Rhipidodendron Huxleyi

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MartinKreutz
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Rhipidodendron Huxleyi

#1 Beitrag von MartinKreutz » 1. März 2017, 20:47

Liebes Forum,

meine alten Proben verwende ich oft weiter, um noch das Letzte rauszuholen. Ich kippe etwas davon in eine Petrischale und lege ein paar Deckgläser auf die Wasseroberfläche. Die Deckgläser schwimmen dort, wochenlang. Je nach Probe haben sich nach wenigen Tagen oder spätestens 1 Woche viele Gäste auf den Deckgläsern eingefunden, die dann besonders schön zu untersuchen sind, da sie ja bereits auf dem Deckglas kleben. Es ist immer wieder überraschend, was man dort findet, auch in uralten Proben. Einen Fund möchte ich hier zeigen. Es handelt sich um den koloniebildenden Flagellaten Rhipidodendron Huxleyi. Ich finde diese Art oft, jedoch habe ich sie noch nie so groß und schön verzweigt gefunden wie hier und vor allem in voller, aktiver Bewegung der Monaden in den Gallertröhren. Ich habe mir erlaubt das erste Bild etwas größer einzustellen:

Bild

Bei einer "normalen" Probenpräparation (also Deckglas auflegen und Schichtdicke reduzieren), hören die Monaden in den Gallertröhren sofort auf Nahrung mit den beiden Flagellen einzustrudeln und ziehen sich in die Röhren zurück. Nicht jedoch, wenn sie am schwimmenden Deckglas kleben. Dann kann man die Kolonie ohne Druck und Beschädigung auf den Objektträger platzieren und die dreidimensional aufgebaute Struktur bewundern.

Die nur 15 µm langen Monaden sitzen an den Enden der Röhren. Sie sind sind sehr schlank um in die 3-4 µm breiten Röhren zu passen. Unablässig strudeln sie Nahrung herbei, hauptsächlich Bakterien. Aus den Ausscheidungsprodukten bauen sie die Röhren. Die Eigenfärbung der Röhren beruht auch auf Einlagerung von Eisen- oder Manganoxid. In der folgenden Aufnahme sind die Monaden mit Pfeilen gekennzeichnet:

Bild

Die Struktur der Kolonie entsteht durch einfache Regeln. Nach jeder Zellteilung gibt es eine dichotome Verzweigung der Röhre und jede Monate baut ihre eigene Röhre weiter. Ich weiß allerdings nicht, wie sie es schaffen, dass die Monaden in benachbarten Röhren diese gleich schnell verlängern? Es gibt keine einzelne Röhre die "hervorschießt". Fast so, als wüsste jede Zelle, was gerade die Nachbarzelle macht.

Viel Spass beim anschauen!

Martin
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Re: Rhipidodendron Huxleyi

#2 Beitrag von Monsti » 2. März 2017, 11:50

Hallo Martin,

der Tipp mit den schwimmenden Deckgläsern ist ja klasse. :wicked_001: Da auch ich viele alte Proben rumstehen habe, werde ich das gleich ausprobieren.

Zur Flagellatenkolonie: Ich habe schon öfters solche Formen gefunden, wobei sie mir immer weniger grünlich, sondern goldbraun erschienen. Handelt es sich dabei evtl. um etwas anderes?

Nasskalte Tirolgrüße
Angie
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Re: Rhipidodendron Huxleyi

#3 Beitrag von MartinKreutz » 2. März 2017, 20:32

Hallo Angie,

freut mich, dass Du mit den schwimmenden Deckgläsern eine neue Probenquelle eröffnen konntest. Ich bin gespannt, was Du finden wirst!

In meinen frischen Proben aus dem Fundort ist Rhipidodendron meistens auch braun oder gelbbraun. So gesehen, ist die gezeigte Kolonie etwas atypisch. Wodurch die gelbgrüne Färbung entstanden ist, weiß ich auch nicht. Aber man muss bedenken, dass die Gallertröhren mit den Ausscheidungsprodukten der Monaden beklebt werden (die winzigen Kügelchen). Ich vermute also, dass die Nahrungszusammensetzung in der Petrischale, in der die Deckgläser schwammen, zu dieser Färbung geführt hat.

