Carchesium polypinum

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MartinKreutz
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Carchesium polypinum

#1 Beitrag von MartinKreutz » 17. Februar 2017, 20:08

Liebes Forum,

an der Gefäßwand einer alten Probe fand ich einige Kolonien von peritrichen Ciliaten, die sich leicht als Carchesium polypinum identifizieren ließen. Diesen Ciliaten habe ich schon oft gefunden, aber diesmal habe ich mit der Kamera etwas mehr draufgehalten. Im folgenden einige Bilder meiner Ausbeute.

Die Kolonien werden bis zu 10 mm groß und und sind mit bloßem Auge sehr gut zu erkennen. Unterdem Mikroskop bieten sie einen sehr ästhetischen Anblick:

Bild[

Die Einzeltiere (Zooide) sind ca. 80 - 130 µm groß und sind über verzweigte Stiele miteinander verbunden:

Bild

Wie kann man Carchesium von Vorticella unterscheiden? Die Stiele beider Gattungen kontrahieren spiralig. Jedoch sind die Stiele von Vorticella durchweg < 10 µm dick. Bei Carchesium sind die Stiel immer dicker als 10 µm. Außerdem ist der Stielmuskel (das Myonem) bei Carchesium an den Verzweigungsstellen unterbrochen (rechte Aufnahme, Pfeil). Innerhalb dies Stielmuskels erkennt man viele perlenförmige Körper. Es handelt sich hier um Mitochondrien, welche die Energie für die Kontraktion liefern:

BildBild
Mit = Mitochondrien
MY = Myonem
Pfeil = Verzweigungsstelle mit unterbrochenem Myonem

Wie Vorticella besitzt Carchesium eine sehr feine Streifung der Pellikula. Dies unterscheidet die beiden Gattungen von Pseudovorticella, die eine kissenförmige, bläschenartige Struktur der Pellikula besitzt:

Bild

Um etwas vom Innenleben von Carchesium zu erkennen, muss man die Zelle quetschen. Legt man den Fokus kurz unterhalb der Pellikula, so erkennt man die die dort lokalisierten, zahlreichen Mitochondrien. Eine besonders dichte Ansammlung findet sich um die kontraktile Vakuole herum, um diese mit Energie zu versorgen:

Bild
Mit = Mitochondrien
KV = kontraktile Vakuole

Legt man den Fokus tiefer, erkennt man die Lage der KV besser, welche das herausgepumpte Wasser in den Schlundtrichter abgibt. Der Makronukleus ist J-förmig, sehr lang und würstförmig. Ihm angelagert ist jeweils 1 Mikronukleus der sich in einem kleinen Bläschen befindet:

Bild
Mi = Mikronukeus
Ma = Makronukleus
KV = kontraktile Vakuole
NV = Nahrungsvakuole

Quetscht man den Zooiden noch weiter, sind die Kernverhältnisse noch deutlicher zu erkennen:

Bild
Mi = Mikronukeus
Ma = Makronukleus
KV = kontraktile Vakuole

Ein schönes Objekt, das nicht wegschwimmen kann. Zum Üben der mikroskopischen und fotografischen Technik sehr gut geeignet. Das sage ich nicht nur an Anfänger gerichtet. Ich musste erst mal ganz schön rumfummeln, um die Pellikulastreifung anständig einzufangen.

Viel Spass beim anschauen!

Martin
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Re: Carchesium polypinum

#2 Beitrag von Ole » 28. Februar 2017, 16:12

Hallo Martin,

vielen Dank für die tollen Aufnahmen, inbesondere auch die hübschen Gruppenbilder bei schwächerer Vergrößerung. Wie sicher bist Du Dir bei den Mitochondrien (Obj. 100x)? Könnten dies nicht auch aufsitzende Bakterien sein, gerade in verschmutzteren Habitaten, in denen ja häufig besonders viele Peritriche vorkommen? Mich hat ein wenig irritiert, dass sich bei tieferer Fokussierung in der Zelle keine Mitochondrien mehr zeigen - oder ist eine periphere Anordnung der Mitochondrien bei peritrichen Ciliaten bekannt?

Danke und viele Grüße

Ole

MartinKreutz
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Re: Carchesium polypinum

