und zum Schluss eine runde (kontraktile) Vakuole. Das ist schwierig in Fotos festzuhalten, in (2) wird das zeichnerisch Dargestellt:

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Bild

Anbei meine Fotos:

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Bild


Hier noch ein Foto, das den Beginn der seitlichen Wandervakuole zeigt:

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Und ein Foto mit einem optischen Schnitt durch einen Stiel:

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viele Grüße
Jochen
Zuletzt geändert von ImperatorRex am 10. August 2017, 12:29, insgesamt 1-mal geändert.

MartinKreutz
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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#4 Beitrag von MartinKreutz » 17. April 2017, 19:47

Hallo Jochen,

Danke für den Nachschlag an Bildern und Informationen. Das ist wirklich schwierig zu interpretieren. Nachwievor sehen die von Dir markierten "Wandervakuolen" wie Zuführungsvakuolen der KV aus. Im zweiten Bild von oben liegt ja zufällig ein Bakterium zwischen den beiden Codonosiga-Zellen. Bei dieser Vergrößerung sind Bakterien recht deutlich zu sehen. Wenn das Nahrungsvakuolen wären und ein Akt der Nahrungsaufnahme, dann musste man das Bakterium (oder die Bakterien) in der NV eigentlich sofort zu sehen sein. Aber auch in Deinen nachgeschossenen Fotos sehe ich da nichts. Sie sind auch recht klein für eine NV.

Das sind jedenfalls sehr interessante Beobachtungen, die ich versuche mal selber hin zu bekommen. Ich habe gerade mehrere Proben mit schwimmenden Deckgläsern aufgesetzt, an denen sich Codonosiga immer gerne anheftet und dann schön zu beobachten sind. Das wird ein paar Tage dauern, aber ich hoffe, diese Vorgänge dann mal live sehen zu können.

Schönen Abend!

Martin

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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#5 Beitrag von ImperatorRex » 17. April 2017, 21:29

Hallo Martin,
dann mal schon Petri Heil! Ich hoffe Dir geht eine C. botytis ins Netz, ähh auf das Deckglas.

viele Grüße
Jochen

Ole
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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#6 Beitrag von Ole » 26. April 2017, 17:36

Hallo Jochen,

danke für diesen tollen Beitrag. Ich probiere auch seit geraumer Zeit, von den zarten sessilen Flagellaten an alten Diatomeen-Fäden brauchbare Fotos zu machen. Gelingt mir bisher längst nicht so gut wie Dir! Ich versuche es daher mit kurzen Filmsequenzen. Inbesondere beeindruckt mich, dass Du die Stäbe des Kragens sichtbar machen konntest. Dabei habe ich mich gefragt, ob dies eigentlich ganz gewöhnliche Mikrovilli sind, wie sie auch andere Zellen besitzen. Weißt Du hier etwas genaueres drüber?

Viele Grüße

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Re: Codonosiga botrytis, Stielchen-Flagellat

#7 Beitrag von ImperatorRex » 28. April 2017, 22:19

Hallo Ole,
die Stäbchen des Kragens haben auch nur einen Durchmesser von 150-200 nm (1) und so richtig toll aufgelöst werden diese auf den Fotos ja auch nicht. Trotzdem konnte ich bereits mit einer n.A. von 0,90 viele der "Stäbchen" erkennen. Aber ich denke, dass das auch sehr von den einzelnen Individuen abhänt, manche sind evtl. auch etwas "robuster".
Viele Angaben zu den Stäbchen habe ich in der von mir gesichteten Literatur nicht gefunden, machmal werden die Stäbchen dort auch als Tentakel oder Pseudopodien bezeichnet. Interessant ist es, dass diese anscheinend auch wieder in den Zellkörper einverleibt werden können, zumindest wird dies ab und an so erwähnt.

viele Grüße
Jochen

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