Noch etwas zu den Deckgläsern. Ich verwende ausschließlich 24 X 32 mm Deckgläser, seit mindestens 25 Jahren. Die Gründe sind vielfältig. Sie lassen sich besser handeln und reinigen. Wenn man Objekte mit der ausgezogenen Pipette isoliert, ist es bei einem großen Deckglas wesentlich wahrscheinlicher, dass das Objekt nicht gerade in Randlage gerät. Frei schwimmende Individuen haben es weiter zum Rand und man hat mehr Zeit zum fotografieren. Und nicht zuletzt sind große Deckgläser leichter von der Wasseroberfläche zu "pflücken" als kleine. Ich bekomme für diese Werbung übrigens von den Deckglasherstellern kein Geld!

Martin

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Re: Rhipidodendron Huxleyi

#4 Beitrag von Monsti » 3. März 2017, 13:13

Hallo Martin,

habe heute schon mal zwei Schalen mit Material und Deckgläschen präpariert. Leider habe ich nur wenige 24x32-Deckgläser in meinem Bestand. Normalerweise verwende ich nämlich 24x24-Deckgläser. Zwei Fragen zum sauberen Übertragen auf den Objektträger hätte ich noch: Entnimmst Du die Deckgläser mittels Pinzette? Ist anschließend zusätzliche Wasserbeigabe nötig, oder haftet genug davon unter dem Deckglas?

Natürlich werde ich berichten, was ich nach einigen Tagen finde. Wahrscheinlich wird's mal wieder eine Bestimmungsanfrage ... :wicked_014:

Viele Grüße
Angie
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Re: Rhipidodendron Huxleyi

#5 Beitrag von MartinKreutz » 3. März 2017, 18:48

Hallo Angie,

logischer Weise funktionieren auch 24 X 24 mm Gläser oder 15 X 15. Ich bin nur ein Freund von größeren Flächen, die man später absuchen kann.

Die Deckgläser lege ich mit der Hand auf (einfach auf die Wasseroberfläche fallen lassen). Später nehme ich sie mit einer Pinzette ab. Geht ganz leicht. Die saufen nicht ab! Wenn ich unter dem Mikroskop sehe, dass sie noch nicht "reif" sind (noch kein Bewuchs), schmeiße ich sie zurück in die Petrischale. Das prüfen der Deckgläser geht eigentlich recht fix. Heute habe ich neue Petrischalen angesetzt und ich poste ein paar Fotos, wie das bei mir aussieht:

Bild
Bild
Bild

Ich hoffe mit den Bildern wird alles klar! Ich habe noch eine weitere Methode, alte Proben in allen Facetten zu nutzen, mit möglichst wenig Aufwand. Ich schmeiße einfach ein paar Objektträger in die Probengefäße. Ist egal wie die landen. Irgendwas siedelt sich immer darauf an. Das sieht dann so aus:

Bild

Es muss immer einfach und schnell gehen, weil ich hier ziemlich viel Zeug durchscreene. Da arbeite ich dann eher auf Masse. Muss nicht aussehen, sondern funktionieren.

Viel Spass beim selber probieren!

Martin

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Re: Rhipidodendron Huxleyi

#6 Beitrag von Monsti » 3. März 2017, 19:26

Hallo Martin,

vielen Dank für diese Ergänzung! Dann habe ich es heute ja schon mal richtig gemacht. Allerdings habe ich in Ermangelung von mehreren Petrischalen jeweils einen dunkleren Deckel von irgendeinem Kunststoffgefäß genommen und darüber einen transparenten Deckel gelegt, in der Hoffnung, dass noch vorhandene Bewohner ans Licht streben. Ein paar Algen schwimmen jedenfalls schon mal an der Oberfläche. Bin gespannt auf die Ergebnisse.

Viele Grüße
Angie
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