#3 Beitrag von MartinKreutz » 28. Februar 2017, 19:35

Hallo Ole,

eine sehr gute Frage! Bei den Mitochondrien bin ich mir ziemlich sicher! Das "Granula" im Stiel sind auf jeden Fall Mitochondrien. Dies ist auch in der Literatur zu finden. In der Zelle (im Zooid) liegen die Mitochondrien meistens unter der Pellikula und an Stellen, wo viel Energie verbraucht wird (Cilien, Kontraktion, KV). Man kann das auch in vielen anderen Ciliaten beobachten. Du hast recht, es gibt viele Ciliaten, die einen Bakterienbesatz tragen können. In diesem Fall trug meine Population von Carchecium allerdings keine äußeren Bakterien. Dies kannst Du an der Aufnahme der Pellikulastreifung erkennen. Da sind nur 3 Bakterien zu erkennen, die aber am Deckglas klebten und durch den Anpressdruck in die Fokusebene gerieten. Auf dieser Aufnahme kannst Du bereits in der Unschärfe die Mitochondrien direkt unter der Pellikula schemenhaft erkennen. Die Aufnahme darunter zeigt diese dann in der Fokusebene. Es kann nicht die Außenseite des Zooides sein, denn da befanden sich ja nur 3 Bakterien. Mitochondrien sind im DIK immer strukturlos, im Gegensatz zu Bakterien, die oft Einschlüsse enthalten. Auf der Aufnahme erkennt man auch einige Stadien der Sprossung, durch den sich die Mitochondrien vermehren. Die Größe von 2-3 µm stimmt auch überein (für Mitochondrien in Protozoen, in Metozoen sind sie viel kleiner). Die Mitochondrien sind nicht nur unter der Pellikula zu finden, sondern auch im Plasma verteilt. Dies erkennt man auf der vorletzten Aufnahme, wo ich einen optischen Schnitt durch 2 Exemplare gemacht habe. Hier sieht man überall die "Bläschen" im Plasma verteilt. Das sind sie!

Woher weiß ich, dass dies die Mitochondrien sind? Steht ja nicht dran! Ich weiß es selbst nicht mehr genau. Es muss etwa 20 Jahre her sein, als ich begann, mir meine Objekte bei sehr geringer Schichtdicke mit Ölimmersion genauer anzuschauen. Meine damaligen Aufnahmen habe ich mit anderen Mikroskopikern diskutiert und mit der Literatur verglichen. Da war noch viel Rätselraten dabei. Der entscheidene Hinweis kam (mal wieder) durch meinen Kontakt mit Foissner, der mir meine Bildbeschriftung korrigierte. Bei den vielen tausend Viechern, die ich schon unter der Optik hatte, fällt es mir inzwischen leicht, sie zu erkennen. Leider gibt es im Netz nur wenige Vergleichsaufnahmen von (ungefärbten) Mitochondrien mit dem Lichtmikroskop. Offensichtlich gibt es nur wenige Mikroskopiker, die sich diesen Zellorganellen mal angenommen haben.

Martin
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Re: Carchesium polypinum

#4 Beitrag von Ole » 28. Februar 2017, 22:15

Hallo Martin,

herzlichen Dank für die ausführlichen Erläuterungen - Du hast mich überzeugt.

Viele Grüße

Ole

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Re: Carchesium polypinum

#5 Beitrag von paramecium » 5. März 2017, 00:03

Hallo Martin,

das sind wieder einmal wunderbare Aufnahmen.

Als ich las, dass Du auf Mitochondrien tippst, dachte ich mir folgendes: Falls wir diese Kollegen in Bodman einmal ausfindig machen können, oder Du eine Probe dieser Spezies vorbei bringen könntest, könnten wir der Frage, ob es Mitchondrien sind, oder nicht eventuell auf den Grund gehen. Geeignete Fluorochrome habe ich immer dabei. Einen Versuch wäre es wert. Der hochbrechende Charakter spricht eventuell dafür. Bei manchen Ciliaten auch die Lage entlang von Cilienreihen. Mitochondrien sind jedoch nicht nur hier zu finden. Die Bestätigung findet man mittels Färbung mit Fluorochromen, wie Rhodamin 6G, Rhodamin 123, Carbocyaniden wie DiOC6(3) oder speziellen Mito-Trackern. Lichtmikroskopisch besteht jedoch eine hohe Verwechslungsgefahr. Ebenfalls Verwechslungsgefahr scheint bezüglich der gesehenen und gefärbten Zellmembranen selbst zu bestehen. Gelegentlich werden nämlich nicht Mitochondrien sondern Strukturen des endoplasmatischen Reticulum (ER) angefärbt. Eventuell kann man eine Lebendfärbung mit Janusgrün B versuchen, was bei Einzellern jedoch problematisch ist. Lichtmikroskopische Farbstoffe (Vitalfärbung) wirken aufgrund der höheren Dosierung (im Vergleich mit Fluorochromen) meist cytotoxisch und führen zu Artefakten.

Viele Grüße

Thilo

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Re: Carchesium polypinum

#6 Beitrag von MartinKreutz » 5. März 2017, 20:28

Hallo Thilo,

in der Tat sind die Mitochondrien oft entlang der Cilienreihen (den Kineten) angeordnet. In einem früheren Beitrag habe ich an Trithidmostoma cucullulus gezeigt, wie das aussieht:

Bild
PO = präorale Wimpernreihe
CI = Circumorale Wimpernreihe
RE = Reuse
EX = Exkretionsporus
MI = Mitochondrien

Wer den ganzen Beitrag nochmal lesen möchte:

http://www.mikro-tuemplerforum.at/viewt ... f=23&t=307

Als Objekt zum anfärben der Mitochondrien empfehle ich Amoeba proteus. Die Viecher sind häufig und die kontraktile Vakuole ist immer deutlich sichtbar mit Mitochondrien besetzt. Fall Du A. proteus vorrätig hast, kannst Du ja mal probieren, ob die Mitochondrien sind anfärben lassen.

Martin
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